Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Der alte Freyer, eine Erzehlung

1747

                    Ich sah, ihr Enckel glaubt es doch!
Jüngst lauschend durch ein Schlüsselloch.
Nicht, eine Venus zu entdecken
Und dann sie lüstern zu erschrecken,
Wie letztens Herr Leander that
Der aber nichts gesehen hat;
Nein, die Gesellschaft eines Alten,
Den ich noch nie für fromm gehalten,
In seinem Schlafgemach zu sehn,
Kont ich sacht, wie ein Kater, gehn.

Ich sah ihn, doch ihn nur allein,
Wer solt auch bey dem Alten seyn?

Wenn ich ihn nicht einmahl besuche
So sitzt er einsam bey dem Buche,
Das ihm, mit wohlbedachtem Rath,
Ein Doctor zugeeignet hat,
Und ließt – – – doch, jetzo las er nicht.
Er saß mit freundlichem Gesicht,
Und sahe nach dem Wetterglase,
Und hielt den Finger an die Nase,
Und sprach: – denn was der Mund nicht spricht
Das sprechen Minen im Gesicht.
»Auf meiner Nase hängt ein Brill,
Wenn ich die Mädchen sehen will,
Und, bey Blondinen und Brünetten
Hab ich nicht, was sie gerne hätten.
Dis ist wohl wahr. Allein, ich bin
Ohn Eifersucht, und Eigensinn.
Ich bin kein Neider fremder Gaben
Ich lasse sie die Damen haben,
Und kan ich selbst behülflich seyn
Mein drittes Weibchen zu erfreun,
So lad ich selbst, an allen Festen,
Zu meinen und zu ihren Gästen,
Die Hercules an Mannbarkeit
Die Gartengötter dieser Zeit;
Dann, wird ihr, hoffentlich, von allen
Ein Gartengott nicht mißgefallen.
Der geb ihr dann an meiner Statt,
Kuß, Hand, und alles, was er hat.

Es kan mir nicht an Bräuten fehlen,
Wer wird sich nicht mit mir vermählen?

Die Fromme, die sich mir ergiebt,
Die mich, und keinen Jüngern, liebt,
Hat, und behält der Keuschheit Ruhm
Durch Hofnung zu dem Witwenthum.
Mein Geld wird ihr, ich muß ja sterben,
Den schönsten, jüngsten Mann erwerben;
Was will es mehr, das fromme Kind?
Es weiß, wie jetzt die Freyer sind.
Wer fragt nach edelen Gemüthern?
Man freyet nur nach Geld und Güthern.

Die Freye, die sich angewöhnt,
Daß sie die schwachen Männer crönt,
Die sich an keine Tadler kehret,
Und allen Vorwurf spöttisch höret,
Die jeden braven Mann erhebt,
Und stets nach bravem Männern strebt,
Die wird von mir so hoch geschätzet,
Als die, die sich in Winckel setzet,
Und ihren schwachen Mann bedaurt,
Und mit ihm seufzt, und mit ihm traurt,
Und sich mit seinen Sorgen quälet,
Und nirgend suchet, was ihm fehlet.

Der Freyen stell ich alles frey:
Die Zuflucht zu der Heucheley,
Den Zeitvertreib verschwiegner Nächte,
Den Trieb zum männlichen Geschlechte,
Die eckele Zufriedenheit,
Die Wahl der bessern Mannbarkeit,
Den Umgang mit verliebten Kennern
Mit lustigen geputzten Männern;
Sie sey allein auf manchem Ball,
Ich folg ihr nicht zum Carnevall.
Wer fähig ist ihr Hertz zu rühren,
Der mag sie in die Oper führen.

Wenn sie mir nur gewogen ist,
Wenn sie mich nur bey Tage küßt,
So rath ich ihr zu tausend Freuden
So mag sie mich zehn Nächte meiden.

Sie ist ein unentbehrlich Weib
Zur Haußhaltung, zum Zeitvertreib,
Sie schwächt den Haufen meiner Feinde,
Sie ist mein Weib für gute Freunde.«

So sprach, wenn ich zu deuten weiß,
Der abgelebte krumme Greiß,
Der kalte siebzigjährge Freyer,
Dem nicht ein Funcke von dem Feuer,
Das mich noch brennet, übrig war,
Der Hofmann mit schneeweissem Haar.
Er sprachs und ließ, sich zu verjüngen,
Ein Mädchen aus Placenza singen,
Und da noch die Syrene sang,
Bedacht er manchen schlauen Gang.

Er dachte: »Mädchen zu besehen
Will ich heut in die Kirche gehen,
Und morgen in das Opernhauß,
Und übermorgen auf den Schmauß;
Und Abends will ich mich maskiren,
Und Masken sollen sich verliehren,
Und die mit mir zum Caffe gehn,
Will ich da ohne Maske sehn.

Ach möchte nun die Neustadt grünen,
So könten mir die Schatten dienen!

Da, wo selbst Amor mit spatziert,
Wohin er selbst die Witwer führt,
Bey Monbijou und unter Linden,
Da wären Bräute gnug zu finden.

Im Winter, möcht er itzt nicht seyn!
Theil ich die Wochen anders ein.

Des Mittwochs will ich Molieren,
Wo ihn der König höret, hören,
Und wenn er was zu lachen macht
So geb ich auf die Logen acht.
Und wann man nach den Tänzern siehet
Wie rasch sie Barberina fliehet,
So will ich rasch mich seitwerts drehn,
Und Mädchen, die ihr gleichen, sehn.«

Schweig, Vater, dis sind meine Blicke,
Für Dich erobern sie kein Glücke.

»Kein Glücke? – – Nein. – – Mein lieber Sohn,
Krieg es, dein Vater hat es schon!
Er hats, – – ich – – soll ich dirs gestehen?
Hab eine Nymphe gut gesehen.

Als Cochois Merope war,
Sah ich in unsrer Nymphen Schaar
Belinden, und ihr schwartzes Haar,
Mit Minen, die mich Venus lehrte,
Als ich nach ihr die Brille kehrte,
Und sie sah mich so redlich an,
Als sähe sie schon ihren Mann.

Da kont ich nicht Meropen hören,
Da seufzt ich zehnmahl zu Voltairen:
Ach laß, ich will die Lieb erklären,
Dein Trauerspiel nicht lange währen;
Und, voll verliebter Ungedult,
Voll Angst um ihre Gegenhuld,
Und schimpfend auf das Podagra,
Weil mich ein schlauer Nachbar sah,
Ließ ich die Kutsche gleich bestellen,
Um mich zur Nymphe zu gesellen.

Ich traf sie noch den Abend an,
Und bot mich ihr zu ihrem Mann,
Und ließ, die Schöne zu bewegen,
Die rechte Meinung von mir hegen,
Die Meinung, die mit starcker Kraft,
Die schönsten jüngsten Bräute schaft.

Ich sprach: Ich lieb ein freyes Kind,
So eins, wie sie mein Engel sind.
Die Stillen kan ich gar nicht leiden,
Ich Alter bin kein Feind der Freuden.
Kurtz, was ich mit mir selber sprach
Als an dem ersten Weynachts-Tag
Der Finger an der Nase lag,
Das sprach ich listig jetzo nach.

Trotz allem neidischen Gehöne,
Erobert ich die junge Schöne,
Und nun ist sie mein liebes Weib
Zur Haußhaltung, zum Zeitvertreib,
Sie schwächt den Haufen meiner Feinde,
Sie ist mein Weib, für gute Freunde.«

* * *
Mit der zufriedenen Geberde,
Die ich nie selber machen werde;
Und mit der Mine, die er machte,
Als ich bey der Geberde lachte;
Und wie ich ihn diß hörte sprechen:
So soll uns Schmidt in Kupfer stechen.

 


 


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