Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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An den Tod

1745

                Tod, was wilst du bei den Brüdern?
Kommst du her mit uns zu trinken?
Geh, hier ist für dich kein Rheinwein!
Trink aus Heidelberger Fässern;
Denn der Durst, in deinen Knochen,
Ist mit Maaßen nicht zu löschen!
Geh, du möchtest statt der Brüder,
Alle Römer ledig trinken!
Geh, und laß die Brüder trinken!
Denn du wilst sie doch nicht holen?
Nein, du holst ja nur die Alten;
Denn was soll das Reich der Todten
Mit den Schatten, die noch trinken?
Du verschonst die muntre Jugend.
Tod, weil du der Jugend schonest,
Solst du doch den Rheinwein schmekken.
Sieh, dort steht ein voller Römer,
Hol ihn mit den dürren Händen!
Kanst du wol den Römer halten?
Trinke, wenn die Brüder trinken;
Aber ruf erst mit den Brüdern:
Auf, es leben alle Mädchen!
Und wenn dir der Rheinwein schmekket,
O so jauchze mit den Brüdern,
Freier, als mein Uz itzt jauchzte,
Oder singe seine Lieder,
Die den lieben Weingott loben!
Tod, du kanst den Wein nicht schmekken!
Brüder, seht doch das Gerippe,
Seht, es fehlen Lefz und Zunge!
Brüder trinkt, und schmekkt den Rheinwein!
Seid ihr einst, wie dis Gerippe,
Ohne Lefz und ohne Zunge,
Dann könnt ihr ihn nicht mehr schmekken.

 


 


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