Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Lob des Landlebens

                  GOttlob, daß ich dem Hoffgetümmel
Entflohn, und unter freyem Himmel
Nun wiederum mein eigen bin!
Entfernt von Schmeichler und Verräther
Und nah am Kirchhof meiner Väter,
Hab ich nun wieder freyen Sinn.

Ihr, meine Wälder, habt mich wieder,
Mich, welcher seine müden Glieder
Hier hin auf sanfte Rasen strekt.
Dem Fürsten und dem Glük empfolen
Lief ich, nun will ich mich erholen
Vom Schatten dieses Baums bedekt!

Hier grüß ich mit Gesang die Chöre
Der Singevögel, lausch, und höre
Still ihrer Lieder Harmonie.
Mit ihnen sing ich um die Wette;
Denn nach zerbrochner Sclavenkette,
Bin ich vergnügt, und frey wie sie.

In goldnem Kefich eingeschlossen
Verlebt ich leider ungenossen
Die Helfte meiner Lebenszeit.
Was war mein grosser Eifer? Allen
Des Hofes Augen, zu gefallen!
Was meine Sorg? ein Gallakleid!

Ich hatt' in eines Sclaven Schranken
Nicht eines freyen Manns Gedanken,
Und eines Weisen Wünsche nicht!
Wie manches mahl war auf der Bühne
Der Welt, mein Unglük eine Mine?
Wie oft mein Gram ein scheel Gesicht?

Nur selten sah ich aus den Dunkeln
Gewölben, jene Welten funkeln,
Die über meinem Haupte stehn!
Mein Blik, ans Irdische geheftet,
War starr, verwöhnet, und entkräftet,
Und kont' in keine Ferne sehn!

Hier kan ich in die Tiefen schauen,
Dorthin, woher von seelgen Auen
Aus GOttes heiligstem Gebieth,
Der Frommen Thaten zu betrachten,
Und sie des Beyfalls wehrt zu achten,
Der Engel Schaar herunter sieht!

Hier seh ich, was ich nimmer sahe,
Die Hölle fern, den Himmel nahe,
Hier trotz ich ihr, hier preis' ich ihn!
Hier, wo wir nur in Hütten wohnen,
Seh ich nicht Perlen, und nicht Cronen,
Doch seh ich Veilchen und Jesmin!

Hier kan ich schlummern. Böse Träume
Bewohnen diese jungen Bäume,
Und diese klaren Bäche nicht.
Hier schwärmt kein schwarzer Geist der Hölle,
Kein Gift fließt hier aus dieser Quelle,
Und keine falsche Zunge spricht.

Hier sterb ich, o ihr Nachtigallen!
Laßt nur kein traurig Lied erschallen,
Wenn ihr mich hier einst sterben seht.
Ihr Bäche, murmelt keine Klage,
Wenn eur Behorcher ganze Tage
Nicht mehr an eurem Ufer geht!

Denn hin in jene seelgen Auen
Des Himmels, meinen GOtt zu schauen,
Werd ich geführet durch den Tod!
Er komme, wenn er will! In Sünden
Und zitternd soll er mich nicht finden,
Wenn er mit seiner Sense droht.

In Unschuld sollen meine Tage
Von nun an fliessen. Ohne Klage
Will ich sie hier dem Himmel weihn.
Er sende Kummer oder Freuden!
In allem mir beschiednem Leiden
Will ich mit ihm zufrieden seyn.

Auf meinen eignen Ländereyen
Kan ich zu Brod den Samen streuen
Und schreiten hinter eignem Pflug;
Mein Trank quillt hier aus reiner Erde,
Bekleidung giebt mir meine Heerde,
Gesunde Luft mein Athemzug!

Um Reichthum thu ich keine Bitte,
Wenn auf mein Land und meine Hütte,
Nur Regen trieft, und Sonne scheint.
Was nöthig ist, hab' ich zum Leben,
Will mir der Himmel mehr noch geben,
So geb er mir nur einen Freund!

Nur einen, der sich mich erwähle,
Zu dem Vertrauten seiner Seele,
Der mit mir theile Lust und Schmerz!
Der sich gleich mir vom Hof entferne,
Sein eigen werde, kennen lerne
So mich, als wie sein eigen Herz!

Ist denn dis Herz in seinem Busen
Erfüllt mit Liebe zu den Musen,
So wird mein Berg ein Helikon!
So sind wir treue Musenbrüder,
So dichten wir, und singen Lieder,
Ich David, er Anakreon!

Wie in dem Himmel will ich leben
Mit solchem Freunde, mir gegeben,
Von dem, der auf den Wolken thront,
Mit treuer vogelschneller Eile,
Durchflieg ich jene lange Meile,
Die er von mir entfernet, wohnt.

O seelig Leben auf dem Lande!
O grosses Glük im Mittelstande!
O Paradies der Einsamkeit!
O süsses göttliches Vergnügen,
In solchem Schatten so zu liegen!
O Tage der Zufriedenheit!

* * *
Dis Lob der Fluren und der Stille
Sang Damon, und sein ernster Wille
War sich dem Hofe zu entziehn,
Er schwur, den Fluren treu zu bleiben,
Allein es kam ein gnädig Schreiben,
Schnell reist er wieder nach Berlin.

 


 


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