Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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An Lessing

1762

              Ich kletterte, voll Furcht, zu stürzen,
Mühseelig auf den Helikon;
Ich kam hinauf, und lief, zu sehen
Den fröhlichen Anakreon!

Allein ich sah des Berges Spitze,
So weit ich sahe, wüst und leer!
Da war kein Phöbus, keine Muse,
Kein Sophokles, und kein Homer!

Voll Gram im Herzen, stieg ich wieder
Den allzu steilen Berg hinab,
Und an dem Fuße stand ein Riese,
Gelehnt auf seinen Wanderstab!

Wir haben, sprach er, Fels auf Felsen
Vor tausend Jahren aufgethürmt!
Die Götter zitterten, wir haben
In ihrem Himmel sie bestürmt!

Mit besserm Glück ist itzt, o Pilger!
Der Helikon von uns zerstört;
Das Musennest war uns nichts nütze,
Die Menschen wurden zu gelehrt!

Mit Angst und Furcht hört' ich den Donner
Der Riesenstimme, welche mich
Vom Schlaf erweckte; wach geworden
Dacht' ich zuerst, o Freund! an dich!

Sind keine Dichter, keine Musen,
Ist kein Apollo mehr darauf,
Ist er zerstört, dacht' ich, so richtet
Ihn unser Lessing wieder auf!

 


 


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