Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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An die Eltern.

          Väter! zwinget eure Kinder
Nie zum Lernen solcher Künste,
Die sie nicht erlernen wollen.
Laßt die Kinder selber wählen,
Lobt und leitet ihre Neigung;
Sonst erlebt ihr, wie mein Vater,
Unglück an den besten Kindern.
Jetzo wird er selber sagen:
Väter, zwingt doch keine Kinder! –

Ich, sein Sohn, ward auch gezwungen;
Aber hat es was gefruchtet?
Erst sollt' ich im schwarzen Kleide
Schwere Seelensorgen lernen,
Weil es meine Mutter wollte;
Doch es rettete mein Vater
Mich von solchen schweren Sorgen,
Und da sollt' ich, wider Willen,
Sorgen lernen für den Körper;
Aber es erfuhr mein Vater,
Daß ich lieber gar nichts lernte.
Endlich nahm er mich bei'm Arme,
Führte mich zum Rechtsgelehrten,
Und ermahnt' ihn, daß ich's hörte:
»Vetter, lehre diesen rechten,
Halt' ihn scharf und gib ihm Akten!«
Hurtig gab sie mir der Vetter.
Köpfen, Hängen, Peitschen, Rädern
Sollt' ich aus den Akten lernen.
O, wie haßt' ich dieses Handwerk!
O, wie wünscht' ich oft aus Unmuth
Meinen Lehrer hin zum Kuckuck,
Wenn er mich mit Schriften quälte,
Welche Blut und Tod verlangten!
Gab er aber mir Prozesse
Von verlornen Liebesbriefen,
Von willkommnen Nachtgespenstern,
Oder sollt' ich für die Schönen
Ueber blöde Männer klagen:
Gleich war Kopf und Feder fleißig;
Und mein Lehrer konnt' es merken,
Daß ich nichts erlernen würde,
Als die Händel der Verliebten;
D'rum verschafft' er mir vom Richter
Lauter Händel der Verliebten.
Und nun ich in diesen Händeln
Ausgelernt bei meinem Lehrer,
Nun empfehl' ich mich zum Richter
Und zum Anwalt aller Schönen!

 


 


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