Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Siegeslied nach der Schlacht bey Roßbach den 5ten November 1757

        Erschalle, hohes Siegeslied,
    Erschalle weit umher!
Daß dich der Feind, wohin er flieht,
    Vernehme hinter her.

Den, welcher unsern Untergang
    In bösem Herzen trug,
Den schlage, muthiger Gesang,
    Wie Friederich ihn schlug!

So wie ein junger Löwe liegt,
    Und laurt auf seinen Feind,
Der stolz ist, in Gedanken siegt,
    Ihn leicht zu zwingen meint;

So, tapfre Brüder! lagen wir,
    Wir kleiner Hauf im Thal.
Der Abend kam, da schliefen wir,
    Nach langem Marsch einmal!

Vom Pulverdonner eingewiegt,
    Und von der Waffen Last
Ermüdet, schliefen wir vergnügt,
    Und hatten gute Rast.

Nur Friedrich, welcher immer wacht,
    Nur unser Held durchritt,
Voll Anstalt zu der nahen Schlacht,
    Die Felder, Schritt vor Schritt.

Vom Sternenvollen Himmel sahn
    Schwerin und Winterfeld,
Bewundernd den gemachten Plan,
    Gedankenvoll den Held!

Gott aber wog, bey Sternenklang,
    Der beyden Heere Krieg,
Er wog, und Preussens Schaale sank,
    Und Oestreichs Schaale stieg.

Der Neid, der neben Thronen sitzt
    Im ungetreuen Wien,
Knirscht mit den Zähnen, Rache blitzt
    Aus Augen, welche glühn;

Der hatte wider Deine Macht
    Und Weisheit, Friederich!
Der Erde Fürsten aufgebracht,
    Gott aber blieb für Dich.

Nun mögen sie bey ihrem Krieg
    Verrathen im Gesicht:
Der Himmel gebe solchen Sieg
    Dem Ungerechten nicht.

Der grosse Morgen brach hervor,
    Und brachte grossen Tag,
Den Morgengruß in unser Ohr
    Trug mancher Donnerschlag.

Wir aber hörten kaum darauf,
    Wir dachten keinen Tod;
Wir standen ausgeruhet auf,
    Und kochten Morgenbrod.

Die Feinde kommen, sagte man,
    Wir aber blieben still,
Wir sahn sie kommen, nah daran,
    Wir aber blieben still!

Denn Friedrich war noch nicht zu sehn,
    Bis Moritz sagte, Marsch!
Von allen war er nun zu sehn,
    Und alle sagten, Marsch!

Aus unser aller Augen stieg
    Ein rechter Freudenstrahl.
Wir wurden alle lauter Sieg,
    Und lachten ihrer Zahl.

Wir liefen alle, Mann bey Mann,
    Ein jeglicher ein Held!
Als wollten wir, Berg ab Berg an,
    Durchlaufen alle Welt.

Was meinte da der dumme Feind?
    Er meint es wäre Flucht;
Spricht sich einander, was er meint;
    Schwillt auf von Siegessucht;

Zieht einen grossen halben Mond
    Um unsre Flucht herum;
Ruft laut: der Hunde nicht geschont!
    Wie dumm war er, wie dumm!

Wir liefen auf der Siegesbahn,
    Die Friedrich in der Nacht
Geritten war, und nach dem Plan,
    Den Er allein gemacht.

Es war ein rechter Wettelauf,
    Schnell aber hörten wir:
Halt! richtet euch! marschiret auf!
    Steht! Plötzlich stunden wir.

Mit einem Blick könnt uns der Feind
    Querüber übersehn.
Verspottend sah er uns vereint,
    Uns kleinen Haufen, stehn.

Da dacht ein witziger Franzos:
    Unrühmlich sey die Schlacht,
Sein Ludewig sey viel zu groß,
    Zu wenig Friedrichs Macht.

Als aber Keith drauf vor uns her,
    Der Britte, Feuer! rief,
Und Feuer war; o da war er
    Der erste, welcher lief.

Was dacht er doch in seinem Lauf?
    Er dacht, erstarrt und stumm,
Der Hölle Rachen thut sich auf,
    Lief fort, sah sich nicht um.

Welch einen Sieg, o Friederich!
    Gab Gott uns bald und Du!
Acht Haufen stritten nur für Dich,
    Die andern sahen zu.

Sie stritten, angefeurt von Dir,
    Und Heinrichs Heldenmuth,
Er blutete, wir sahn es, wir,
    Und rächeten sein Blut.

Ha, welcher Donner, welcher Kampf!
    Wir speyten Flamm und Tod;
Wir wandelten in Rauch und Dampf,
    Schwarz wie der Höllen Gott.

Du, Frankreichs grosser Donnerer,
    Verstummtest! Rächte sich
An Deiner Kunst ein Stärkerer?
    War Müller über dich?

Hat seines Donners Schlag auf Schlag
    Dir nicht ein Haar verbrannt?
Die drohende Colonne lag
    Straks hingestreckt im Sand.

Mit seinem Häufchen Reuterey
    Hieb Seydlitz mörderlich;
Welch ein Gemetzel, welch Geschrey:
    Wer kann, der rette sich!

Franzose, nicht an Mann und Pferd,
    An Heldenmuth gebrichts.
Was hilft dir nun dein langes Schwerd
    Und grosser Stiefel? Nichts!

Dich jagt der schwärmende Husar,
    Mit einem wilden Blick,
Nur drohend, bracht er eine Schaar
    Gefangener zurück.

Reicht ihm der Ritter und der Graf
    Die Orden Ludewigs,
Geduldig wie ein frommes Schaaf,
    Zum Zeichen seines Siegs:

So fordert er kein Menschenblut,
    Schenkt ihm das Leben gern,
Und spricht mit ihm vom Heldenmuth
    Des Königs, seines Herrn.

Den Bittenden verschonet er,
    Den andern haut er scharf;
Vergnügt, wenn er zu seiner Ehr,
    Kein Blut vergiessen darf.

O, welch ein Schlachtfeld, welche Flucht!
    Wo blieb der grosse Mond?
Wo rufen sie voll Siegessucht:
    Der Hunde nicht verschont!

Willkommen war die dunkle Nacht
    Dem Reuter und dem Roß,
Das langsam anfing seine Schlacht,
    Geschwinde sie beschloß;

Und allem Volke, das vom Neid
    Hinein gezwungen war,
Aus allen Landen weit und breit,
    Am zehnten Januar.

Dem Pfälzer, der vor Schmerz nicht lief,
    Starrhaltend seine Hand
Stillstand, und Himmel! Himmel! rief;
    Mein Finger ist verbrannt!

Dem Trierer, welcher guten Muth
    In langen Beinen fühlt,
Im Laufen stürzt, und Nasenblut
    Für Wundenströme hielt.

Dem Franken, der erbärmlich schrie,
    Wie eine Katz im Fang,
Gebehrden macht, als macht er sie
    Auf einer Folterbank.

Und als er hinter sich den Tod
    Von Bergen kommen sah,
Andächtig betete zu Gott,
    Und sprach: da kommt er ja!

Dem Bruchsaler, dem armen Tropf,
    Der Fluch und Seegen sprach,
Sich zu verstecken, seinen Kopf
    In Weiberhaube stach;

Und seinen grossen Knebelbart
    Abschnitt, und einen Pfahl,
Zu springen schnell nach Frosches Art,
    Von einem Weinberg stahl.

Dem Schweitzer, der auf seiner Flucht,
    Hoch lebe Friedrich! rief,
Unaufgeschwellt von Siegessucht,
    Gern laufen sah, und lief;

Und sagte: »Bruder! Friedrich ist
    Ein rechter Schweitzerheld,
Ein Tell; Gott hilft ihn wider List
    Und Macht der ganzen Welt!«

Dem Schwaben, der mit einem Sprung
    Mit berganstehndem Haar,
Von Roßbach bis nach Amelung,
    In seiner Heimat war.

Dem Paderborner, welcher Gott
    Hoch prieß und seinen Sporn,
Und doch von kaltem Schrecken todt,
    Ankam zu Paderborn.

Dem Nürenberger, dessen Witz
    Umrennte, wie sein Tand,
Gerührt vom ersten Waffenblitz,
    Starr ward, und stille stand.

Dem Münstermann, der kriechend schlich
    In dicker Finsterniß,
Voll Furcht und Hunger, ritterlich
    In Pumpernickel biß.

Dem Cöllner, welcher rothes Blut
    Verglich mit weissem Wein,
Und sprach: wie gut war es, wie gut,
    Bey meiner Braut am Rhein!

Dem Würtenberger, der sein Pferd
    Aus dem Geschwader riß,
Mehr flog, als ritt, Pistol und Schwerd
    Zum Teufel von sich schmiß.

Und dem bezahlten Maynzer auch,
    Der ohne Huth und Herz,
Saß hinter einem Dornenstrauch,
    Beweinend seinen Schmerz.

Flieh, riefen tausend, Brüder, flieh!
    Sie kommen! sie sind da!
Auf ihren Bäuchen lagen sie,
    Und baten Leben. Ha!

Wir gaben es. Der Menschenfreund,
    Der grosse Friederich,
Demüthigt seinen stolzen Feind,
    Und dann erbarmt er sich.

Er siegt! – – Fürtreflicher Gesang,
    Wir haben noch zu thun,
Halt ein, und werde künftig lang,
    Wenn wir von Arbeit ruhn.

Wenn Friedrich, oder Gott durch ihn,
    Das grosse Werk vollbracht,
Gebändigt hat das stolze Wien,
    Und Deutschland frey gemacht.

Wenn er im Schooß des Friedens ruht,
    Mit Lorbeern-vollem Haupt,
Nicht müssig, täglich Wunder thut,
    Und keine Wunder glaubt.

Nachtwachend seiner Völker Glück
    Und Wohlfarth überlegt,
Und Gnad und Huld im scharfen Blick
    Der grossen Augen trägt;

Zu Potsdam grosse Weisen liest,
    Nach Weisheit Thaten mißt,
Und mehr als alle, die er liest,
    Ein grosser Weiser ist:

Dann sing uns alle Thaten vor,
    Die wir mit ihm gethan,
Der Enkel hab ein lauschend Ohr,
    Und steh und gaff uns an.

Jetzt folgen wir dem Menschenfreund,
    Den Blick gekehrt nach Wien,
Zu schlagen einen andern Feind,
    Und lassen diesen ziehn.

 


 


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