Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Das Lied vom Tode

        »Der Tod ist schrecklich, fürchterlich!«
Nein, sag' ich, Kinder, nein,
Das ist er nicht! Man mache sich
Nur hübsch mit ihm gemein,

Und denke nur fein oft an ihn,
Halt' ihn für seinen Freund;
Dann wird die Furcht vor ihm entfliehn,
Wie ein geschlag'ner Feind!

Man weiß ja, daß man sterben muß,
Das Leben hat ein Ziel,
Und selbst des längsten Wohlgenuß
Ist warlich doch nicht viel!

Wir leben achtzig, neunzig Jahr;
Und wär's in Freud' und Glück,
So wär's, genossen, offenbar
Doch nur ein Augenblick!

Frag' nicht: wie lange? Frag: wie gut
Hat der und der gelebt?
Wie sehr hat er mit Heldenmuth
Dem Guten nachgestrebt?

Kam's an auf eine rasche That –
Ging er? Hat er gerennt?
War er der tapferste Soldat
In seinem Regiment?

Bewies er ohne Tück' und List
Bis an sein Ende sich?
Wer seine Pflicht erfüllt, dem ist
Der Tod nicht fürchterlich!

 


 


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