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An Frau von La Sablière
Gern hätt' ich dir ein Denkmal hingestellt
Im Liede, unvergänglich wie die Welt.
Schon hab' ich seine Dauer fest gegründet
Auf jene Kunst, die von den Göttern stammt,
Und auf die Gottheit, deren Priesteramt
In diesem Tempel Weihrauchopfer zündet.
Des Tores Inschrift sagte, dir zum Ruhm:
»Dies ist der Göttin
Iris Heiligtum«
Nicht jener, die zu
Junos Dienst erschienen;
Denn
Juno samt der Götter hohem Herrn
Huld'gen der meinen, und sie rühmten gern
Der Ehre sich, als Boten
ihr zu dienen.
Als Wölbung: der
Olymp in voller Pracht,
Iris umkleidend mit göttlicher Macht,
Sie setzend auf 'nen Thron von Lichtesstrahlen;
Und an den Wänden wäre angebracht
Ihr Lebenslauf – ein Stoff, gemacht zum Malen,
Ob arm auch an Begebenheiten und
Handlungen, dran die Staaten gehn zugrund.
Den Hintergrund dann sollt' ihr Bildnis schmücken:
Ihr holdes Lächeln, aller Augen Lust,
Die Anmut, siegreich stets, doch unbewußt,
Ihr Reiz, dem alles huldigt voll Entzücken.
Menschen, Hero'n, Halbgötter, ja sogar
Auch Götter ließ' ich sehn zu ihren Füßen;
Kurz, was die Welt verehrt, käm', sie zu grüßen
Und Weihrauch ihr zu streuen am Altar.
Der Seele Schätze ließ' ich leuchtend schauen
In ihrem Blick, zwar unvollkommner Art;
Denn dieses Herz, das stark und doch so zart
All' ihren Freunden stets sich offenbart,
Den Geist, vom Himmel stammend, der gepaart
Des Mannes Stärke mit der holden Frauen
Anmut, kann man nicht schildern wie man will.
O
Iris, die du siegreich aber still
Alles bezauberst, die mit gleicher Liebe
Man liebt wie nur sich selbst – nicht von dem Triebe
Der Leidenschaft red' ich; denn, wie bekannt,
Ist dieses Wort von deinem Hof verbannt –
Laß meine Muse, was mit flücht'gen Händen
Ich hier entwarf, ausführend einst vollenden!
Dir zu Gefallen hab' ich meinen Plan
Von einer Fabel hier dir kundgetan,
Die von der Freundschaft Wert solche Beweise
Uns hinstellt, daß sie, wenn ich nicht geirrt,
Ein wenig deinen Geist erheitern wird.
Zwar spielt sie nicht in hoher Fürsten Kreise;
Doch was du schätzest, ist – fest glaub' ich dran –
Ein König nicht, der nimmer lieben kann:
Es ist ein Mensch, bereit sich hinzugeben
Für seinen Freund – ach! ihre Zahl ist klein.
Vier Tiere, die in treuer Freundschaft leben,
Mögen den Menschen hier ein Beispiel sein.
Der Rabe, die Gazell', die Ratt' und die Schildkröte
Wohnten beisammen einst in treuer Brüderschaft.
Der Ort war unbekannt den Menschen; das erhöhte
Ihr Glück und macht' es dauerhaft.
Doch, ach! der Mensch weiß ins Verborgenste zu dringen:
Birg tief in Meeres feuchter Gruft,
In Wüsten dich, fleuch in die Luft,
Nimmer entgehst du doch seinen geheimen Schlingen.
Gazellchen ging harmlos lustwandeln. Jenes Tier,
Das leid'ge Werkzeug roher Gier,
Das stets dem Jäger seine Beute
Zutreibt, der Hund, hat bald im Gras sie aufgespürt.
Sie flieht. Als nun das Mahl die drei zusammenführt,
Fragte die Ratte: »Sagt, wie kommt es, daß wir heute
Nur unser drei bei Tische sind?
Hat die Gazell' uns schon vergessen so geschwind?«
Mit lautem Wehgeschrei erwidert
Die Schildkröt' auf der Ratte Wort:
»Wär', gleich dem Raben, ich gefiedert,
Im Augenblicke flög' ich fort,
Um nachzusehn,
wo, festgehalten
Durch tück'schen Zufalls feindlich Walten,
Unsre leichtfüß'ge Freundin weilt;
Denn was das Herz betrifft, urteilst du übereilt.«
Fort fliegt der Rab' in Windesschnelle;
Bald sieht von fern er die leichtsinnige Gazelle,
Gefangen durch der Schlinge Zug.
Zu den Genossen kehrt er heim in eil'gem Flug;
Denn sie zu fragen, wie, warum, mit welchem Fug
Sie käm' an diese Unglücksstelle,
Mit Reden zu vertun die Zeit – wie, dumm genug,
Wohl ein Schulmeister brav und bieder
Getan – dazu war er zu klug.
Der Rab' also fliegt hin und wieder.
Es halten klugen Rat die drei:
Der Rabe spricht: »Eilen wir zwei
Jetzt nach der Stätte zu gelangen,
Wo die Gazelle liegt gefangen!
Die dritte bleibt, daß sie der Wohnung Hüter sei;
Denn langsam wie sie geht, wann käm' sie wohl zur Stelle?
Wann längst verendet die Gazelle!«
Gesagt, getan: es macht das Paar sich auf in Eil',
Der teuren Freundin beizustehn,
Dem armen Reh der Bergeshöhen.
Schildkrötchen nähme gern dran teil;
Sie sucht den beiden nachzugehen,
Fluchend dem kurzen Fuß, der sie nicht vorwärts brächt',
Und daß sein Haus mit sich müßt' schleppen ihr Geschlecht.
Maschenfraß – also heißt die Ratte, und mit Recht –
Nagt schnell die Schling' entzwei; denkt nur, wie sie sich freute!
Der Jäger kommt und fragt: »Wer stahl mir meine Beute?«
Maschenfraß hat sofort sich in ein Loch gedrückt,
Der Rab' auf einen Baum, ins Holz flieht die Gazelle.
Da sieht der Jäger, halb verrückt,
Weil neue Beute nicht zur Stelle,
Die Schildkröt', und nun ward sein bittrer Grimm versüßt.
»Weshalb« spricht er »soll ich denn wüten?
Die soll zum Abendbrot den Schaden mir vergüten!«
Er steckt sie in den Sack. Für alle hätt' gebüßt
Sie, hätt's der Rabe nicht gemeldet der Gazelle.
Die naht aus dem Versteck in Schnelle,
Stellt hinkend sich und läuft dem Jäger in den Weg.
Der jagt sie und wirft alles weg,
Was er trägt.
Maschenfraß hat Zeit nun, mit Behagen
Des Sackes Maschen nacheinander zu zernagen,
Und hilft auch
der nun aus der Not
Auf die der Jäger sich gefreut zum Abendbrot.
Pilpay erzählt es so. Wollt' ich
Apollos Gnade
Anrufen, machte draus ich einen Heldensang,
Der, wenn es dir beliebt, so breit wär' und so lang
Wie
Odyssee und
Iliade.
Als ersten Helden stellt' ich
Maschenfraß hinaus,
Obgleich in Wahrheit wohl jeder gleich wichtig wäre.
So schöne Reden hielt
Infantin Buckelhaus,
Daß
Junker Rab' es sich zur Ehre
Anrechnete, Spion und Bote dann zu sein.
Gazellchen fädelte dann höchst geschickt es ein,
Daß unsrem
Maschenfraß der Jäger Zeit müßt' geben.
Kurz, jeder sollt', bald da, bald hier,
Handelnd auftreten wie im Leben.
Und wem gebührt der Preis? Dem
Herzen, ging's nach mir.
Freundschaft, wohin vermag sie nicht sich aufzuschwingen!
Das andere Gefühl, die Liebe – mindrer Ehr'
Scheint sie mir wert; dennoch ermüd' ich nimmermehr
Zu feiern sie und zu besingen.
Ach! meinem Herzen kann sie keinen Frieden bringen.
Du ziehst die Freundschaft vor; so sei's: von jetzt an stellt
Zu ihren Diensten sich mein Lied, wie's immer fällt.
Mein Meister war
Amor; mit einem andern wagen
Will ich's und durch die ganze Welt
Seinen Ruhm wie den deinen tragen.