InhaltInhalt
- Jean de la Fontaine
- Einleitung
- Erstes Buch
- 2. Der Rabe und der Fuchs
- 3. Der Frosch, der dem Stier an Größe gleichen wollte
- 4. Die beiden Esel
- 5. Der Wolf und der Hund
- Kapitel 8
- 7. Der Quersack
- 8. Die Schwalbe und die kleinen Vögel
- 9. Stadtratte und Landratte
- 10. Der Wolf und das Lamm
- 11. Der Mensch und sein Ebenbild
- 12. Der vielköpfige und der vielschwänzige Drache
- 13. Die Diebe und der Esel
- 14. Wie Simonides von den Göttern beschützt ward
- 15. Der Tod und der Unglückliche
- 16. Der Tod und der Holzschläger
- 17. Der Mann zwischen zwei Lebensaltern und zwei Lebensgefährtinnen
- 18. Der Fuchs und der Storch
- 19. Das Kind und der Schulmeister
- 20. Das Huhn und die Perle
- 21. Die Hornissen und die Bienen
- 22. Die Eiche und das Schilfrohr
- Zweites Buch
- 2. Der Rat der Ratten
- 3. Der Affe als Richter zwischen Wolf und Fuchs
- 4. Die beiden Stiere und der Frosch
- 5. Die Fledermaus und die zwei Wiesel
- 6. Der durch einen Pfeil verwundete Vogel
- 7. Die Hündin und ihre gute Freundin
- 8. Der Adler und der Käfer
- 9. Der Löwe und die Mücke
- 10. Der mit Schwämmen und der mit Salz beladene Esel
- 11. Der Löwe und die Ratte
- 12. Die Taube und die Ameise
- 13. Vom Sterngucker, der in einen Brunnen fiel
- 14. Der Hase und die Frösche
- 15. Der Hahn und der Fuchs
- 16. Vom Raben, der's dem Adler nachtun wollte
- 17. Vom Pfau, der sich bei Juno beklagte
- 18. Die in ein Weib verwandelte Katze
- 19. Löwe und Esel auf der Jagd
- 20. Äsop als Testament-Ausleger
- Drittes Buch
- 2. Die Glieder und der Magen
- 3. Der Wolf als Hirt
- 4. Die Frösche, die einen König haben wollen
- 5. Der Fuchs und der Ziegenbock
- 6. Der Adler, die wilde Sau und die Katze
- 7. Der Trunkenbold und sein Weib
- 8. Die Gicht und die Spinne
- 9. Der Wolf und der Storch
- 10. Der vom Menschen niedergeworfene Löwe
- 11. Der Fuchs und die Trauben
- 12. Der Schwan und der Koch
- 13. Die Wölfe und die Schafe
- 14. Der altgewordene Löwe
- 15. Philomele und Prokne
- 16. Die ertrunkene Frau
- 17. Das Wiesel im Kornspeicher
- 18. Der Kater und die alte Ratte
- Viertes Buch
- 2. Der Schäfer und das Meer
- 3. Die Fliege und die Ameise
- 4. Der Gärtner und sein gnädiger Herr
- 5. Der Esel und das Hündchen
- 6. Der Kampf der Ratten und der Wiesel
- 7. Der Affe und der Delphin
- 8. Der Mann und das hölzerne Götzenbild
- 9. Vom Häher, der sich mit Pfauenfedern geschmückt
- 10. Der Dromedar und das Floßholz
- 11. Der Frosch und die Ratte
- 12. Wie die Tiere dem Alexander Tribut schickten
- 13. Das Pferd, das sich an dem Hirsch rächen wollte
- 14. Der Fuchs und die Büste
- 15. Der Wolf, die Ziege und das Zicklein
- 16. Der Wolf, die Mutter und das Kind
- 17. Ein Wort des Sokrates
- 18. Der Greis und seine Kinder
- 19. Das Orakel und der Gottlose
- 20. Der Geizige, der seinen Schatz verlor
- 21. Das Auge des Herrn
- 22. Die Lerche mit ihren Jungen und der Gutsbesitzer
- Fünftes Buch
- 2. Der irdene und der eiserne Topf
- 3. Der kleine Fisch und der Fischer
- 4. Die Ohren des Hasen
- 5. Der Fuchs mit dem gestutzten Schwanz
- 6. Die Alte und die beiden Mägde
- 7. Der Satyr und der Wandrer
- 8. Das Pferd und der Wolf
- 9. Der Bauer und seine Kinder
- 10. Der kreißende Berg
- 11. Das Glück und das kleine Kind
- 12. Die Ärzte
- 13. Die Henne mit den goldnen Eiern
- 14. Der Esel mit den Reliquien
- 15. Der Hirsch und der Weinstock
- 16. Die Schlange und die Feile
- 17. Der Hase und das Rebhuhn
- 18. Der Adler und die Eule
- 19. Der zum Kriege rüstende Löwe
- 20. Der Bär und die zwei Burschen
- 21. Der Esel in der Löwenhaut
- Sechstes Buch
- 2. Der Löwe und der Jäger
- 3. Phöbus und Boreas
- 4. Jupiter und der Pächter
- 5. Der Hahn, die Katze und das Mäuschen
- 6. Der Fuchs, der Affe und die Tiere
- 7. Das Maultier, das sich seiner Abstammung rühmt
- 8. Der Greis und der Esel
- 9. Der Hirsch, der sich im Wasser spiegelt
- 10 Der Hase und die Schildkröte
- 11. Der Esel und seine Herren
- 12. Die Sonne und die Frösche
- 13. Der Landmann und die Schlange
- 14. Der kranke Löwe und der Fuchs
- 15. Der Vogelsteller, der Habicht und die Lerche
- 16. Das Pferd und der Esel
- Kapitel 122
- 18. Der Kärrner, der sich festgefahren
- 19. Der Marktschreier
- 20. Die Zwietracht
- 21. Die junge Witwe
- Siebentes Buch.
- 1. Die pestkranken Tiere
- 2. Der unglücklich Vermählte
- 3. Die Ratte, die sich von der Welt zurückgezogen
- 4. Der Reiher
- 5. Das Mädchen
- 6. Die Wünsche
- 7. Der Hof des Löwen
- 8. Der Geier und die Tauben
- 9. Die Landkutsche und die Fliege
- 10. Das Milchweib und der Milchtopf
- 11. Der Pfarrer und der Tote
- 12. Der Mensch, der dem Glück nachläuft, und der, welcher es in seinem Bett erwartet
- 13. Die beiden Hähne
- Kapitel 141
- 15. Die Wahrsagerinnen
- 16. Die Katze, das Wiesel und das Kaninchen
- 17. Schlangenkopf und Schlangenschwanz
- 18. Ein Tier im Monde
- Achtes Buch
- 2. Der Schuhflicker und der Reiche
- 3. Der Löwe, der Wolf und der Fuchs
- 4. Die Macht der Fabel
- 5. Der Mensch und der Floh
- 6. Die Weiber und das Geheimnis
- 7. Der Hund, der seines Herrn Mittagbrot am Halse trug
- 8. Der Spötter und die Fische
- 9. Die Ratte und die Auster
- 10. Der Bär und der Gartenfreund
- 11. Die zwei Freunde
- 12. Das Schwein, die Ziege und der Hammel
- 13. Tircis und Amarant
- 14. Das Leichenbegängnis der Löwin
- 15. Die Ratte und der Elefant
- 16. Das Horoskop
- 17. Der Esel und der Hund
- 18. Der Pascha und der Kaufmann
- 19. Der Vorzug der Wissenschaft
- 20. Jupiter und die Donnerwetter
- 21. Der Falk und der Kapaun
- 22. Die Katze und die Ratte
- 23. Der Bergstrom und der Fluß
- 24. Die Erziehung
- 25. Die beiden Hunde und der tote Esel
- 26. Demokrit und die Abderiten
- 27. Der Wolf und der Jäger
- Neuntes Buch
- 2. Die beiden Tauben
- 3. Der Affe und der Leopard
- 4. Die Eichel und der Kürbis
- 5. Der Schüler, der Schulfuchs und der Gartenbesitzer
- 6. Der Bildhauer und die Bildsäule des Jupiter
- 7. Die in ein Mädchen verwandelte Maus
- 8. Der Narr, der die Weisheit verkauft
- 9. Die Auster und die Streitsüchtigen
- 10. Der Wolf und der magere Hund
- 11. Nur nicht zu viel!
- 12. Die Wachskerze
- 13. Jupiter und der Reisende
- 14. Die Katze und der Fuchs
- 15. Der Ehemann, die Frau und der Dieb
- 16. Der Schatz und die beiden Männer
- 17. Der Affe und die Katze
- 18. Der Geier und die Nachtigall
- 19. Der Schäfer und seine Herde
- Zehntes Buch
- 2. Der Mensch und die Natter
- 3. Die Schildkröte und die beiden Enten
- 4. Die Fische und der Seerabe
- 5. Der Mann, der seinen Schatz vergräbt, und sein Gevatter
- 6. Der Wolf und die Hirten
- 7. Die Spinne und die Schwalbe
- 8. Das Rebhuhn und die Hähne
- 9. Der Hund mit den verschnittenen Ohren
- 10. Der Schäfer und der König
- 11. Die Fische und der flötende Schäfer
- 12. Die beiden Papageien, der König und sein Sohn
- 13. Die Löwin und die Bärin
- 14. Die beiden Glücksritter und der Talisman
- 15. Die Kaninchen
- 16. Der Kaufmann, der Edelmann, der Hirt und der Königssohn
- Elftes Buch
- 2. Die Götter, die einen Sohn Jupiters unterrichten wollten
- 3. Der Pächter, der Hund und der Fuchs
- 4. Des Moguls Traum
- 5. Der Löwe, der Affe und die beiden Esel
- 6. Der Wolf und der Fuchs
- 7. Der Mann vom Lande am Donaustrande
- 8. Der Greis und die drei Jünglinge
- 9. Die Mäuse und die Eule
- Nachwort
- Zwölftes Buch
- 2. Die Katze und die beiden Sperlinge
- 3. Der Schätzesammler und der Affe
- 4. Die beiden Ziegen
- An den Herrn Herzog von Burgund
- 5. Die alte Katze und die junge Maus
- 6. Der kranke Hirsch
- 7. Die Fledermaus, der Busch und die Ente
- 8. Der Streit der Hunde und Katzen, und der der Katzen und Mäuse
- 9. Der Wolf und der Fuchs
- 10. Der Krebs und sein Junges
- 11. Der Adler und die Elster
- 12. Der Weih', der König und der Jäger
- 13. Der Fuchs, die Fliegen und der Igel
- 14. Amor und die Torheit
- 15. Der Rabe, die Gazelle, die Schildkröte und die Ratte
- 16. Der Wald und der Holzhauer
- 17. Der Fuchs, der Wolf und das Pferd
- 18. Der Fuchs und die Truthähne
- 19. Der Affe
- 20. Der scythische Philosoph
- 21. Der Elefant und der Affe Jupiters
- 22. Ein Narr und ein Weiser
- 23. Der englische Fuchs
- 24. Die Sonne und die Frösche
- 25. Der Bund der Ratten
- 26. Daphnis und Alcimadura
- 27. Der Richter, der Krankenpfleger und der Einsiedler
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2. Der Mensch und die Natter
Ein Mensch bekam einst zu Gesichte
'ne Natter. »Wart!« rief er »Nichtswürd'ge! Ich verrichte
Sogleich ein nützlich Werk an dir!«
Augenblicks ward das arge Tier
(Ich spreche nämlich von der Schlange,
Und nicht vom Menschen; leicht könnt' man es mißverstehn)
Die Schlange ward gefaßt – es war gar bald geschehn –
In einen Sack gesteckt und dann – es währt' nicht lange –
Dem Tod geweiht, ganz gleich, ob schuldig oder nicht.
Indes da grundlos nie der Mensch ein Urteil spricht,
So richtet er an sie die Worte:
»Des Undanks Bild! Wer je Nichtswürd'gen wohl getan,
Der ist ein Tor. Drum stirb! Dein Grimm soll und dein Zahn
Mir nimmer Schaden tun!« Die Schlang' an ihrem Orte
Sagt ihm, so gut es geht: »Sollten verurteilt sein
In aller Welt die Undankbaren,
Wem, frag' ich, könnte man verzeihn?
Dich selber klagst du an, dein eigenes Gebaren
Und deine Lehren sind mir Zeugen; schau um dich!
Mein Leben steht bei dir, nimm es mir; nach Vergnügen,
Nach Laun' und Vorteil magst du über mich verfügen;
Nach diesem Recht verdamme mich!
Doch laß mich, eh' ich sterbe, wagen,
In allem Freimut dir zu sagen:
Des Undanks Bild ist nimmermehr
Die Schlang', es ist der Mensch.« Die Worte, sehr gewichtig
Gesprochen, machten ihn erst schweigen, doch nachher
Spricht er: »Was du da sagst, ist eitel falsch und nichtig.
Mein ist das Recht, und die Entscheidung steht mir frei;
Doch fragen andre wir!« Die Schlang': »Ich bin's zufrieden.«
'ne
Kuh war in der Näh'; man ruft, sie kommt herbei,
Man trägt den Fall ihr vor. »Die Sach' ist leicht entschieden«
Sagt sie »und dazu braucht ihr erst mein Urteil noch?
Die Natter hat ganz recht. Warum erst heucheln doch?
Den hier ernähr' ich; schon seit Jahren ist vergangen
Kein Tag, an dem von mir er Spenden nicht empfangen.
Alles ist sein: die Milch und die Nachkommenschaft
Von mir macht, daß sein Haus und seine Wirtschaft blühe;
Als er vor Alter schwach und krank, gab neue Kraft
Ich wieder ihm; all' meine Mühe
War dem geweiht, was not ihm tut und ihm gefällt.
Nun bin ich alt; im Stall ohn' alles Futter stellt
Er hin mich. Ließ' er mich nur noch zum Weidegange!
Doch bindet er mich an. Hätt' ich zum Herrn 'ne Schlange,
Könnt' wohl im Undank die, so frag' ich alle Welt,
Noch weiter gehn? Lebt wohl! Ich sprach so wie ich dachte.«
Der Mensch, den dieser Spruch doch sehr betroffen machte,
Sagt zu der Schlange: »Die faselt uns Unsinn vor!
Sie ist 'ne Schwätzerin, die den Verstand verlor.
Fragen den
Ochsen wir!« »»Gut!«« sagt der Wurm; sie zogen
Den Ochsen jetzt zu Rat. Langsamen Schritts kommt der,
Und da den Fall im Kopf er hin und her erwogen,
Meint er: »Der Jahre Joch trüg' er
Für uns allein, die Last der Arbeit, drückend schwer,
Durchlaufend all' den Kreis der Mühen und Beschwerden,
Durch welche uns
geschenkt der Ceres Gaben werden,
Den Tieren aber nur
verkauft um hohen Preis.
Und dann als einzigen Beweis
Des Danks für alles dies von allen, wie wir wären,
Viel Schläg' und wenig Heu! Und würd' er alt, dann höhnt
Der Mensch ihn gar und meint besonders ihn zu ehren,
Wenn er mit seinem Blut der Götter Zorn versöhnt.«
So sprach der Ochse. Drauf der Mensch: »Mag er doch schweigen,
Dieser Langweil'ge, der nichts kann
Als Worte machen, sich als großen Redner zeigen!
Anstatt zu richten klagt er
an!
Auch ihn weis' ich zurück.« Nun ward der
Baum von ihnen
Befragt; der war erst schlimm! »Als Schutz müss' er uns dienen;
Er sei's, der Sonne, Sturm und Regen uns abhält;
Für uns allein schmück' er den Garten und das Feld;
Nicht Schatten geb' er nur, fast breche seine Krone
Unter der Früchte Last. Für alles dies zum Lohne
Werd' er gefällt! Dies sei der Dank, der ihm beschert
Für das, was er im Jahr uns spend' an reicher Gabe:
Blüten im Lenz, im Herbst der Früchte süße Labe,
Im Sommer Schatten, Holz im Winter für den Herd.
Warum könnt' man ihn nicht ohne die Axt beschneiden?
Bei seiner Lebenskraft wär' lang' er noch gediehn!«
Der Mensch sieht mit Verdruß, daß alles gegen ihn;
Er will durchaus, für ihn soll sich der Streit entscheiden.
»Ich bin sehr gut« sagt er »zu hören auf dies Pack!«
Zugleich schlug an die Wand das Tier er und den Sack,
So daß die Schlange mußt' verrecken.
So ist es bei den Großen auch:
Gründe verletzen sie, da in dem Wahn sie stecken,
Mensch und Tier, alles sei für
sie nur zum Gebrauch,
Schlangen auch.
Den Mund auftun vor solchem Gauch,
Ist töricht. Doch was tun als Kluger sich zu zeigen?
Von weitem reden oder schweigen.
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