Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

9. Die Auster und die Streitsüchtigen

Zwei Pilger fanden einst 'ne Auster, die zum Strande
Die Flut geschwemmt; ihr Aug' verschlingt sie, und es weist
Ihr Finger drauf; allein, da sie noch lag im Sande,
Entbrennt ein Streit darob, wes Zunge sie verspeist.
Schon bückt der eine sich, die Beute einzustecken;
Der andre stößt ihn fort und sagt: »Erst muß es klar
Doch sein, wem von uns sie soll schmecken!
Der, welcher nachweist, daß er der Entdecker war,
Der schlucke sie, indes der andre mag zusehen.«
»»Nun, soll danach der Spruch geschehen««
Erwidert sein Genoß »»Gottlob, mein Aug' ist scharf.««
»Meins auch! Und, wie ich schwören darf,
Ich sah sie noch vor dir« hat jener drauf gesprochen.
»»Gut! Du hast sie gesehn, doch ich hab' sie gerochen.««
Indessen kommt Hans Tapps heran,
Dem nun den Richterspruch die beiden übertragen.
Die Auster öffnet er höchst ernst, und mit Behagen
Schlürft er sie. Jene schaun ihn an.
In feierlichem Ton verkündet er sodann:
»Jeder von euch erhält', wie das Gericht entschieden,
'ne Schale, kostenfrei; nun kehret heim in Frieden.«

Denkt, was an Kosten heut an die Gerichte fällt,
Und was den meisten bleibt, die 's zu Prozessen treiben!
Ihr werdet sehn: es zieht Hans Tapps das ganze Geld,
Und den Partei'n wird nur der leere Beutel bleiben.


 << zurück weiter >>