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Siebentes Buch.

An Frau von Montespan

Die Fabeldichtung ward vom Himmel uns verliehn;
Und wenn ein Sterblicher es wäre,
Der sie uns gab, fürwahr, wir alle müßten ihn
Göttlich verehren, ihm Altäre
Errichten überall im Land,
Dem großen Weisen, der die schöne Kunst erfand.
An ihren Reizen muß die Seel' andächtig hangen,
Noch mehr: sie nehmen sie gefangen,
Uns fesselnd, so daß allermeist
Wir ihr, wohin sie will, folgen mit Herz und Geist.
Du gleichst, Olympia, ihr. War an der Götter Tischen
Manchmal ein Platz vergönnt der Muse meiner Kunst:
Auf ihre Gaben wirf ein Auge du voll Gunst,
Auf jene Spiele heut, die meinen Geist erfrischen.
Die Allvernichterin Zeit – verehrend dein Gebot,
Entzieht sie dieses Werk ihrem Zerstörungsgrimme;
Der Dichter, welcher gern fortlebte nach dem Tod,
Werben muß er um deine Stimme.
Du bist's, die meinem Sang all' seinen Wert verleiht;
Was schön darin, wird nur geweiht,
Indem du es erkennst bis auf die feinsten Töne.
Ach! Wer kennt so wie du die Grazien und die Schöne?
Alles ist Reiz an dir: Blick, Wort; und festgebannt
Möcht' bei so holdem Gegenstand
Gern länger meine Muse weilen.
Doch andern aufbewahrt sei dieser Hochgewinn,
Und größrem Meister, als ich bin,
Wirst du des Lobes Preis erteilen.
Genug, Olympia, daß dein Name diesen Zeilen
Und meinem letzten Werk diene zu Schutz und Trutz.
Verleih' dem Lieblingsbuch in Zukunft deinen Schutz,
Laß mich die Hoffnung auf ein zweites Leben wagen.
Dies Werk – durch deine Gunst allein
Wird's, trotz dem Neid, in künft'gen Tagen
Des Lobes wert befunden sein.
Ich bin so großer Gunst nicht wert, drum mag in Sitten
Die Fabel selber sie erbitten;
Denn dieser Lüge Macht kennst du, ihr will ich trau'n.
Schafft meinen Versen sie das Glück, dir zu gefallen,
Glaubt' einen Tempel ich zu schulden ihr vor allen.
Doch nein; denn Tempel will allein ich dir erbau'n.


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