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27. Der Wolf und der Jäger

Habgier, du Ungetüm, des' Augen blöd' und blind
Gegen der gütigen Götter Wohltaten sind!
Soll denn vergebens dich mein Werk bekämpfen immer?
Wie lang' belehr' ich dich! Wann endlich folgst du mir?
Wird, meiner Stimme taub wie der des Weisen, nimmer
Der Mensch einsehn: »Jetzt ist's genug; genießen wir!«
Eil' dich, mein Freund, bald stehst du an der dunklen Pforte.
Nochmals – ein ganzes Buch liegt in dem einen Worte:
Genieße! »Ich will's tun.« Doch wann? »Von morgen schon.«
Vielleicht packt dich der Tod schon unterwegs, mein Sohn!
Genieß' schon heut und fürcht', daß dich ein Los erreiche,
Das dem des Jägers und des Wolfs der Fabel gleiche.

Der erstre, dessen Pfeil ein feistes Damwild schoß,
Erspäht ein Hirschkalb; gleich lag's da, Schicksalsgenoß
Des Toten – regungslos im Gras die beiden Leichen.
Ein Damhirsch und ein Kalb, 'ne Beute fein und nett,
An der genug wohl ein bescheidner Weidmann hätt'!
Doch lockt' ein Eber noch, ein Riese sondergleichen,
Den Schützen, dem solch Wild ein leckrer Bissen schien.
Auch er dem Styx geweiht! Doch schwer nur faßten ihn
Die Parz' und ihre Scher'; in wiederholtem Ringen
Konnt' ihn der Unterwelt Göttin zu Fall erst bringen,
Da der Gewalt des Streichs er endlich unterlag.
Des Guten war's genug. Wer sagt das? Nichts vermag
Die Gier zu stillen des', den blut'ger Raub erfreute.
Indes ein wenig noch das Schwein aufatmet, sieht
Der Schütz' ein Rebhuhn, das längs einer Furche flieht,
Ein lump'ger Zuwachs all' der Beute;
Doch spannt den Bogen er zu neuem Zeitvertreib.
Das Schwein schlitzt, alle Kraft aufraffend, mit den Hauern
Den Bauch ihm auf und stirbt gerächt auf seinem Leib;
Das Rebhuhn dankt ihm ohne Trauern.
Den Nimmersatten gilt der Fabel erster Teil;
Den Geiz'gen diene jetzt der andre zum Exempel.

Ein Wolf ging dort vorbei und schaut' all' dies Unheil:
»Fortuna« rief er »ich gelobe dir 'nen Tempel!
Vier Leichen! Welch ein Schatz! Indessen muß man klug
Und sparsam sein; so was trifft man nicht alle Tage!«
Das ist der Geiz'gen stete Klage.
»Ich habe« sagt der Wolf, »'nen Monat dran genug:
Eins, zwei, drei, vier; genau berechnet und gesprochen,
Ist's Vorrat auf vier volle Wochen.
Von übermorgen fang' ich an; heut' freß ich klug
Des Bogens Sehne – wie ich vom Geruch urteile,
Ist sie von echtem Darm.« Er stürzt bei diesem Wort
Gier auf den Bogen sich in Eile.
Dieser geht los; es fällt aufs neue von dem Pfeile
Ein Opfer: er durchbohrt dem Wolf das Herz sofort.

Ich komme wieder drauf zurück: man soll genießen!
Die zwei, so hart gestraft, gelten als Zeugen mir:
Der eine hatte seine Gier,
Den Geiz der andere zu büßen.


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