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2. Die beiden Tauben

Zwei Tauben liebten sich gar innig;
Der einen ward's zu eng im Haus,
Drum wollt' höchst töricht und unsinnig
Sie reisen weit ins Land hinaus.
Die andre spricht: »Kannst du's denn fassen?
Willst einsam hier zurück mich lassen?
Ach, Scheiden ist das herbste Leid –
Für dich, Grausame, nicht! Vielleicht daß mit der Zeit
Der Reise Müh'n und Fährlichkeiten
Ein Hemmnis deinem Mut bereiten.
Ja, wären mindestens noch günstiger die Zeiten!
Wart' mildre Lüfte ab! Wer treibt dich? Eben heut
Hat Meister Rabe noch groß Unheil prophezeit.
Ich weiß, daß Trübsal nur im Traum ich künftig schaue,
Raubvögel, Schlingen. Hu! Wie's stürmt und gießt mit Wut!
Hat wohl mein Freund, was not ihm tut,
Nest, Speis und was ihn sonst erbaue?«
Wohl rührt der Rede tiefer Schmerz
Des reiselust'gen Toren Herz;
Doch trugen Neugier und unsteten Triebs Befehle
Zuletzt den Sieg davon. Er sagt: »O weine nicht;
Drei Tage höchstens, dann hat Ruh' die liebe Seele.
Bald kehr' ich wieder, in ausführlichem Bericht
Will ich von allem Rede stehen;
So kürz' ich dir die Zeit. Wer gar nichts hat gesehen,
Hat nichts zu sagen auch. Die Schild'rung macht dir Spaß
Und ein Vergnügen, auserlesen:
Dort war ich – sag' ich dir – hier sah ich dies und das;
Du meinst, du wärst dabei gewesen.«
Drauf schieden weinend sie. Die Reisende zieht fort;
Doch schon nach kurzer Zeit deckt eine Wolkenhaube
Das öde Feld; sie sucht nach einem Zufluchtsort.
Ein einz'ger Baum war da, und trotz dem dichten Laube
Peitscht ganz erbarmungslos der Sturm die arme Taube.
Als wieder klar die Luft, fliegt frosterstarrt sie auf,
Trocknet, so gut es geht, ihr ganz durchnäßt Gefieder,
Sieht auf entlegnem Feld Korn, ausgestreut zu Hauf,
Ein Täubchen dicht dabei; das regt die Lust ihr wieder:
Hin fliegt sie und – sitzt fest; das Korn verdeckte nur
Der Schlinge trügerische Schnur.
Das Garn war abgenutzt, so daß nach vielem Drängen
Mit Flügel, Schnabel, Fuß sie's endlich reißt entzwei.
Sie ließ manch Federlein; das schlimmste doch dabei
War, daß ein Geier jetzt mit beutegier'gen Fängen
Die Ärmste sah – sie schaut, wie ihr am Leibe hängen
Des Garnes Fäden und die Maschen wirr und kraus,
Wie ein entsprungner Sträfling aus.
Fast hat der Geier sie gepackt, da schießt hernieder
Ein Adler aus der Höh' mit rauschendem Gefieder.
Die Taube nutzt geschickt der beiden Räuber Streit,
Fliegt auf und fort und setzt sich hinter ein Gemäuer;
Nun glaubt sie, sei zu End' ihr Leid
Mit diesem letzten Abenteuer.
Jugend hat Tugend nicht: ein Schelm von Knaben kam,
Der unser Tier aufs Korn mit seiner Schleuder nahm
Und ihr beinah den Tod gegeben.
Jetzt kehrt, ob ihrer Neubegier voll Scham,
Am Flügel und am Fuße lahm,
Hinkend und kaum noch halb am Leben,
Sie grades Wegs nach Haus zurück;
Sie kam ohn' andres Mißgeschick
Mit blauem Aug' davon noch eben.
Das neu vereinte Paar – man denk', mit welchem Preis
Von Wonnen es getilgt all den erlittnen Schaden!

Ihr, die ihr glücklich liebt, wollt reisen ihr? Dann sei's
Zu nahgelegenen Gestaden.
Seid eine Welt für euch, die ewig schön und neu,
In stetem Wechsel fest und treu;
Denkt nur an euch, und laßt das andre unerwogen.
Manchmal hab' ich geliebt; doch hätt' auf keinen Fall
Gegen des Louvre Schätze all',
Gegen das Firmament und seinen Himmelsbogen
Den Wald, die Stätten ich getauscht,
Wo mir das Auge strahlt' und ich dem Schritt gelauscht
Der Schäferin mit holden Mienen,
Der unter Amors Fahnen dienen
Ich durfte, treu der Pflicht und meinem ersten Eid.
Ach, kehrt sie nimmer mir zurück, die schöne Zeit?
Muß so viel holder Reiz und so viel Lieblichkeit
Meinem unsteten Geist bereiten stete Plage?
Ach, wagte doch mein Herz noch einmal aufzuloh'n!
Soll nie ein Zauber mehr mich fesseln? Sind die Tage
Der Lieb' auf ewig mir entflohn?


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