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12. Der Mensch, der dem Glück nachläuft, und der, welcher es in seinem Bett erwartet

Wer möchte nicht dem Glück nachlaufen?
Wüßt' ich nur einen Ort, wo in bequemer Rast
Ich schauen könnt' den närr'schen Haufen
All' derer, die in eitler Hast
Dem Kind des Schicksals stets nachjagen ohn' Ermatten,
Ein treu Gefolg' im Dienst von einem flücht'gen Schatten!
Und haben sie's beinah erfaßt,
Gleich flieht es treulos fort, kein Wunsch ist Wahrheit worden.
Die Ärmsten dauern mich; wenn man die Toren schaut,
Wird Mitleid mehr als Ärger laut.
»Der Mensch dort« sagen sie »hat stets nur Kohl gebaut,
Und seht, nun ist er Papst geworden!
Sind wen'ger wir als er?« Ihr seid hundertmal mehr;
Allein was hilft Verdienst im Leben?
War blind das Glück nicht von jeher?
Und ist die Tiara wert das, was man aufgegeben,
Die Ruhe, diesen Schatz, der Sterblichen Begehr,
Den als der Götter Erb' einst pries der Dichter Heer?
Da wo Fortuna weilt, entweicht die Ruh' fast immer.
Drum suche diese Göttin nimmer;
Sie sucht dich selber schon – so will es ihr Geschlecht.

Zwei Freund' in einer Stadt besaßen, schlecht und recht,
Ein klein Vermögen. Nun, der eine seufzte immer
Nach Glück. »Wenn wir« sprach er zum andern einst
»Auswanderten? Sag', was du meinst!
Du weißt, es gilt im Vaterlande
Nichts der Prophet; vielleicht blüht anderswo uns Glück.«
»»Such' du!«« spricht jener »»Ich, begnügt mit meinem Stande,
Mit Land und Leuten, bleib' zurück.
Folg' deinem Trieb; ich weiß, du bist gar bald zu Rande
Und kehrst dann heim; doch ich gelobe dir vorerst,
Zu schlafen, bis du wiederkehrst.««
Von Ehrgeiz oder, wenn man will, vom Geize
Getrieben, tritt die Reis' er an
Und kommt am nächsten Tage dann
An einen Ort, der für die laun'sche Göttin Reize
Mehr als ein andrer hat: der Hof ist dieser Ort.
Dort bleibt er ein'ge Zeit: er stellt sich fort und fort
Abends und morgens ein, voll von des Glückes Träumen,
Nicht eine Stunde zu versäumen;
Kurz, immer ist er da, und doch kommt er zu nichts.
»Suchen wir anderswo!« spricht er »Woran gebricht's?
Fortuna, weiß ich wohl, wohnt doch in diesen Räumen,
Täglich kehrt sie, ich seh's, bei dem und jenem ein;
Wie kommt es, daß bei mir allein
Das launenhafte Weib sich weigert einzukehren?
Wohl hat man mir gesagt, es wär' an diesem Ort
Nicht angebracht, zu viel der Ehren zu begehren?
Lebt wohl, ihr Herrn vom Hof, lebt wohl, ich gehe fort.
Jagt einem Trugbild nach in buntem Flitterstaate!
Fortuna, sagt man mir, hat Tempel in Surate;
Gehn wir dorthin!« Gesagt, getan: er schifft sich ein.
Seelen von Erz! Der trug 'nen Panzer von Demanten
Gewiß, der diesen Pfad einschlug und unbekannten
Abgründen trotzte, er zuerst und ganz allein!
Zur Heimat wandte oft die Blicke
Jetzt unser Freund, der die Geschicke
Der Reis' und die Gefahren wohl begriff:
Seeräuber, Sturm, Windstill' und tück'sches Felsenriff –
Diener des Todes, den oft weit vom Vaterlande
Mit großer Plag' und Qual man sucht an fernem Strande,
Indes man bald genug daheim ihn finden kann.
Nach Indien kommt er; dort sagt man ihm, in Japan
Weile Fortuna just mit ihrem Gnadensegen.
Nun tragen dorthin ihn die trägen
Fluten, und alles was er fand
Als Frucht von seinen langen Reisen,
Die Lehre war's, die uns die Wilden schon beweisen:
»Lerne von der Natur und bleib' im Vaterland.«
Auch in Japan fand er kein besseres Gelingen,
Als ihm in Indien geschehn;
Dies mußt' ihn zur Erkenntnis bringen,
Wie unrecht er getan, von Hause fortzugehn.
Des Wanderns fruchtloser Beschwerde
Entsagend, kehrt er heim, und, nah dem trauten Herde,
Weint er vor Freud' und spricht: »Heil, wer daheim nur lebt,
Der Wünsche Leidenschaft zu bändigen bestrebt!
Er weiß ja nur vom Hörensagen,
Was Hof, was Meer ist, und wie schwer dein Joch zu tragen,
Fortuna! Unsrem Blick lässest vorübergehn
Du Würden, Geld und Gut, denen mit Hast und Bangen
Man nachjagt, ohne das Verheißne zu erlangen.
Ich bleib', und hundertmal besser werd' ich mich stehn.«
Und noch indem er diese Worte
Sprach und so klugen Rat gegen Fortuna pflag,
Fand er sie sitzend an der Pforte
Des Freundes, der ganz fest in tiefem Schlummer lag.


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