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Auf dem Wege nach Los Angeles

Die Nacht und noch den nächsten Vormittag hab' ich im Pullmanwagen zugebracht. Die Landschaft wurde an Plantagen leer.
Das Meer im Mondschein ging am Schienenwege nebenher. Am nächsten Morgen lag viel Dünenwildnis kreuz und quer; Kakteen hoch mit gelben Blütenkerzen vor gelben, sandigen Bergen standen.
Doch dicht vor meinen geistigen Augen fanden sich immer noch Franziskos graue Trümmerfelder und auch die abgezählten Bäume quadratischer Orangenwälder.
Erst als ich eine lange Weile im Pullmancar den kalifornischen schönen Damen, den weißgekleideten, und ihren kleinen flinken Töchtern und ihren kleinen wachen Söhnen zugesehn,
Dann, fand ich, konnte erst der Morgen lachen bis an den Meeresrand. Der Frauen und der Kinder Lust war hier so heilend wie in jedem Land.
Ich hatte, schien es mir, seit ewigen Jahren auf Erden nirgends Völker mehr gesehn mit zarter, rosiger Haut und weizenblonden Haaren.
Jetzt kam der Morgen amarantrot her und fiel auf grüne Kissen, in den Salon der Pullmanwagen, wo schöne, heimatfarbene Frauen mit ihren schönen blonden Kindern spielend lagen.
Mein Zug fuhr immer südlich nach Los Angeles, zur Stadt, genannt die »Königin der Engelscharen«, und sehr zufrieden war mein Sinn, als ob die Engel alle um mich waren.
Die Landschaft kreiselt draußen, wie aufgedreht auf Walzen. Des nahen Meeres sonnige Wellen falzen den platten Dünensand. Und manche Welle stieg empor
Und horchte für Sekunden, gleichwie ein schillernd Muschelohr. Das Meer voll blauer Himmelsflammen stand. Es zeigte mit den Lichtern, mit tausend Fingern seiner Riesenhand
Auf all die schön blauäugigen Damen, die es durch alle Fensterrahmen halb schlafend in der frühen Morgenstunde fand.
Wir grüßten uns, das Meer und ich. Es bauscht sich, deutet in die Runde und sagte falsch, mit einer Doppelzunge in dem fischigen Munde:
»Läutet dir nicht dein Herz entzückt zu dieser Stunde, dein Herz, das stets im fernen Asien klagte, daß es nie blondes Haar, nur schwarzes sah?
Rückt dir nicht diese Frauenschar im Pullmancar in Kleidung, Haltung, Geste, Haar ein wenig deine Liebste aus Europa nah'?
Dir ist wie einem Greis, dem von dem Haupt die Sorgenhaare fallen, alle grauen, und er darf wieder neuer Jugend trauen.
Gleichwie durch viele Alter alt geworden, so hast du müde dich gereist, müde vom Schauen fremder Trachten, müde von fremden Sitten und müde vom Betrachten fremder Frauen.
Und du vergaßest bald, daß dieses Erdenleben auf Liebe zum geliebten Leib hinweist, und daß die Welt nicht nur zum geistigen Anschmachten vor deinen Augen gleißt.
Jetzt weißt du erst, du warst sechs Meere weit, seit deine Augen heut im Morgen dir aufgehen und wieder auf die abendländischen blonden Frauen sehen!«
So sprach verlockend draußen der Riese Morgenmeer und warf den Sonnenball in seiner Riesenhand umher. Und kalifornische Sonne loht und flackt.
Mir war, als zeigt sie mir die Frauenkörper verführerisch und nackt und deutet mit den Fingern dreist auf alle Damen, die in dem Zug mit mir gereist. –
Als aber wiederum dann in Los Angeles, am Nachmittag, in hellen Scharen, die Sonne hier auf allen Straßen die vielen Damen, weißgekleidet, die Wege hat beleuchten lassen,
Fand ich fast lästig diesen lauten Frauentroß, der, während sich der Mann in Arbeit arbeitsam in das Kontor einschloß, groß zeittotschlagend auf die Straßen lärmend Lärm ausgoß.
Ich fand den Straßenlärm der ersten abendländischen, lebendigen Stadt, die ich jetzt wiedersah, herzlos. Bei himmelhohen Warenhallen mit ihren Eisenpfeilern, Spiegelgläsern, welche gigantischen Würfeln glichen aus Kristallen,
Unter dem Rennen, Tuten, Rasseln, Schallen, vor diesem ewigen Sichsputen erschien ich mir als winzig graue Maus unter den stolzen weißen Reihen Frauen allen,
Wie unter tausend weiße Katzen hingefallen, und fühlte mich nach tief asiatischer Stille noch lange nicht im Abendland zu Haus.

 


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