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Totenverbrennung am Ganges

Dicht Gasse eng gedrängt bei Gasse mit breiter Treppe in den Ganges hängt.
Ein Platz ist an dem Ufer da, und Wolken rauchen groß, wenn dort der Morgenwind die Dämpfe auf die Seite schwenkt,
Wird glühend mancher rote Holzstoß bloß.
Dampfschwaden von verbrannten Leichen aufwirbelnd übern Fluß hinstreichen,
Dicht liegen mit dem Fuß am Gangeswasser auch Sterbende und schweigen.
Die Halberstarrten warten auf den Tod und sehn die Sonne nur noch einmal steigen.
Vorbei mit weiß- und rotgehüllten Toten auf den Bahren die Trägerscharen eilen.
Die Leichen in dem weißen Leinen Frauen, die in dem roten Leinen Männer waren.
Die Flammen fahren aus den Scheiterhaufen und fassen blindlings zu,
Rauchwolken tauchen grau die Gassen in blinden, blassen Nebel,
Die Nebel übers Wasser gehen, wie Geisterscharen auf lautlosem Schuh,
Und wandern mit dem Strom hinaus. Der zieht sie wie die Seelen fort von Stadt und Haus.
Nach kleiner Stunde Brand kennst du die Knochen von den Kohlen kaum,
Sie sind wie das verkohlte Holz von einem Baum.
Und Wassereimer überschwemmen den Feuerrest in den geschwärzten Stämmen.
Die Asche fließt in grauen Gassen ab zum Ganges, der das Leben ist und auch das Grab.
Mit flachen Körben stehen hier im Wasser viel arme Kulis auf den Zehen.
Den Aschenabguß waschen sie im Fluß
Und retten von den Toten die Rubinen und die geschmolzenen Silberketten.
Hoch oben, an dem Rand von einem großen Würfelstein, da sah manch Trauernder herunter von der Wand zum Totenbrand.
Beschienen von dem Flammenschein, sah er ins Feuer still hinein, wo, weißverkohlt, Gebein und Holz verschwand.
Und fiel der Kohlenstoß dann krachend ein, so blieben tränenlos die Augen beide,
Als ob der Trauernde den Toten bloß um seine Seelenruh' beneide,
Und daß er, frei von allem Leide, als Asche in den heiligen Ganges und ins Nirwana floß. –
Um einen Holzstoß sah ich einen Mann dreimal im Kreise gehen.
Bald sollten zur Verbrennung seines toten Weibes die roten Flammen aus dem Holzstoß wehen.
Er zündete mit eigner Hand das Stroh am Scheiterhaufen an.
Ein Funkenkranz, verheerend, schoß um die weißverhüllte Tote, Leinwand und Stroh zuerst verzehrend.
Und als der Brand dann überm Leichnam senkrecht lohte, hat sich der Mann stumm, ohne Tränen, abgewandt.
Er kehrte heim, und keiner redet ihn, als unrein, dann zehn Tage an.
Ich stieg bei der Verbrennungsgasse aus einem Boot durch viele Asche am Uferhang hinan
Und nahm ein Tuch aus meiner Tasche vor meinen Mund;
Anwidernd war der Leichenfettgeruch, der in dem Morgenwinde stund.
Viel Volk saß plaudernd hier an allen Ecken. Die nackten Pilger sich auf Steinen strecken.
Sie lassen sich von den Masseuren die müden Glieder recken
Und salben sich die Schwären und halten ihre Köpfe hin zum Scheren.
Auch mit den Pilgern lungern wilde Hunde in Asche und im Staube faul
Und bellen nach dem Fettgeruch der Leichen mit wässerigem Maul.
Wahnsinnige Figuren der Asketen stellen sich auf und bellen mit jedem Hund im Bund.
Die Füße treten auf Ruinen, denn große Schlösser sanken beim Monsun am Strand
Vor hundert Jahren hier vom Ufer hinunter in den Gangessand.
Doch unbekümmert weiter zieht das Leben auf den Resten,
Und Wege führen hin auf schiefen Fronten von den versunkenen Palästen.
Quer über leere Fenster, Säulen, Tore die Leichenträger ihre Bahren tragen
Und singen eilig ihre Klagen im Weitergehen über Zinnen, die schief noch aus dem Gangessande ragen.
Schriftsäulen, Bronzeelefanten, vielarmige Silbergötter stehen an des Weges Kanten,
Viel Lingams und Erinnerungssteine sind zu sehen.
Der eine sagt: hier sprangen ohne Todesgrauen, beim Leichenbrand von einem Fürsten,
Zum toten Mann ins Flammenbett die siebzehn Frauen.
Und alle siebzehn starben frei aus Lust und ohne einen einzigen Schrei.
Ich ging nicht ohne Staunen an diesem Stein vorbei.
Wie ist die indische Liebe, so dacht' ich, selbstbewußt!
Die siebzehn folgten dem Geliebten und fanden keine Zeit zu einem Schmerzensschrei
Vor großer Todesseligkeit.

 


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