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Abendfeuer

Am Abend, wenn die Sonnenstreifen im Staub gleichwie ein goldnes Tuch am Weg hinschleifen,
Kam aus den indischen Hütten und den Höfen Geruch der Reisigfeuer.
Und Rauch lag wie ein bläulich Tuch über den flachen Dächern und Gemäuer,
Und ungeheuer schlich sich dann die Lust nach Menschenwärme von jedem Holzbrand an den Weg heran.
Fern vor der Stadt an einem Feldrand stand der europäischen Reisenden Hotel,
Und sehr erleichtert sogen die meisten die Hotelluft ein,
Wenn ihre Wagen nach der Fahrt am Abend in den Palmenhof bei dem Hotel einbogen.
In Lack und Smoking umgezogen, ging schnell man zum Diner,
Und alle saßen sehr beruhigt auf ihren Stühlen im kühlen Speisesaal.
Bei Lampen, Spiegeln, Billard, Blumen, Vasen
Mochte dann selten einer sich länger mehr in Indien fühlen.
Zeitung und auch Zigarren und Klavier und europäische Sprache
Verwandelten gleich zu Europa hier ganz Indien unter einem Dache,
Und eine Reise um die Erde ward schier zu einer ganz gemeinen Alltagssache.
Fast jede größere indische Stadt samt Zeitung und samt der Eisenbahn auch Zeitgeist hat.
Die Europäer treffen sich in Reisegruppen, und unterm Abendfrack, bei Lagerbier und Tabak, Landsleute sich entpuppen.
Doch manchmal keiner sich am andern freute, denn meistens ist ein jeder ein halber Mensch beim Erdumwandern
Und dient mit einer Hälfte stets dem Reisen und mit dem Reste nur dem andern.
Man fühlt sich stündlich als des Zufalls Beute und legt zur Wehr ums Herz sich sieben harte Häute.
»Stets vorwärts« ist die Losung einer Erdenreise, und jeder fühlt sich wie ein Eisenwagen auf eisernem Geleise.
Die Kartentische stehen nach dem Diner in allen Sälen aufgeschlagen,
Und mit dem Fragen nach dem Zufall im Kartenglück vergehen den meisten hier die Abendstunden in allen Reisetagen.
Mit Grauen schauen meine Augen auf jene Abendöde in den Hotels zurück.
Ich steckte meine Hände in die Taschen, sie, die so gern nach ewiger Sehnsucht haschen.
Und trat gelassen zu dem Mondschein hin am Feldrand auf staubtiefen Gassen,
Auf blauen Straßen unter weißen Mondscheinbäumen, in deren Zweigen fremde Sterne träumen.
Manch kleiner Feuerstoß schoß groß am Wege hoch und übersprang ein indisch Hofgemäuer,
Und Rauch fegt aufgeregt und schroff aufs Dach, befreit von jedem irdischen Stoff.
Lautlos und ohne Lied die Indier bei den Flammen saßen und waren lange wach und dachten nach, still, ohne Wort.
Das Feuer tanzte fort im goldnen Kleid wie überwundenes Leid –
Und Feuer weckt des Feuers Neid.

 


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