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Oben beim Kiomizu-Tempel in Kioto

Über das Flußbett mit seinen trockenen Strecken, die voll mattgrauer Kieselsteine stecken, geht eine breite Brücke, geschwungen im Bügel,
Zu einem Stadtteil, der liegt gedrungen am Fuß sanftsteigender Hügel. Oben im Grün hält auf Holzgerüsten ein roter Tempelbau
Über das Flußtal, über die Kiotodächer und über die ausgebreiteten Fächer der fernen Berge lächelnde Umschau,
Dort oben stehst du unter den Tempeldächern, nicht, um in den Gemächern vor den Göttern zu knien, du gehst dort auf die Terrassen zum Anbeten der Fernsicht hin.
Voll Steinlaternen stehen die Talmulden droben, Hallen sind mit Buddhafiguren, mit Lackschreinen voll und von roten Torbalken hochgehoben;
Treppen grün bemoost unter mächtigen, heiligen Schwarzkiefern, die über den hügeligen Boden fortflüstern
Und sich mit düstern Ästen wie fliegend in den Himmel schoben. Dort im Steinlaternengewimmel, bergauf und bergab,
Ist die Luft uralt voll Legenden und Sagen, und dein Blick fällt an Frühlingstagen von den roten Tempeln hinab ins Kiototal, wie von einem roten Thron in den Thronsaal.
Da kommt drunten der silbergeschüttelte Fluß gegangen als Riesengott, da stehen Götterberge mit ihrem grauen Kieselsteinfuß,
Und von Sonnenschatten blau behangen, als sprangen sie tief aus dem Land an den Fluß, um ihren Scheitel zu spiegeln, mit Wohlgefallen und Genuß.
Da liegen drunten am Fluß, gleich tausend kleinen Herdtiegeln, die Kiotohäuser mit ihren Dachdeckeln aus grauen Ziegeln.
Und alles dieses, das Große und das Kleine, schwarze Tempelhaine und die roten Tempel, umhergestreut,
Alles dies steht im gelben Sonnenscheine vor deinen Augen und Sinnen, erfreut wie ein Geschenk die Ärmsten, welche Andacht hier oben auf den Hügeln gewinnen,
Und welche kommen, um ein großes Gefühl zu minnen, hoch über dem Stadtgewühl und dem Stadtdunst die Weltkugel anbeten mit Inbrunst.
Aber nur du, Verliebter, du erkennst des Lebens einzigste Gunst, dir ist nicht genügt mit dem schönsten Blick auf Silberflüsse und Berge,
Die Landschaft wird dir leer und wird nur öder Dunst sein, wenn um den Tempelhain die weite Luft nicht deine Grüße fortruft, der Liebsten nach, in die Berge hinein.
Denn hier diese urältesten Bäume haben vor tausend Jahren für dich nur Wurzel geschlagen, daß sie dir heute ihr Grün, die Farbe beruhigender Hoffnung, kühn entgegentragen.
Und die Tempelbalken in roter Lackfarbe wie in ewigem Sonnenuntergang glühen, um rot wie dein Blut in die Ferne zu sprühen.
Die roten Tempel leuchten ungeheuer, als fängt das Tempelholz von deiner Nähe Feuer, wenn zu ihm dein Herz um die Erde kommt und ist auf seine Liebe und Sehnsucht stolz.
Denn die geflügelte Erde will nur für Tiefliebende singen, wird niemals den Liebestauben erklingen,
Wird nur von Liebenden mit goldnem Recht erwogen,
Von denen, die mit geflügeltem Herzen inbrünstig ihres Weges zogen.

 


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