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Das Flötenlied im Dom

Ich lehnte vertraut im gelben Scheine der Blendlaterne an dem Marmorgitter,
Das seine Steine blumig um die Schreine der beiden Liebenden baut,
Als wär' ich bei Freunden zu Gast, als ob der gewaltige Dom alle Liebe, die vielgestaltige, faßt.
Und wie ich noch hochgeschaut, wurde oben ein Stimmendonner laut.
Ein Gewühl von Getöne, ein Gesing', ein Geroll ging und erscholl,
Als öffne sich weit der Dom und rief die Menschheit.
Und dort oben herein zogen in Scharen die Verliebten in Paaren
Und gingen umschlungen, von ihrer Lust durchdrungen,
Als dröhne der Ewigkeit Welle durch des Domes Zelle,
Als wär' er breit im Donner der Seligkeit aufgesprungen.
Dann, als der Marmor ausgeklungen und die Wände sich schließen,
Da hat auf den Fliesen vor mir ein Indier gehockt,
Der hatte mit der Flöte die Geister in die Kuppel gelockt.
Und bescheiden, nicht wie ein Meister der Lieder, saß er auf den Bodenplatten
Und belauschte, verborgen im Schatten der Blendlaterne,
Die Unendlichkeit, die im Kuppelbau immerfort rauschte.
Der Indier hatte mit seiner kleinen Flöte Macht
Den Himmel zum Singen gebracht.
Und erfüllt vom Singen, in Halbdunkel gehüllt, hingen die Mauern im Schweigen
Und waren nicht Steine, sondern wie die Brüste der Geigen,
Waren gleich Blättern in rauschenden Zweigen, die sich im Mond durchleuchtet zeigen.
Und die marmorgeäderten Wände wurden wie Hände unsichtbarer Gestalten, die den Kuppelsaal wie einen Pokal hochhalten.
Und jeder, der zum Saale kam, tat einen Trunk aus der Schale,
Daß er der Liebe Begeisterung mit sich nahm.

 


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