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Mondscheinfahrt um den Kandysee

Ich fuhr eines Nacht in einem Rikscha rund um den See. Irgendwo hing der Mond wie ein Silberpfund, war noch nicht über den Bergen aufgegangen,
Aber die höchsten Palmen standen schon wie versilberte Spangen; wie in der Werkstatt bei den Juwelieren, tat blaues Email den ovalen See wie ein Medaillon verzieren.
Und hinterm Geäste regte der Mond seine Silberfeile, und das Mondlicht zerlegte die Bäume mit Geschick in ein vielgezacktes Mosaik.
Wie beim Silberschmied war man unter den Palmen zu Haus; wie Silberbarren und Silbergefäße sahen die Schäfte und Blattscharen am Wege aus,
Als waren da Alleen hingestellt von riesigen Silberpokalen. Und in langen Zügen standen die Kurven ungeheuerer Kakteen,
Gleich getriebenen Silberurnen und Silberkrügen. Endlich kam der Mond groß über den Berg, um im See die Nacht durch fruchtlos zu pflügen.
Ich fuhr unter der nackten Silberfracht in Mondandacht hin durch die mit Wohlgerüchen und mit Zinn- und Silberbildern bepackte Nacht.
Über mir stand das gezackte Astwerk, und aus dem schwülen Erdboden stiegen Glühfliegen und fühlen kreuz und quer
Und lassen groß, gleich lebenden Goldstücken, die Baumwipfel los und fallen über dich her und rücken wie Lichterblumen zu dir,
Und du brauchst dich nicht zu bücken, um die fliegenden Leuchtblumen zu pflücken. Und manche schweben wie Früchte schwer
Und kommen wie tanzende Haufen glühender Mücken von einem Bergabhange, als ging dort eine Juwelenspange in Stücke.
Vor meinem kleinen Wagen war manchmal der dunkle, lange Indier unsichtbar im Weiterlaufen, verschwand im Finstern ganz in einem Laubgange.
Dann sah ich nur noch den Mondglanz von seinem schwarzblauen Haar, bis er plötzlich wieder wie der Schatten an einer hellen Laubwand war.
Diese nächtige Geisterfahrt ging immer hart entlang am Seerand und Hügelhang. Aber plötzlich sprang mein Gespann, der dunkelhäutige Rikschamann,
Scheu wie ein Pferd in die Luft; seine Arme rissen den Wagen hoch, als wäre die Wagendeichsel eine Zange, – im Mondlicht kroch eine lange schwarze Schlange zum Dickicht.
Der Indier ruft einen Schrei und schleudert den Wagen an der Schlange vorbei, als ob er eine schreckliche Göttin erkennt, die er aus Furcht verehrt,
Und er rennt verstört, hört und sieht nicht, daß fast dem Gefährt Rad und Speiche zerbricht.
Um den See wohnen Kobraschlangen und die faustgroßen Skorpione, und während in der Mondluft unter den Sternen sich die fliegenden Laternen der Glühwürmer über den Weg schwangen,
Drangen Getier und Schlangen vom Seeufer heran, aufgeregt vom Liebeslied, das die heftigen Zikaden im Buschwerk sangen,
Haben sie sich kriechend fortbewegt, haben sich quer über die mondhellen Wege gelegt und lauschen
Den tausendstimmigen Instrumenten der Sehnsucht, die sie berauschen.
Über Schlangen und Skorpione war mein Weg unbewußt gegangen, indessen meine Augen mit Lust an den Silbergeräten der Mondnacht gehangen,
Indessen mein Heimweh die Glühwürmer am See wie Blicke der Liebsten aufgefangen.

 


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