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Natürliche Jahresfeste in Japan

Im Hofe des Kiotohotels, das wie ein Landhaus im Grund eines Gartenhofes gelegen, pflegen die Scharen von Rikschas
Im Frühling mit europäischen Gästen ein und aus zu fahren, denn Kioto ist fort und fort dann ein Wanderort.
Hebt Anfang April die Zeit der Kirschblüte an, ruft sie nach Kioto zu ihren Festen Japan und Europa und Amerika heran.
Eine kleine Blüte es fertig bringen kann, daß viele Menschen in vielen Ländern ihren Wohnsitz verändern
Und um die halbe Erde nach einem fernen Land hindringen, wo die Güte und Einsicht der Bewohner die Kirschblüte zur Königin großer Feste machten,
Wo man die kleine Blüte zärtlich besingt, ihr Tänze, Theaterstücke, Musik, Lieder und bewundernde Andachten in ihrer Blütezeit darbringt.
Und siehst du die Kirschenblüte in Japan in Kioto genauer an, so ist es dieselbe Kirschenblüte, die man auch bei sich in der Heimat sehen und feiern kann.
Es hängt nicht an einem einzigen Kirschenbäumlein in Japan etwas anderes daran als die liebliche, kreisrunde, rosige Blumentüte,
Die jeder in Europa mit gleicher Liebe und Güte sich als Frühjahrskönigin hinstellen kann. Mit denselben Millionen Blütenzellen wie in Japan
Stehen dieselben Kirschenbäume in unserem deutschen Landschaftsbilde, mit derselben Milde
Und leuchten wie Milliarden Laternlein rosig über den Frühlingsweg in die Frühjahrsbläue hinein.
Nur fällt es bei uns den wenigsten Menschen ein, deshalb ein Fest zu begehen, weil die blühenden Kirschenbäume im Zeichen des Hochzeitsfestes stehen.
Aber wenn alle beim Lebensanfang wüßten wie am Lebensende, daß die Freuden der Erde spärlich gezählt sind,
Machten sie die Türen auf, Mann, Weib und Kind, und begrüßten mit Tänzen die Hochzeit der Kirsche zu allen Lenzen.
Wenn sich alle Singvögel rühren und es freudig mitspüren, daß sich die Kirschenbäume verliebt und errötend bekränzen,
Sollen auch Burschen die Mädchen unter die freienden Bäume hinführen; denn die Kirschenbäume teilen gern mit den Menschen ihre rosig schneienden Liebesträume.
Japan, wie jedes Land in asiatisch-buddhistischer Welt, keinen regelmäßigen Sonntag kennt, dafür aber jeder natürliche Festtag der Natur ihm gefällt;
Und mit den Hochzeiten der Jahresblumen es viele Feiertage hält. Im April lockt die Pflaumenblüte und der rosige Kirschenast,
Und der Liebste die Hand der Liebsten erfaßt, und beide wandern beschaulich, winterfrei und vertraulich in die Landschaft zwei und zwei.
Im Mai mit ihrer Blütenlast hängen lila Glyzinen, gehen Päonien und Azaleen auf, die in Tempellauben wohnen
Und in Tempelgärten unter Bambusgerüsten thronen und zur Schau stehen. Im Juni ziert die senkrechte Iris mit ihren Schwertblättern Teichränder und Seen,
Blau und weiß und goldgelb am Wasser, wie dreifarbige Blütengeländer. Im August liegt voll Sommerbehagen unter den runden Tempelbrücken
Zum frommen Entzücken der Lotos in den Morgenstunden weiß aufgeschlagen, von todstillen Wasserstücken und schwarzgrünen Flutspiegeln getragen.
Im November leben die Chrysanthemen mit den goldkrausen Köpfen, den vornehmen, – sie, die Anfang und Ende der Dinge wissen,
Den Sommer in den Tempelgärten beschließen und im Winter noch wie unvergängliche Schemen auf dem Wappen des Kaisers weiterleben und auf seinen Emblemen.
Dies sind die Stufen der Blütenfeste im äußersten Osten, die sich durchs Jahr erstrecken. Uns im äußersten Westen, uns könnten die Heimatblumen zu gleichen Festen rufen,
Ließen wir uns von ihrem Hochzeitsjubel erwecken. Wer die Brust den Blüten und ihrer festlichen Helle öffnet, der wird ein Natürlich-Fröhlicher,
Dem wird das Leben nicht grau zur Einsiedlerzelle; der wird natürliche Feste erleben und vom Jahr das Beste.
Dem Natürlich-Fröhlichen wird die Liebste Haar, Brüste und Leib gern immer wieder neu geben,
Und eine festliche Blumenernte wird ihm ihre alltäglichste Geste. Denn den Natürlich-Fröhlichen immer gern die Fröhliche grüßte;
Und die liebsten Lippen, die er so oft schon küßte, erscheinen ihm unendlich an Güte und Süße, reichwechselnd wie des Jahres Blüte,
Wie des Jahres unverlöschliches Liebesgelüste.

 


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