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Einen Augenblick in Singapore

Von Singapore erschienen Inselzinnen, und in dem Meerzimmer, in das Grüne von Landbergen mußte sich mein Schiff, der mächtige Meerhüne, einpferchen.
Ein langes Lagerhaus fand sich auf der Hafenmauer der Stranddüne, dahinter Gärten unter kühlem Schattenschauer. Wir sollen den ganzen Tag Kohlen hier einholen;
Und wieder ging jeder Mann ans Land. Hinter Kohlendunst eine große Gruppe von Wandererpalmen am Lagerhaus stand,
Die spreizten ihre Fächerblätter breit, als ob große schwarze Pfauen am Himmel Räder schlugen, wenn Brunst und Eitelkeit sie reizten.
Sie sind Wandererpalmen benannt, weil asiatische Wanderer, welche sich heißgerannt, ihren Palmensaft in den Wüsten anzapfen, um dann mit neuer Kraft weiterzustapfen.
Hinter den Gärten schlug bald das Stadtgewühl von Singapore, mehr als das Meer vorher, lebendig um mein Ohr. Giftgrüne und indigoblaue Häuser der Chinesen,
Behangen mit menschengroßen, purpurnen Papierlaternen, ließen auf diesen rotglühenden Kugeln wütende, schwarze Riesenlettern lesen.
Chinesenfrauen in rosa und blauen und ockergelben Seidenmänteln schauen unter den offenen Türen deinem Wagen nach, und drinnen im polierten Gemach
Brennen schwach kleine Kerzen. Winzige Götter auf winzigen Schiffen, auf Wellenbergen aus Kachelstein, stehen wie Bilderkrusten auf dem Dach,
Als wimmeln über den Ziegeln die Länder von Zwergen. Und kleine, bunte Kachelblumen, Steinfrüchte und Steinpapageien pressen sich erhaben als Bildergesimse über Fensterreihen.
In allen Straßen drängt sich ein Eifer und ein Schreien; Handelsleute, die einen gelassen, die andern geschäftig und mit Geifer, um die Gunst des Augenblickes freien.
Ausrufer schnarren, Eisverkäufer, Fleischkarren fahren über die Steine. An jeder Stelle eilige Beine und Hufe um alle Häuser scharren.
Auf mancher Schwelle sitzen, wie am Eingang von Höhlen, Frauengestalten, die ihr schwarzes, offenes Haar einölen. Chinesenmänner lachen sie an wie gelbe Narren,
Und die Weiber grinsen und starren wie betrunken, in das Feilschen und Hasten der Straße versunken, als berechnen sie des Lebens Zinsen,
Während sie unter losen, blauen Lumpen ihre bloßen, gelben Brüste vorsichtig prüfen und betasten und ihren Leib, der wie der Geldsack ist bezahlter Gelüste.
Und große, starke Chinesenfrauen kommen gegangen in weiten, schwarzen Shirtinghosen und schleppen an Stangen Gefäße und Waren
Und rufen mit gelben, vollen Wangen und plaudern lachend zu denen, die unter den Türen beschäftigt mit dem Salben von ihren schwarzen Haaren und ihrer Brüste und Warzen.
Und winzige kleine und feine Chinesenfrauen, duftend nach Seide und kostbaren Harzen, ließen sich im Festkleide im Rikschawagen zu den Tempeln tragen
Und sahen sich an wie Blumen aus Porzellan und erschienen gemessen mit zierlichen und stillen Mienen und machten alles Verdienen und den Straßenlärm für eine Sekunde vergessen.
– Zur Abendstunde hab' ich wieder auf dem Schiffsdeck auf meinem Segeltuchstuhl gesessen; und wie die Ankerketten krachten,
Begann es in den Gartenwegen am Singaporeufer zu nachten. Die Gruppen der Wandererpalmen standen noch ungeschlacht und unverhüllt in dem Abendhimmel,
Der hat sich mit Frachten von goldenen Wolken, wie mit Bergen von roten Orangen, gefüllt. Und wieder sah ich in einen sterbenden Tag,
In das Unendliche, Wandelbare, mit dem sich kein Sterblicher versöhnen mag.
Viele Reisende waren am Morgen vom Schiff fortgegangen, und neue kamen über die Schiffspromenade gegangen,
Und viele weltreisende Damen gaben den Herren, eh' sie sich trennten, ihr Ozeanbuch mit dem Gesuch, die Seemeilenzahl, die man zusammengereist, darin einzutragen
Und den Breitegrad, darauf man zum Abschied sich empfahl, denn man war nicht mehr wie Anno dazumal
Mit Stammbuchversen der Freundschaft sentimental, und mehr real, genügten den Damen von heute der Breitegrad und die Seemeilenzahl.
Denn diesen Meer-Gewohnten wurden die Seelen zu Riesen, die die Wandertage kommen und gehen ließen
Und sich stellten, als ob sie sich mit dem Wandelbaren versöhnten.

 


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