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Gegen Abend trat ich noch in den Tennoyitempelgarten. Schwere Steinlaternen stehn, wie überall, am Tempelwege,
Und um die roten Schreine unter den grauen, geschweiften Dächern wimmelten viele Menschenbeine.
Hohe Schwarzkieferbäume standen verfinstert im Haine, ich fand eine neue, ungeheuere Glocke unter ein Strohmattendach gestellt,
Ihr neuer Tempel stand als unfertig Gerüst in der Nähe, – der Tempel, in den die Glocke dann Einzug hält.
Diese mächtigste aller Glocken der Welt war aus den geopferten Bronzespiegeln der Frauen von Osaka gegossen.
Metallspiegel, die einst jeder das Bild eines Weibes genossen, waren hier in Schmelzgut zu einer Glocke zusammengeflossen.
Wie wunderbar muß der Klang sein, denkt diese Glocke ihr Leben lang an die schönsten Augen und Lippen und Wangen,
Die einst an ihrem Metall mit Blicken und Seufzern gehangen. Von der Glocke nicht weit ist unter einem Dach ein Steinbecken tief und breit.
Ein Wasserbach springt aus dem Maul einer steinernen Schildkröte schnell in den Trog; ungezählt schwammen feine Papierstreifen drinnen dem Wasserstrom nach,
Und von mancher Hand ein neuer Zettel hin zum Wasser flog über den Brunnenrand. Die gelben, langen Papierstreifen, die da im Trog fort trieben,
Waren alle beschrieben; es sind Briefe, Nachrichten an die Toten, Bitten mit Gedichten an die gestorbenen Lieben,
Welche untröstliche Lebende an das Totenreich richten.–
O Sehnsucht, wie du rings um die Erde dir gleich bleibst!
Es ist dir kein Weg zu unmöglich, auch nicht, wenn du gläubig mit Tinte an Tote schreibst.