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Das Schloß von Osaka

In Osaka liegt ein mittelalterlich Zitadellenschloß, das auf stämmigen Granitmauern einst aufschoß, von breiten Graben umgeben.
Und nur noch Steinwälle und Graben heute die Zitadelle überleben. Die Einfahrt durch Tore ist, wie in eine Festung, hart und gründlich ummauert.
Die Geschichte des Schlosses, die heute noch auf der einsamen Plattform die Leere des Platzes überdauert, hat mein Herz mehr noch als alle Öde dort durchschauert.
Im Haupthaus belagert und bedrängt war damals eine kleine Schar Hofleute und Krieger mit Frauen und Kindern eng eingezwängt,
Die wußten eines Tages, der Feind war endlich Sieger. Aber sie gaben sich nicht in seine Gewalt, sie steckten mit eigener Hand das Haus in Brand;
Sie blieben zusammen, Mann und Weib, als das Schloß, statt von goldenen Wänden umgeben, mitten in goldroten Bränden stand.
Sie hatten an der Schloßtreppe eine Quelle daneben, das »goldene Wasser«, genannt so wegen seiner Helle; aber niemand von den Eingeschlossenen eine Hand
Hin zum Quellenrand rührte; jeder lieber die Flammen als das Wasser auf seinen Lippen spürte,
Damit ein Scheiterhaufen sie alle zusammen als Helden und Heldinnen fort ins Nirwana führte.
Jetzt müssen die Gräben dort verschlammen, die Wallmauern rammen sich aber noch fest in die Erde
Und zeigen noch in ihrer Geste die Haltung und Reste einer einstigen mutigen Gebärde.
Aber von jenem Todesfeste unversehrt lebend blieb nur noch die goldene Quelle, die steht heute noch klar wie der Spiegel der Mutigsten an der Treppenstelle.
Ich sah von der Grundmauer der einstigen Zitadelle jetzt im Regennebel auf Osakas Fabriken und Schlote, die den Himmel rundum mit Rauch beschütten,
Stand nahe bei Esse und Brand, und die Festung sah mich gewaltig an und sprach über das Land:
Kaufmannsarbeit und Soldatenmut sind einander wohlverwandt, aber ein Soldatenherz aus einem Guß
Tat von jeher mehr, als der Arbeiter kann und muß. Doch der höchste Mut ist der Mut zur Liebesleidenschaft, die leicht sieben Paradiese gelobt der Liebeskraft,
Aber oft den Menschen wie eine Brandflut umtobt und tötend dahinrafft.

 


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