Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Der Herzog von Altenburg war gut beraten, als er sich zur Führung des Prozesses gegen sein heute noch nicht vergessenes Volk einen Abgeordneten nahm, der nebenbei auch noch Rechtsanwalt ist. Dieser Herr Dr. Everling muß ein ganz vorzüglicher Abgeordneter sein, er trägt seine Anwaltspraxis nicht auf der Zunge, er wahrte selbst den Fraktionskollegen gegenüber Diskretion. Und wenn der thüringische Finanzminister nicht mit der Redseligkeit des Provinzialen ausgeplaudert hätte, daß das beliebte Mitglied des Rechtsausschusses auch ein experter Anwalt in Abfindungssachen sei, niemand hätte davon erfahren.
Damit befand sich Herr Dr. Everling aber plötzlich in akutem Kompetenzkonflikt. Die Situation war unangenehm. Wer wird nun sprechen, der diskrete altenburgische Kronanwalt oder der beredte Volksvertreter? Wie auf Kommando erklärten sich beide plötzlich neutral, und es sprach nur Everling. Ganz schlicht und persönlich, sozusagen als Stimme des Gewissens: »Ich fühle mich hier lediglich als Vertreter meiner Rechtsauffassung, die allerdings solchen Anträgen, die auf eine Beraubung der Fürstenhäuser hinauslaufen, diametral entgegengesetzt ist.«
Das ist eine schöne, eine ritterliche Geste. Da wackelt der treue deutsche Bauch vor Wonne. Und wenn die Rechtsauffassung auch schließlich nur in einer vom ehemaligen Gebieter Altenburgs unterzeichneten Prozeßvollmacht für den Abg. Dr. Everling besteht. Jedenfalls hat es der Rechtsanwalt aufs trefflichste verstanden, den Abgeordneten völlig auszuschließen, wobei man immer den Rechtsanwalt für den Abgeordneten hielt. Es ist ein sehr schwieriges Kostümspiel, dieses mit der Toga des Volkstribunen, die gewendet den Talar des Advokaten ergibt, aber schließlich stand er doch ohne den feierlichen Umhang da, als treuer Ritter in blankem Harnisch sagen die Freunde, als nackter Spatz die Gegner, und bekannte sich in ungebrochenen Naturlauten als unentwegter Kämpe für Fürstenrechte.
Ohne dieses Kompetenzproblem bis in seine Tiefen ausloten zu wollen, auf eines wären wir doch neugierig: wenn der Posten für diesen rührenden Auftritt von Mannentreue in die Spesenrechnung gesetzt wird, wer wird dann kalkuliert: der diskrete Advokat oder der rührige Abgeordnete?
Vielleicht äußert sich mal der Altenburger!
Montag Morgen, 11. Januar 1926