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Die schreibenden Kommissare

Hochgeehrter Herr Polizeipräsident!

Immer und gern ist von uns anerkannt worden, daß in dem riesenhaften und komplizierten Amtsbetrieb am Alexanderplatz ein frischer Wind weht, seitdem Sie und Herr Dr. Friedensburg dort regieren. Wenn wir Sie heute persönlich apostrophieren, so geschieht es, um Ihre Aufmerksamkeit auf einen groben Unfug zu lenken, der nicht nur politisch bedenkliche Momente enthält, sondern vor allem auch eine einzige grobe Versündigung am guten Geschmack bedeutet.

Es handelt sich um die literarische Betätigung Ihrer Herren Kriminalkommissare.

Herr Polizeipräsident, wir flehen Sie an, stopfen Sie den Herren den redefrohen Mund, entwinden Sie ihnen die einen nützlichen Beruf diskreditierende Feder.

In allen Zeitungsblättern breiten sich die journalistischen Beiträge der Herren wie eine Entenpest aus. Hier gibt Herr X. seine Abenteuer zum besten, dort verzapft Herr Y. tiefsinnigen theoretischen Hokuspokus über das Seelenleben des Massenmörders A. oder tiefgreifende Erläuterungen über die Spezialtricks der hochbegabten Taschendiebin Fräulein C. Ganz davon abgesehen, daß es, milde gesagt, überflüssig ist, wenn Amtspersonen die Interna illegaler Wissenschaften popularisieren, diese Elaborate sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, spottschlecht nach Stil und Inhalt und deshalb geeignet, von der Intelligenz unserer Polizei entmutigende Vorstellungen zu erwecken.

Jetzt ist der Unsinn schon bis zum Mißbrauch des Rundfunks gediehen. Den hat kürzlich Herr Kommissar Engelbrecht okkupiert, um über seine bulgarischen Eindrücke zu berichten. Was geht es uns an, wie Herr Engelbrecht über Bulgarien denkt? Aber es geht uns sehr wohl an, wenn er, der Beamte der Republik, als funkender Rhapsode der Zankoff-Henker auftritt und mit Bedauern mitteilt, daß die Regierung nicht noch schärfere Maßnahmen ergriffen habe. (Bis jetzt, Herr Kommissar, sind immerhin gegen 200 Menschen durch die Standgerichte abgeurteilt worden. Ganz zu schweigen von den vielen anderen, die teils »auf der Flucht« erschossen, teils »wegen Widerstand bei der Verhaftung« niedergemacht wurden.) Und wenn Herr Engelbrecht weiter sagt, daß für die drei Kirchenattentäter »die Foltern des Mittelalters nicht schlimm genug gewesen« wären, so weiß man nach dieser Feststellung, wo seine Sympathien zu suchen sind. Aber es erhebt sich damit auch die ernste Frage, ob dieser freudige Beifall für bulgarische Methoden etwa seine Berliner Arbeitsweise beeinflußt? Jedenfalls bedanken wir uns für eine Verhimmelung fremder Polizei-Brutalitäten und für eine Internationale der Daumenschrauben.

Es liegt uns fern, Herr Polizeipräsident, die Herren innerhalb ihres Wirkungsbereiches herabsetzen zu wollen. Wir haben uns hier nur mit ihren schriftstellerischen Leistungen zu befassen. Und da halten wir es allerdings nicht für zweckdienlich, wenn sie Bruchstücke zusammenhanglos in greller Beleuchtung zur Schau stellen, ohne psychologische Ahnung und leider auch oft ohne Ehrfurcht vor dem Menschenleben, ganz im Jargon eines fühllos gewordenen Professionalismus.

Herr Polizeipräsident, machen Sie dem ärgerlich werdenden Schauspiel ein Ende. Die Herren haben ja innerhalb ihrer eigenen Branche noch so unendlich viel zu tun. Geben Sie uns den Glauben an unsere Polizei wieder. Sie ist wirklich besser als sie schreibt.

Montag Morgen, 20. Juli 1925


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