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Ufa-Palast am Zoo

Endlose Autokolonnen stauen sich in der Hardenbergstraße. Vielleicht haben Gigli und Schaljapin nicht so viele Menschen auf die Beine gebracht, so viele Räder in Bewegung gesetzt. Die Ufa zeigt ihr größtes Haus neueingerichtet ... und in den Vestibülen drängt sich ganz Berlin, was heute linguistisch ein schwieriger Begriff geworden ist. Man hört Sprachen, die man selbst beim Film noch nicht gehört hat. Stutzt das Ohr zuweilen, kommt das Auge besser fort. Wahrscheinlich sieht man nicht oft solch Bild betörend üppiger Kleiderpracht.

Der Riesensaal ist jetzt in Dunkelrot und Gold gehalten. Die neue Farbengebung mildert die Größenmaße, schafft eine gewisse Intimität. Ja, was dem Theater nicht gelingen wollte, ist hier Tatsache geworden, das »Große Filmhaus«, das Haus der Dreitausend. Hier versinkt der Einzelne in der Masse und die Masse selbst in Farbe, Licht und Ton. Im Orchester der 95 dröhnen die Tuben, rasseln die Pauken, kreischen die Geigen. Reflektoren werfen über den Bühnenbau magisches Silbergeriesel, das sich mählich in rauschendes rotes Gold verwandelt. Das geht über unsere alte kontinentale Behäbigkeit im Hören und Schauen hinaus. Hier im Wechsel von Film und Bühnenschau und Musik und immer Musik formt sich etwas Neues, man weiß noch nicht was, aber es hat das Ungewisse und Lockende des Abenteuers. Man fühlt es: zum erstenmal ist mitten in Berlin ein echtes Stück Amerika entstanden. Amerikanisch ist Vielfältigkeit und Tempo des Gebotenen. Theater seht euch vor!

Der Al-Christie-Film » Charleys Tante« war ein Welterfolg, ehe er nach Europa kam. Er hat das Luxus-Theater ebenso erobert wie das Matrosen-Kino kleinster Hafenstädte. Er hat, um zu reüssieren, die denkbar günstigste Voraussetzung, seine Grundlage ist ein längst bekanntes Lustspielchen, voll von kleinbürgerlichen Humoren, voll von Schwankmotiven und getaucht in echte, rechte Harmlosigkeit, in jene Art von Harmlosigkeit, die auch den Wählerischen zum Lachen bringt, wenn gerade sein kontrollierender Verstand zu funktionieren droht. Wahrscheinlich ist ein so blühender Blödsinn manchmal eine Art Reinigungsbad für das übermüdete und vollgepumpte Gehirn.

Scott Sidney, der Regisseur, hält sich an die bewährte Linie des gutartigen Excentric-Stückes. Er hat vorzügliche und wirklich lustige Darsteller und für die Hauptrolle Sid, des großen Charlie Bruder. Der wieder hat des großen Bruders unglaublich vife Extremitäten einzusetzen, was also eine Eigentümlichkeit dieser gesegneten Familie zu sein scheint. Aber er hat auch Eigenes zu geben, z.B. ein paar unendlich schlaue Filouaugen und ein wirklich scharmantes Lächeln, das Lächeln des geborenen Humoristen. Gelegentlich mag Bruder Charlie nachgeholfen haben, in manchen Einzelheiten der Damenmaskerade z.B. spürt man deutlich dessen geniale Hand. Aber das bleibt ja schließlich in der Familie.

Es wurde ein großer Premierenerfolg, der jetzt übergehen wird in einen großen Publikumserfolg. (Nicht wenig dazu hat das Orchester beigetragen unter Leitung des amerikanisierten Ungarn Ernö Rapee.) Die Rundreise der braven Tante durch Deutschland hat begonnen. Wie eine Göttin des Lachens wird sie durch all die großen Filmsäle rauschen und dann durch die kleinen und kleinsten. Vielleicht wird man ihr in Jahresfrist einmal in einem Matrosenkino von Bremerhaven wieder begegnen.

Montag Morgen, 28. September 1925


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