Rahel Varnhagen von Ense
Rahel und Alexander von der Marwitz in ihren Briefen
Rahel Varnhagen von Ense

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52.

Rahel an Marwitz.

Abends elf, d. 23t. November 1811. Montag.

Soeben geht Robert, um acht kam Redtel, einen Augenblick nachher Harscher. Ich will Ihnen nur noch meinen großen Anteil beweisen an dem, gewiß für Sie noch schrecklicherem Warten bei Schulzens auf Redtel. Verschlafen Sie's, Lieber! Und lassen Sie's nun auf Robert keinen üblen Einfluß haben! Ich habe mich zu sehr mit ihm gefreut, zu sehr mit ihm gefallen. Und ganz am Ende gegen elf beim Weggehn gestand er mir: Ihnen nur habe ich endlich seinen Besuch zu danken, ich hätte ihm etwas Schönes geschenkt. Und vorher nannt' er Sie als sein schönstes Gut mit in Potsdam. Wir waren, als hätten wir uns gestern gesehn, nur schade, ich lag, weil ich Flußfieber hatte, welches im Augenblick, als Sie aus der Türe waren und ich mich ausstreckte, hervor brach wie aus leicht fallenden Blättern eine Blume brechen kann. Ich hatte Herzspannen, und Luft fehlte mir; ich war geneigt Dinge zu nennen, die nur als Nebenbilder in gesundem Zustand unbemerkt durch unsere Stirne eilen, die ich aber einzelner ansehn mußte. Als ich das merkte, schickte ich das Mädchen hinaus und entschlief auch gleich, bis halb acht. Da kam dann mésage auf mésage und meine Besuche. Morgen werde ich wohl noch Fieber haben, drum schreib' ich noch diesen Abend; des Morgens bin ich affizierter, und dann irritiert mich Federführen äußerst. Sie waren also noch eine Stunde in Berlin? Wie entsetzlich leid tut mir Ihr Ärger! Nehmen Sie dies als Trost hin; ich hab' ihn ganz mitgehabt, als ich ihn hörte. Und als ich in Erbrechen und Fieber fiel, dacht' ich, Marcus ist noch in der Charlottenstraße und denkt das gewiß nicht. Ich kann mich immer halten, so lange es sein muß. So war es auch gestern nach dem Theater, da stürzt' ich in mein Hinterzimmer ebenso. Harscher wollte wenig mit uns eingehn, obgleich er Redtel als Freund und Bekannten bei mir und auch gegen ihn traf. Robert ganz gut und freundlich; um neun sagte er, er habe zu tun. Adieu, Lieber! Ich bin nicht krank und Ihnen doppelt gut nach dem Fieber und Ihrem Ärger. Adieu!

Donnerstag d. 26t. November, ein Uhr Mittag.

Ich schlief ziemlich viel die Nacht, wenn ich aber wachte, fühlte ich alles, was zum Fieber geführt; bis jetzt war mir ganz leidlich, nun aber tritt es wieder ein. Vom Anstrengen auch. Ich machte tout bien que mal eine Toilette, bekam forces billets und hatte einen ziemlich anstrengenden Besuch von Madam Spazier. Nun muß ich ein Entschuldigungsbillet an Leute schreiben, wo ich morgen Mittag essen sollte, und wo ich in keinem Fall hingegangen wäre. Sie schreiben mir, nicht wahr? Adieu, Lieber! Herr von Heister ist jetzt bei mir von der Reise gekommen. Leben Sie wohl.

R.R.


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