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Zu ihr«, murmelte Herr Kortüm.
Das kleine Stück Landstraße bis zum Flügelhauseingang glühte in afrikanischer Sonne. Kortüm wischte den Schweiß von der Stirn: »Wirklich – in dieser Hitze ist fast nichts anhaben sachgemäßer als schwarzer Cheviot. Dieser Gast ist überhaupt nicht so, er sieht nur in der Nähe so aus. Man muß ihn mehr von weitem betrachten.«
Unter diesem Selbstgespräch erreichte er die Zimmertür Nummer eins, rückte an der Halsbinde, krümmte den Zeigefinger zum Klopfen – aber er klopfte nicht. Zu ihr, hatte er gedacht, und in dem angenehmen Gefühl, daß die Sache ja gar nicht so schlimm werden konnte, wie sie anfing, in dieser wohligen Beruhigung hatte er sich vorgestellt, wie die Türe Nummer eins aufgehen würde, Konstanze Schröter heraustreten . . ., und jetzt fiel es ihm plötzlich aufs Herz: hinter dem Türschild Nummer eins weilt in diesem Augenblick ein Star, eine Violante Sconosciuta, eine sogar für die World schwer zu behandelnde Frau, und eine ihm, dem Herrn Kortüm, ganz persönlich ans Herz gelegte Dame. Ja, da stand dieser Gastwirt: Gäste wechseln, aber die Wirte bleiben . . . Eine Million und zweimalhunderttausend Mark! Welcher ungeheuren Höflichkeit würde er sich jetzt eine Viertelstunde lang mindestens befleißigen müssen, und welch ein Andenaugenablesen wär zu bewältigen!
Herr Kortüm drehte sich auf den Absätzen herum und begab sich zunächst einmal nach Nummer zwölf. Hier waren zwei alte Damen zu beruhigen, zweimal Sechsmark-Pensionen mit wenig Nebenausgaben – aber der Ruf des Namens Kortüm forderte diese Beruhigung nicht weniger als die Ausgießung von Komfort über das sconosciuteske Millionenrisiko. Vielleicht bohrte in Kortüm auch eine dunkle Sorge vor Nummer eins. Er schien das Bedürfnis zu fühlen, sich vor der Begrüßung Violantes noch ein wenig in Höflichkeit zu trainieren.
Die Damen hatten die Fensterläden geschlossen. Der Raum lag im Halbdunkel. Nur ein paar nadelscharfe Sonnenstrahlen durchblitzten die Dämmerung. Die drei älteren Herrschaften sahen nicht viel voneinander. Aber im Halbdunkel ließ sich diese etwas verletzliche Sache vor den Damen umso leichter auseinandersetzen.
»Glauben Sie mir, er sieht nur so aus, meine Damen. Wenn Sie ihn näher kennen würden . . .« Die jüngere der beiden alten Damen 359 hob beschwörend die Hand, aber Kortüm fuhr fort: »Ich meine, wenn Sie wüßten, was eine Persönlichkeit in seiner Stellung für Sorge und Verantwortung Tag für Tag bewältigt, wie um so einen Film die Tausendmarkscheine flattern – oh, wie Neuschnee, meine Damen – nein nein, nur sein Äußeres überrascht im ersten Augenblick. Gewiß, er wendet wenig Kleidung an sich. Aber so ein eminenter Körper wirkt auch durch einen Biberpelz formenreich. Bei beleibten Gästen muß man mehr aufs Innere sehen.«
Bertha sah ihre ältere Schwester Erdmuthe an, die ein wenig gebückt in der Ecke des viel zu großen prahlerischen Polstersessels lehnte, und Kortüm hätte nichts wahrgenommen an ihr als den Ausdruck jener rührenden Hilflosigkeit einer Welt, die, flugzeugumrast, still stehen geblieben ist im geformten Geist einer tiefen Vergangenheit, wenn Erdmuthe Haupt jetzt nicht aufgeblickt und gelächelt hätte – gelächelt, als ob der Maschinenernst aufgeregter Enkel nicht mehr zu bedeuten habe wie der huschende Schatten, den die starren Flügel einer Junkersmaschine auf das Gartenbeet werfen. »Höflich war der Herr«, sagte sie, »gewiß ein wohlerzogener Mann aus gutem Haus. Absonderlichkeiten«, sie lächelte wieder, »sollen alte Leute vorsichtig beurteilen.«
»Namentlich«, fiel Herr Kortüm freudig ein, »bei einem Produktionschef der World! Wie könnte das anders sein. Auch Astronomen, wie ich von einem Fachmann zuverlässig weiß, werden unruhig, wenn zwei Welten da oben aneinandergeraten: und nun vollends eine Welt und eine World, meine Damen.« Von hier an entlehnte Herr Kortüm seine Vergleiche den Wissenschaften der Physik und Astronomie. Auf diesen Gebieten war er ja nicht nur selbst praktisch tätig gewesen – seit Windhebels drittem Aufenthalt im Flügelhaus hatten sich auch seine theoretischen Kenntnisse vertieft. Und die Vergleiche aus der Sternkunde bekamen der Figur Utzenstorffs gut. Wenn man Kortüm glauben durfte, handelte es sich im vorliegenden Falle viel mehr um eine geistige als um eine körperliche Korpulenz. Mit geschickten Worten verstand er die immer noch leicht bedrückten Damen aufzuheitern, und alle drei verglichen schließlich die alte Welt friedfertig mit der neuen, in der sich die Menschen zwar immer schneller fortbewegen, aber, einmal angekommen, sogleich dasselbe dumme Zeug zustandebringen wie seinerzeit die langsamen Leute: man hatte jetzt nach Kortüms Ansicht natürlich mehr Zeit zur Torheit, weil die Bewegungsintervalle weniger Zeit verschlingen.
»Ja ja, meine Damen, wie lange ist es her, daß man mit einer 360 Welt auskam. Noch in unserer Jugend. Dann erfand man das Bioskop. Nun hat die Welt die World bekommen, zum Teufel – ich wollte sagen: ein schwerer Fall. Das Leben ist doppelt lebendig. Vom Schöpfer der Natur habe ich mir nie eine rechte Vorstellung machen können, aber wie ein Produktionschef der Natürlichkeit aussieht, das weiß ich nun . . .«
Die Viertelstunde wurde zur halben. Herr Kortüm plauderte aufs angeregteste. Schließlich geriet er in seine Welt hinein. Ein Sonnenpfeil streifte Erdmuthens Gesicht. Jetzt blickte ihn dieses alte Antlitz wieder aus dem Halbdunkel an, aber über dem weißen Scheitel stand noch ein Schein, in dem die Sonnenstäubchen wirbelten. Nachdenklich sah Kortüm in den zitternden Schimmer, der unruhig wölkend lichtausatmend verblich: sie ist meiner seligen Mutter ähnlich, woran liegt das? Man sollte doch einmal wieder nach Hause fahren . . . Herr Kortüm erhob sich langsam: »Und dann wollte ich nur noch sagen, daß ich erfreut bin, so verehrte Gäste in meinem Hause beherbergen zu können.«
»Zwei alte Fräulein, Herr Kortüm: das Flügelhaus ist von ganz anderen Gästen besucht, wie man sieht.«
»Ja, meine Damen, als ich baute, die Wahrheit zu gestehen: an die World habe ich nicht dabei gedacht. Aber sie ist da.«
»Seien Sie froh.« Die alten Wesen schwiegen, eine neigte ihr Köpfchen nach links, die andre nach rechts, und endlich sagte Erdmuthe: »Unsereiner kann leider niemandem mehr zum Erfolg in der Welt verhelfen.«
Herr Kortüm machte eine Bewegung, als ob er Tropfen von der Hand schüttelte: »Erfolg? Der ist in gewöhnlichen Zahlen herzusagen. Aber wenn einer lange von Hause fort ist, denkt er zuweilen, man müßte mal wieder eingucken im alten Quartier und dort die Bilanz vorlegen. Ja . . . da ließen wir uns schon loben. Aber nun hat man sich selbst sein eignes Bett gegraben, und was da an Lob so mit zufließt, das macht nichts mehr aus . . . Zu spät. Wir danken. Auf gebackenen Teig wirkt keine Hefe mehr.«
Die alten Damen lächelten, lehnten in ihren Sesseln und wiederholten kopfnickend: »Zu spät.« Erst sagte es die eine, dann sagte es die andre: sie waren Herrn Kortüm um gut ein Jahrzehnt voran und bald hindurch und hatten gut lächeln.
Herr Kortüm sah dieses Lächeln, und da sie nichts mehr sagten, verbeugte er sich. Er wünschte ihnen gute Erholung, versprach das Seinige zu tun und empfahl sich. 361
In Höflichkeit hatte sich Herr Kortüm nun trainiert. Ob aber gerade die feinste, die Höflichkeit der Erinnerung nämlich, die richtige Vorbereitung für den Antrittsbesuch bei Violante Sconosciuta war, wird sich ja gleich zeigen müssen.
Die Flügeltür Nummer eins öffnete sich auf Kortüms Klopfen. Auf der Schwelle stand die Zofe: »Ach, Sie sind der Wirt.«
»Kortüm. Kann ich die gnädige Frau sprechen?«
»Na, das wird Zeit. Augenblick.«
Die Tür klappte zu.
Die World nicht nach dem ersten Eindruck beurteilen, mahnte sich Kortüm im Hinblick auf die Figur Utzenstorffs und wartete. Es dauerte eine gute Weile. »Vielleicht«, sagte er sich, »haben Stars im Zimmer so wenig an wie Produktionschefs im Freien.«
Endlich wurde er vorgelassen. Violante Sconosciuta saß im Schlafanzug auf dem Fensterbrett, von Sonnenlicht überblendet. Kortüm kam aus dem Halbdunkel der alten Damen und des Flurs, schloß eine Sekunde die Augen, machte eine Verbeugung und sagte: »Gnädigste Frau, das Schottengelände beneidet mich, der bewunderten Filmkünstlerin unter meinem bescheidenen Dach –«
Das . . . das ist . . . das ist die Gans . . .
Kortüm starrte sie an mit weit geöffneten Augen – eine Million und zweimalhunderttausend Mark – Kortüm, es gilt . . . . »unter meinem, meinem Dach zu dem Charme zu verhelfen, der die Welt – die World meine ich, Gnädigste – der die World –« Den erschrockenen Herrn Kortüm hatte jetzt die zweite Höflichkeit, die Höflichkeit des Lebens, umschlungen wie eine Boa constrictor, er öffnete noch einmal den Mund, aber es gelang ihm nichts mehr . . .
Der Star zog beide Beine aufs Fensterbrett, umfaßte die Knie mit beiden Händen und besah sich neugierig den Herrn Kortüm. Was für einen Unsinn er redet, dachte der Star. Aber eigentlich ganz nett. Er ist benommen . . . Violante setzte sich noch hübscher hin und lächelte – nicht wie bei der Aufnahme, sondern ganz unbewußt: so hat dich noch keiner angesehen.
»Bitte weiter, Herr Kortüm. Das steht Ihnen besser als Ihr Pastorengesicht vorhin am Eingang.«
Herr Kortüm kannte wohl das Bioskop, nicht jedoch die World, und konnte nicht ahnen, daß Violante seine verunglückte Ansprache irrtümlich für die dritte der Höflichkeiten: für die unbeholfene Höflichkeit des Herzens hielt und schon so gut wie versöhnt war.
362 »Gnädige Frau, ich bin gekommen, um Sie nach Ihren Befehlen zu fragen.«
»Ah«, sagte Violante Sconosciuta. Sie war mit dieser ritterlichen Antwort zufrieden, hupfte vom Fensterbrett und verlor dabei ihren aus rosa Federflaum bestehenden Pantoffel. Eine Million und zweimalhunderttausend Mark, stieß es in Herrn Kortüm auf. Er bückte sich, zog das Pantöffelchen mühsam unter der Kommode hervor und überreichte ihr das Fundstück – an Bekleidungsgegenständen konnte Violante offensichtlich nichts entbehren; der seidene Schlafanzug war nicht viel. Aber nun hatte Kortüm ihr Vertrauen. Sie winkte ihm mit dem Zeigefinger. Herr Kortüm folgte der Sconosciuta ins Schlafzimmer, einen heiter und hell mit einer bunten Blumentapete ausgestatteten Raum. Violante ging zum Bett hin. Kortüm folgte ihr. Er warf einen streng prüfenden Blick auf dieses neueste Modell eines sogenannten Paradiesbettes. »Gehn Sie mal weg«, hörte er sagen, vor seinem Auge verdunkelte sich etwas – er ruckte, blickte – Violante hatte einen kleinen Sprung getan und lag plötzlich auf der daunengefütterten Seidendecke, die sich blähte um sie wie ein Rosasegel.
»Passen Sie auf. Jetzt steh' ich auf.«
Langsam richtete sie sich hoch, stellte das linke Bein auf den Teppich: »Merken Sie was?«
Herr Kortüm sah unverwandt den hochgerutschten Pyjama an. »Jawohl«, sagte er und dachte zornig: diese Gans ist außerdem ein Balg.
»Ach was: jawohl! Das linke Bein, Herr Kortüm! Soll ich etwa jeden Morgen mit dem linken Bein zuerst aufstehn?«
»Ah so«, Herr Kortüm sprach jetzt seinen hamburgischen Ton, »gnädige Frau sind noch abergläubisch.«
Aber der Hamburger Ton kam viel zu spät. Herr Kortüm war der Violante Sconosciuta längst sympathisch geworden: »Sie nicht?«
»Man wird ein neues Arrangement treffen müssen«, sprach Kortüm gemessen.
»Man wird. Und man wird sofort, würdiger Herr. Sie hätten Pastor werden müssen.«
Herr Kortüm schluckte – aber vor ihm stieg drohend Utzenstorffs gewaltige Statur auf. »Eine Million und zweimalhunderttausend Mark«, murmelte Kortüm wie eine heidnische Beschwörungsformel.
»Wirklich: Pastor ständ' Ihnen –«
»Ich werde sofort –«
363 »Pastor?!« Sie lachte ihn an, rückte die Aufschläge seines schwarzen Rockes zurecht: »Dann laß ich mich nur bei Ihnen trauen. Aber vorher muß mein Bett richtig stehen.«
Jetzt hätte Herr Kortüm um ein Haar gesagt: Herkules könnte Ihr Bett vor der Trauung nicht mehr richtig stellen – aber noch drohte Utzenstorffs Geist vor den Veilchen und Gänseblumen der Tapete auf den Gastwirt herab. Kortüm drückte nur schweigend auf den Klingelknopf. Violante machte es sich auf dem Rosadaunensegel bequem. Das Zimmermädchen trat ein. Herr Kortüm zeigte ihr, wie sie den leichten Spiegeltisch wegzuschieben und das Bett an seine Stelle zu rollen habe. Der Star auf dem Rosadaunensegel vergnügte sich mit dem Versuch, den linken Federflaumpantoffel auf der rechten großen Zehe schwebend zu erhalten. Herr und Magd warteten. Der Pantoffel schwebte immer noch. Will sie etwa bei dem Transport im Bett liegen bleiben? Offenbar. Herr Kortüm hob den Kopf und gab dem Zimmermädchen einen Wink. Das Bett rollte. Violante glitt auf ihrem Rosasegel durchs Zimmer. An der anderen Wand angelangt, ließ sie ihr Pantöffelchen fallen und wurde aufmerksam. Sie prüfte die Gesamtlage.
»Geht auch nicht. Beim Aufwachen seh ich doch grade ins Licht!«
Auch Herr Kortüm überblickte das Verhältnis zwischen Bett und Sonne, schätzte die Lage von Fenster zu Raum und Möbel ab und sprach: »Dann muß der Schreibtisch weg.« Er klingelte nunmehr zweimal. Der Hausknecht erschien, erblickte die Dame im Bett, wollte erschrocken verschwinden, aber Kortüm hob den Zeigefinger: »Zu mir! Dieser Schreibtisch – dahin!«
Der Knecht schob den Schreibtisch in die Mitte des Zimmers.
»Das Bett – da längs«, sagte Herr Kortüm.
Das Zimmermädchen wollte Bett samt Star weiterfahren, aber die Rollen an den Füßen standen quer; es ruckte, aber fuhr nicht.
»Anfassen!« befahl Herr Kortüm.
Der Knecht war von seiner Aufgabe begeistert – ein Griff, wie eine Feder fuhr das Bett durchs Zimmer.
Violante prüfte wieder. Sie nickte. Da rauschte irgendwo Wasser: »Um Gotteswillen! Hier geht eine Leitung durch. Dorthin will ich, wo der Schrank ist!«
Der Knecht rückte den Schreibtisch aus dem Weg, stellte Stühle und Sessel beiseite. Er packte den geschnitzten alten Schrank. Aber das Holzgebäude knackte nur und stand, wie es stand.
364 Es wurde geklingelt, eine Hilfskraft kam. Jetzt zählten sie beide – »hupp!« Und es gelang. Auch das Bett kam in Fahrt. Violante Sconosciuta prüfte wieder.
»Hier zieht's ja – da die Türe, das Fenster. Nein. Dorthin.«
Man rückte Kommode und Kofferbock, hing Spiegel ab und Bild, rollte Läufer und Teppich. Erneutes Klingeln rief ein zweites Zimmermädchen herbei. Trotz des Aufgebotes an Hilfskräften mußte Herr Kortüm selbst hier und da zugreifen. Es war entsetzlich heiß. Die Mehrzahl der Anwesenden war bürgerlich gekleidet, besonders Herrn Kortüm troff der Schweiß von der Stirn, und er beschloß, den nächsten Antrittsbesuch bei einem Star statt im schwarzen Rock im Pyjama zu machen. Nur Violante litt nicht unter der Hitze. Sie kommandierte. Endlich aber fuhr das Bett. Violante sah sich prüfend um und sprach: »So kann ich nicht lesen. Die Nachttischlampe muß links stehen.«
»Und Ihr linkes Bein, gnädige Frau?« Herr Kortüm hatte recht: wenn die Lampe links steht, muß Violante Sconosciuta auf Grund der Naturgesetze mit dem linken Bein zuerst heraus.
»Die Lampe links!« sagte Violante. »Weiter.«
»Ein Zimmer hat nur vier Wände!« Jetzt verschwand Utzenstorffs Geist an der Wand; in Herrn Kortüm stieg der Zorn hoch.
Aber es war, wie gesagt, zu spät. Er war dem Star sympathisch geworden – benommen, zornig, höflich, wütend oder grob: sie lächelte ihn an. »Aber Ihr Zimmer hat noch eine Mitte, Herr Pastor. Los!«
Jetzt wurde die Arbeit wesentlich schwieriger. Die Knechte und Mägde mußten in gemeinsamer Arbeit erst die Mitte wieder freimachen. Die Möbel fuhren im Zimmer herum wie im Traum. Es klirrte und ächzte. Der Herr des Flügelhauses saß in einem Sessel und sah nicht mehr hin.
Aber schließlich wurde Ordnung, und Violante Sconosciuta ruhte nun auf ihren Rosaseidendaunen inmitten des Zimmers. Sie lächelte: »So ist es gut« und setzte sich auf die Bettkante: »Raus!«
Knechte und Mägde verließen ihre Arbeitsstätte. Kortüm wäre ebenfalls gern gegangen. Aber das »Raus« konnte er sich nicht zurechnen und mußte noch bleiben. Kortüm hätte jetzt sogar ungemein gern die World verlassen, denn Violante begann den obersten, sehr schönen großen Perlmutterknopf am Kragen ihres Pyjamas aufzumachen.
»Hm. Ja. Also Gnädigste sind nun völlig zufriedengestellt?«
Sie knöpfte unbefangen an der Perlmutter Nummer zwei: »So weit ja« – der dritte Knopf . . . Kortüm verbeugte sich . . . der vierte war 365 bereits der letzte, und Violante sah ihn an und lachte: »Würden Herr Kortüm meiner Zofe nebenan befehlen, sie möchte die Güte haben, mir Tee zu verschaffen?«
Auf dem Gang stand der Herr dieses Hauses still, sah lange die weißlackierte Tür an, sah die Zimmernummer an. Dann sagte er vor sich hin: »Aberglaube, natürlich – und dazu Möbelrücken – Tischrücken – nun, davon hat man gehört. Spiritismus ist heute übrigens verboten.«
Er ging ein paar Stufen hinab, blieb noch einmal stehen, sah wiederum die weiße Tür an, hinter der Violante Sconosciuta vermutlich ohne Pyjama auf dem rosa Daunensegel ruhte: »Na, Spiritismus . . .«
Dann ging er wirklich ab und verschwand im Geschäftszimmer des Flügelhauses.