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Ein leicht zu befriedigendes Publikum waren die Kranichstedter nicht. Erst kürzlich hatten diese anspruchsvollen Leute beinahe das Quartett der Musikfreunde zu Fall gebracht. Nach dem ersten Stück war fast nichts von Beifall zu hören. Den Musikanten wurde himmelangst. 140 Dennoch endete die Sache gut, denn der Bratschist war ein geborener Kranichstedter und kannte die Seinen. Man muß sie menschlich berühren, sagte er: als am Ende des nächsten Stückes dieselbe abwartende Stille im Saal lastete und das Publikum Miene machte, ohne weitere Dankesäußerung in die Große Pause einzutreten, setzte das Quartett seine Geigen auf den Fußboden, damit es freie Hände bekam. Und nun begannen die vier, sich einen nicht endenwollenden Beifall zu spenden. Sie klatschten, daß sie ihren Händen in der Pause ein laues Seifenbad angedeihen lassen mußten, um überhaupt weitergeigen zu können. Verdutzt blickte Kranichstedt auf das begeistert klatschende Quartett. Und als nach dem Beifall die Künstler mit glücklichen Gesichtern aufstanden und sich dankend voreinander verbeugten, abermals in rauschenden Beifall ausbrachen und wieder sich bedanken mußten – lächelte Kranichstedt zunächst einmal verlegen. Es empfand, daß sich hier soeben vier tapfere Männer unabhängig vom Beifall der Welt gemacht hatten – wie es sonst auch um ihr Musizieren stehen mochte. Kranichstedt lächelte, dann lachte es, und als die Sache wieder losging und die vier auf dem Podium erschienen, freute sich Kranichstedt und begrüßte die Meister mit lautem Beifall: bloß weil sie da waren. Die Vorführung gelang.
Herr Kortüm hatte von diesem Ereignis leider nichts gehört. Infolge des Brandes im Sarkophag war die vielbesprochene Selbstovation jenes Quartetts in den Hintergrund gedrängt worden. Von dieser Art, sich offiziell über sich selbst zu freuen, hätte Herr Kortüm auf dem Schottenhaus öfter Gebrauch machen können. In Kranichstedt freilich brauchte er kein Wohl auf sich selber auszubringen. Das Publikum war mit ihm hier sofort ohne weiteres zufrieden. »Ein wirkliches Theater!« rief der alte Lichtermark nach der Brandnacht, die so freundlich mit dem Aufgehen der Sonne auf dem Hosenboden des Brandstifters geendet hatte. Wenn der Pastor Arcularius einen Theaterzettel ausgegeben hätte – der Titel des Stückes stand fest: »Der Herr Kortüm«. Und wenn jemand an Herrn Kortüm herangetreten und neugierig gewesen wäre: was wird denn heute gegeben? so hätte er antworten müssen: Ich – werde gegeben. Dieser Titelheld gab eine seltene Aufführung in unserer Larvenwelt. Der Beifall war denn auch außerordentlich. Sogar der Stationsvorsteher, der den Herren Kortüm und Monich eigenhändig die Türe des Abteils öffnete, sagte herzlich: »Recht gute Reise, Herr Kortüm. Und kommen Sie bald wieder. Es war uns eine große Freude und Merkwürdigkeit.«
Schauspieler von Beruf haben es schwerer. Von denen wollen die 141 Zuschauer die Maske: Pipin von Franken, Adalbert von Bremen, Moritz von Sachsen – an die stellte das Publikum andere Anforderungen. Konstanze kannte diese Anforderungen so genau wie irgendeiner ihrer großen Kollegen. Aber die bitteren Tage, die sie jetzt Stunde für Stunde ableben mußte, verdunkelten ihr geheimes unbewußtes tiefes Wissen um die menschliche Natur. In ihrer eigenen Not war sie viel zu sehr sie selbst, um noch das Käthchen von Heilbronn scheinen zu können, das sie vertragsgemäß zu spielen hatte. Enttäuscht gingen die Weimarer nach der Vorstellung nach Hause und sagten: »Das soll die Schröter gewesen sein?«
Sie war es nur zu sehr gewesen.
Konstanze lag auf ihrem Bett. Durch den Musselinvorhang sah sie die stakigen Zweige kahler Bäume, dahinter die dunkle Wand des Parks, über dieser Wand die leere Luft. Herr Kortüm hatte die Landmarke auf dem Lohberg leider noch nicht gebaut. Sonst stände vielleicht ganz fern am Horizont ein feiner silberner Strich. Ein weißer Kalksteindolmen, den der Mond bescheint. Einer von den Punkten zwischen dem Atlantik und Taschkent, die Herr Kortüm für so notwendig hielt zum Anhalten. Trockenen Auges starrte Konstanze in die gestaltlose Leere. Sie konnte nicht weinen. Auf der Bühne waren ihr ein paarmal die richtigen Tränen übers Gesicht gelaufen. Über sich selbst brachte sie keine Träne heraus.
Sie lag die lange Nacht und schlief nicht ein. Am Morgen brachte Brigitte das Frühstück.
»Ich bleibe heute liegen, Brigitte.«
»Ach, wo fehlt's denn? Soll ich den Doktor holen?«
»Bloß müde bin ich. Ich könnte immer schlafen.«
»Denn schlafen Sie sich nur zurecht. Es waren auch zuviel Rollen auf einmal. Bleiben Sie schön im Bett. Ich bringe die Post und die Zeitungen.«
»Bring's nicht. Das laß draußen.«
»'s is aber ein Telegramm dabei.«
»Dann erst recht nicht.«
Konstanze bekam ein Kissen in den Rücken. Das Tablett mit der Schokolade, dem Brot und dem Obst mußte Brigitte auf die Bettdecke setzen. Konstanze nickte ihr lächelnd zu: »Nun laß mich wieder in Ruh.«
Sie nahm einen Bissen und einen Schluck, dann mochte sie nicht mehr, streckte sich, lehnte den Kopf zurück und ließ die Arme müde auf der Decke liegen. Das Gefühl, sich nicht rühren zu dürfen, weil sonst der Porzellanaufbau ins Rutschen kam, tat ihr wohl. Sie hatte doch eine Aufgabe: ruhig mußte sie liegen. Folgsam mußte sie sein. Seit Jahren verdiente sie viel Geld. Seitdem brauchte sie nicht mehr zu folgen. Oder doch beinah nicht mehr – nicht so schmerzhaft wenigstens. Als ihr Vater ihre Monatsgage erfuhr, sah er sie über die Brille an: »Duuu?« hatte er besorgt gesagt. Der alte Mann kannte den Wertschwindel des Geldes. Nun war er lange tot. Ob eigentlich das Grab in Ordnung war? Sie mußte doch einmal hinfahren und nach dem Rechten sehen. Aber alle waren ja tot.
Ich bin beinah allein, und ich – ich habe gestern abend schlecht gespielt. Mein Gott, bin ich bloß da für die Menschen und bloß gut für sie, wenn ich gut spiele? Lohnt es dann, da zu sein? Wenn jetzt ihr Vater zu der Tür dort hereinkäme – oh, die Türe ginge einen Spalt breit auf: Morgen, mein' Tochter. Darf ich? Dann käme er herein: Nun? Ja, es ging ihm gut. Aber dieses Wetter. Er putzte seine Brille und ging auf und ab: Böse Zeiten, mein' Tochter. Es gibt Krieg. Ja, und wir sind wieder mal allein auf der Welt. Aber denen, die allein sind, hilft der Allmächtige. Der beste Nachbar, mein' Tochter – Was war von diesem herrlichen Mann noch über Erden? Ein Bündel Briefe, seine Brille, sein Klavier, Notenstöße – ja, und die Wanduhr. Konstanze hatte sie noch. Die Wanduhr war ihr teuer. Sie besaß kein Schlagwerk. Wenn er Klavier spielte, wollte er sich nicht plötzlich von der plumpen Zeit dazwischen gongen lassen: das fehlte noch, daß mir die Zeit die Tonart verdirbt. Das letzte Lied, das er ihr vorgespielt hatte, war »Du holde Kunst, ich danke dir dafür«. Konstanze holte tief Atem. Ihre Lippen wurden schmal wie ein Strich, und zwischen den Augen saß eine häßliche Falte – ja, holde Kunst, was auf der Welt kann quälen, wie du quälst!
»Ich sage nein« – Brigitte sprach gegen ihre Gewohnheit schrill und schnell – »nein, sag ich. Gnä' Frau is krank –«
»Auf ein Wort doch nur« – diese Stimme war die letzte, auf die Konstanze gefaßt war – da kamen feste Schritte, die Tür ging auf, Wingen riß sie wieder zu. Brigitte stand draußen. Mit drei langen Schritten war er an ihrem Bett. Konstanze wollte schreien, aber sie zuckte nur, zog die Knie an – krach, lag Porzellan, lag Schokolade auf dem Teppich. Langsam rollte ein Apfel durch das Zimmer.
»Scherben«, sagte Wingen. Er machte sich stark, sprach laut, nickte ihr zu, setzte sich auf ihren Bettrand und faßte lächelnd ihre beiden Handgelenke. Sie wurde schlaff und schloß die Augen.
143 »Konstanze.«
Die Frau lag still.
»Du!«
Wingen setzte sich näher und warf mit dem Fuß die Geschirrtrümmer beiseite, daß sie klirrten: »Du!«
Konstanze war aber doch stärker als der tapfere Mann. Sie machte ihre Augen nicht auf, als es klirrte. »Bloß Scherben«, sagte sie für sich hin.
»Wir haben vor Scherben keine Angst, Konstanze. Solange es Scherben gibt, sind wir lebendig.«
Blaß und schmal lag Konstanze in ihren Kissen. Wingen überkam ein Frösteln. Unterwegs zu ihr hatte er sich auf den Mann hinausgespielt: wer wußte besser Bescheid um Leben und um Männer als die große Schauspielerin, die dem Leben und dem Mann Abend für Abend entgegenspielte! Es ist so im Leben, sagte er sich. Was für ein »Es« ist so? Der Dichter versuchte sich an seinem Gedicht aus dem Sumpf zu ziehen: »Konstanze, wir – du und ich – beginnen doch jeden Tag von vorne, und du weißt es längst: alles Neue fängt mit Scherben an.«
Er strich ihr über das Haar. Konstanzes Arme waren nun frei, aber sie ließ die Arme liegen, wie sie lagen, rührte kein Glied. Wingen sah zartrote Stellen an ihren Handgelenken, und er hatte sie doch so vorsichtig angefaßt. Blaß und schwächlich lag sie in ihrem Bett. Er saß mit gesundem und vom Laufen gerötetem Gesicht vor ihr. Man braucht sich doch nicht zu schämen, weil man rote Backen hat. »Wir«, sagte er, »wir müssen uns scherbenfest machen« – wieder ein feines Dichterwort. Wenn er noch lange auf der Bettkante neben der armen Blässe sitzen blieb, schüttelte er die Gedanken vielleicht nur so aus dem Ärmel.
Konstanze sah ihn mit halbem Blick an. Es geht ihm gut, dachte sie. Sein Fortgang von ihr – von ihr zu dem gesunden Mädchen vom Lande, das ein bißchen Girlanden- und Maskenmachen gelernt hat – tut ihm wohl. Nur eins fehlt ihm: daß es mir nicht gut geht. Ich darf nicht leiden. Sonst fühlt er sich nicht völlig wohl. Wenn ich jetzt aus dem Bett springe und ihm was vorspiele, ganz gleich was, wenn ich ihm nur eine Maske hinhalte, irgendeine – dann ist's gut. Das ist eine Frau, sagt er dann und schreibt ein Lied auf mich: denen, die überwinden . . .
Es kam ein Ton aus ihrer Brust, der Wingen erschreckte: »Konstanze! Habe ich dir jemals verschwiegen, daß meine wahre Sehnsucht das lebendige Leben ist? Habe ich dir nicht jeden Tag gesagt, daß ich 144 im wirklichen Wirrsal draußen den Mann suche und das Weib? Habe ich dich je belogen?« – Er stieß in das zerbrochene Porzellan: »Da liegt's! Wir bauen aus Scherben! Du baust auch so!«
»O ja. Wie der gute Herr Kortüm einen wahren Scherbenberg«, sagte Konstanze.
»Ist's also nicht wahr, was ich sage?«
»Wenn du es aufschreibst, wird's wahr. Und nun geh.«
»Aufschreiben!«
»Dann werden es Buchstaben, dann Worte, dann Sätze. Und zuletzt wird es ein Buch« – Konstanze hob müde die Hand und ließ sie wieder auf die Decke fallen – »alles, was ihr sagt und was ihr dichtet, ist – schön, ist gut« – sie lächelte mit leisem Spott – »o ja, Friedrich Wingen: aber zwischen einem Vers und dem richtigen gemeinen Hunger ist mehr Raum für Gottes Liebe als zwischen Schlaf und Wachsein.«
Wingen sah sie groß an: »Nun sagst du mir zuletzt, ich machte bloß Reime aufs Leben?«
»Zuletzt . . . zuletzt hat der Mensch nur den Menschen. Und zuallerletzt die Erinnerung an ihn.«
Wingen beugte sich über sie: »Für unseresgleichen ist Einsamkeit nicht Unglück.«
»Nein doch!« schrie Konstanze plötzlich und hob sich im Bett hoch. – »Darum geh jetzt endlich!«
In der Nacht wachte Konstanze auf und las ihre Post.
»Ach, der gute Junge. Den habe ich vergessen«, sagte sie.
Klaus hatte in der Zeitung gelesen, daß die Aufführung des »Käthchen von Heilbronn« stattgefunden habe – aber sie sei nicht gut gewesen. Besonders die Schröter habe zur Verwunderung aller Sachverständigen versagt. Klaus hatte sich den Hut aufgesetzt und war den Ilmgraben entlanggelaufen. So! Hat sie mir eine Karte versprochen? Sie hat! Hat sie gespielt? Sie hat!! Und ich? Ich bin eben Luft für sie. Ein Nichts bin ich! Sie denkt einfach nicht an mich Null! Das ist's! Aber das Festspiel, das habe ich in Gang bringen können! Ihre großen Erfolge im Schottenhaus, die habe ich ihr vorbereiten können! Ist das der Dank?
Aber der Weg am Graben ist schmal und steigt von der Mühle an steil aufwärts. Klaus kam etwas außer Atem. Er ging ruhiger. Sie soll schlecht gespielt haben? Konstanze – schlecht gespielt? Das lag an 145 der Rolle! Ich habe es ihr ja gesagt. Und sie hat noch mit mir wetten wollen – eigentlich war Klaus, wenn er das bedachte, ein bißchen stolz auf sich. Nach langer Überlegung war er aufs Postamt gegangen und hatte an Konstanze Schröter diese Depesche geschickt: »Wette gewonnen. Schart.«
Das Telegramm hielt jetzt Konstanze in der Hand. Aber sie sah nicht das Papier und nicht die Maschinenschrift – sie sah eine unendlich weite wellige schneeglitzernde Landschaft. Mitten in diesem Glitzern und Funkeln lag zierlich, gelb und rot und bunt das Schottenhaus. Ein dicker alter Herr im schwarzen Rock, der wie ein Scherenschnitt in dem Weiß stand, wickelte mit ungeschickten Händen eine Krumentüte aus, Kreuzschnäbel kamen geflattert und Drosseln – und eine tiefe Stille und Ruhe lag über dieser Welt.
Gedankenvoll schnitt Konstanze einen Brief auf: Absender – Klaus Schart. Sie wunderte sich, obgleich dieser Brief nur die notwendige Folge der Depesche war. Kaum hatte Klaus nämlich am Schalter bezahlt, packte ihn die Reue: Ist das nicht unanständig – »gewonnen« zu schreiben? Was muß sie von mir denken?
Er wollte seinen Sieg über Konstanze wieder wettmachen, setzte sich hin und schrieb einen Brief. Da seine Reue unnütz tief war, wurde das Schriftstück unnütz lang. Er sei gesund, schrieb er. Sie hoffentlich auch. In Besenroda habe sich allerlei verändert. Herr Kortüm, erzählten die Leute, habe in einer Kirchengruft Feuer gelegt – es sei gar nicht zu verstehen. Vielleicht wäre es aber nicht wahr. Es sei ja fast alles nicht wahr. Eins stimme jedoch: nach seiner Rückkehr von einer Reise lebe Herr Kortüm ganz zurückgezogen. Was er treibe, wisse kein Mensch. Die Besenröder seien betrübt. Sie hätten doch gedacht, nach dem Festspiel werde es nun so weitergehen auf dem Schottenhaus, damit die Leute zu Gelde kämen. Aber nein: das Haus da oben sei wie eingeschneit. Den Leuten im Dorf ginge es schlecht. Maskenmacher Grees habe schon zugemacht, und Albrecht sei auch ohne Arbeit. Seine Tochter Lotte – sie wisse schon: Lotte, welche die Girlanden für das unvergeßliche herrliche Festspiel geflochten habe – die Lotte habe ganz von Hause fortgemußt – nichts sei mehr zu tun. Sie solle jetzt als Haustochter in der Stadt einen Dienst angenommen haben, sagen die Leute . . .
Der schreibt ja wie ein Schriftsteller – oder wie eine alte Dame, dachte Konstanze verwundert. Alle die kleinen Besenröder Schicksale hatte sie so beteiligt gelesen, als gingen sie diese Dinge etwas an.
146 Im Schottenhaus ist es also still – die Maskenmacherei hat ein Ende – manche Leute ziehen fort – sind schon fortgezogen . . .
Konstanze drehte die Nachttischlampe aus und lag im Dunkeln. Sie sah es schneien, schneien, schneien. Alles schneite zu. Nur Schneehaufen, nur Hügel, Klumpen aus Schnee lagen unterm blauen Nachthimmel dort, wo sich einmal Menschen abgequält hatten mit all ihrem dummen Zeug. In einen solchen Schneehaufen kriechen dürfen! Konstanze sah ein Eslein mit silbernem Sattel den Berg hinaufgehen. Kersch zieht an seiner Leine und schwenkt die gelbe Laterne in der Hand. Plötzlich tut sich eine Pforte in dem Schneeberg auf, Herr Kortüm reicht ihr den Arm. Führt sie in den Saal. Im Kamin brennen Buchenscheite. Der Tisch ist gedeckt, Silber, Veilchen, Kerzen – und der Wind draußen, der Schnee – auf jeder Fenstersprosse liegt ein dickes Polster – Herr Kortüm fängt an zu erzählen. Draußen schneit es lautlos weiter . . .
»Brigitte!«
Brigitte kam. »Packe die Koffer. Wir reisen. Ich muß Urlaub nehmen. Langen Urlaub. Ich bin fertig mit den Nerven. Hol den Sanitätsrat. Der schreibt mir schon das Zeugnis. In den Schnee muß ich. In die Winterfrische, Brigitte. Du kommst mit.«
Seit Tagen hatte Konstanze nicht so frisch ausgesehen wie in diesem Augenblick – nachts um zwei. Verwundert sah Brigitte ihre Herrin an – was war denn das?
»Je, ins Hochgebirge?«
»Die lange Fahrerei mag ich nicht. Ich gehe aufs Schottenhaus.«
Draußen schüttelte Brigitte den Kopf: »Nee. Verliebte. Früh zerschmeißen sie's Porzellan, am Tage schlafen sie, un nachts um zweie soll ich'n Koffer packen un'n Doktor holn, un so gut wie eben hat sie seit 'ner Woche nich ausgesehn.«