Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Des Schneider Windspiels versifizirter Liebesseufzer.

Susannchen! Sieh, hier sitze ich
Im Brand der Liebesflammen,
Und flicke, ach! mit Müh' für dich
Ein zärtlich Lied zusammen.

Beseelt von keuschem Liebessinn
Und ächtem Schneideradel,
Zielt stets mein Herz nach deinem hin,
Wie Faden nach der Nadel.

Wie schön kann meine Lichtvernunft
In deinem zarten Wesen,
Wie in dem Schild der Schneiderzunft
Den Ruhm des Meisters lesen.

Dein Häutchen ist wie Sammet weich,
Wie Borden sind die Zöpfchen,
Und deine Zähne weiß und gleich,
Wie Perlenmutterknöpfchen.

Wie Scharlach ist dein kleiner Mund,
Dein Härchen fein wie Seide,
Die Wänglein wie von Atlas, und
Dein Hälschen weiß wie Kreide.

Dein schöner Busen ist gemacht,
Die Arbeit zu versüßen,
Und ist, wer hätte das gedacht?
Das weichste Nadelkissen.

Des Liebchens Wuchs ist zart und fein,
O hätte ich, mein Täubchen!
Jetzt nur ein kleines Müsterlein
Von deinem schlanken Leibchen!

Als meine Liebesqualen dich
Vor Zeiten noch gejammert,
Da hielten uns're Arme sich
Wie Häftlein fest umklammert.

Da strahlten deine Aeugelein
Fast wie zwey Nebensonnen;
Kein Wunder, wenn vor ihrem Schein
Mein Herz wie Wachs zerronnen.

Allein, bei ihrem falschen Spiel
Ward bald der Himmel trüber,
Und meinen Löwenmuth befiel
Das stärkste Schneiderfieber.

Mein Herz, von deinem Wankelmuth
So jämmerlich betrogen,
Ist jetzt als wie mein Fingerhut
Durchlöchert und verbogen.

Denn deine Treue hat ein Loch
Und ist zerfetzt in Stücken;
O könnt' ich armer Windspiel doch
Dieselbe wieder flicken!

Wie gerne wollte ich dabei,
Blos deiner Ehre wegen,
Zum Unterfutter deiner Treu'
Die meine unterlegen.

Doch deine Treue hält nicht Stich,
Sie reißt an allen Ecken,
Der beste Fleck wird sicherlich
Den Schaden nicht bedecken.

Die Scheere deiner Rede ist
Geschliffen, uns zu scheiden,
Und will die Liebe mir mit List
Aus meinem Herzblatt schneiden.

Die Pfrieme deines Witzes, die
Sich gegen mich verschworen,
Will gleichfalls meine Sympathie
Mit Einem Stoß durchbohren.

Auch ist dein Züngelchen so spitz,
Bei meiner armen Ehre!
Als wenn dein Gürgelchen der Sitz
Der Nadelbüchse wäre.

Dein schöner Mund, voll eitlem Stolz,
Läßt mich nicht Wonne saugen,
Wiewohl in jedes Knopflochholz
Die gröbsten Knöpfe taugen.

Ach! wer von allen Zünften mir
Doch so ein Stiftchen nennte,
Das meines Herzens Bändel dir
Durch deines ziehen könnte!

Vielleicht gelänge es mir doch,
Aus deinem schwarzen Herzen
Mit meiner Zähren Lauge noch
Die Flecken auszumerzen.

Die Farbe der Beständigkeit
Kömmt gänzlich aus der Mode,
Und trüg' der Himmel nicht ihr Kleid,
Ich grämte mich zu Tode.

Ja, würd' ich nicht dabei in Pein
Und Todesangst gerathen,
Ich trennte durch dies Messerlein
Mir stracks des Lebens Nahten.

Allein, wie seine Stubenthür
Mein Schuldner mir verriegelt,
Blieb deines Herzens Eingang mir
Doch immerhin versiegelt.

Ich weiß, dein Herz ist nicht zu klein;
Hätt' ich das Maaß: ich wette,
Daß noch ein armes Schneiderlein
Darin ein Sitzchen hätte.

Für meine Treu' nur finden wir
Kein Meßband hier auf Erden,
Und sollten tausend Riß Papier
Dazu verschnitten werden.

Ja, nur für dich, die zum Gemahl
Ich künftig mir erwähle,
Glüht meiner Liebe Feuerstrahl
In meiner heißen Seele.

Denn mein Gewissen, blank und rein,
Gleich meinem Bügeleisen,
Wird deines Herzens Fältelein
Dann schon die Schranken weisen.

Das schönste Mädchen soll dich nicht
Aus meinem Herzen treiben;
Bis meines Lebens Faden bricht,
Wirst du mein Weibchen bleiben.

Und käme dir ein Stutzerrock
Mit einer seichten Mähre,
Als wenn ein Schneider nur ein Bock,
Und nicht ein Künstler wäre:

So sage mir einmal: Wer war
Der allererste Schneider?
Wer machte wohl dem ersten Paar
Im Paradiese Kleider?

Wer hat des Himmels Kleid gemacht?
Wer kann an all' vier Enden
Dasselbe noch vor Tag und Nacht
Mit sachtem Finger wenden?

Wer kann mit schäckigtem Gewand
So schön die Erde kleiden?
Wer wird sie einst mit leichter Hand
Durch Einen Schnitt zerschneiden? –

So lieferte mit Kunst und Fleiß
Der große Schneidermeister
Des Adels herrlichsten Beweis
Für uns erhab'ne Geister.

D'rum wird sich auch bei dir mein Glück
Im Himmel noch erweitern,
Denn in der ewigen Butik
Gibt's immer was zu schneidern.

Dann, liebes Kind! wird's anders seyn,
Wenn ich im Himmel sitze,
Dann tanzen tausend Engelein
Auf meiner Nadelspitze.

Von allen Engeln aber sey,
Das hab' ich mir geschworen,
Zum Schutzgeist meiner Schneiderei
Mein Suschen auserkoren.

Und zum Beweise, daß ich dir
Mein Künstlerleben weihe:
Nimm hier den längsten Kuß von mir
Als Muster meiner Treue! –

So traulich wird bei Spiel und Kuß
Dein Windspiel immer schäckern,
Und dir noch oft sein Pegasus
Ein zärtlich Liedchen mäckern.


 << zurück weiter >>