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Gewitternacht-Gemälde.

Mit gesenktem Wolkenflügel
Deckt der Abend Berg und Thal;
Sterbend zuckt am Tannenhügel
Noch ein matter Sonnenstrahl.

Leise webt die Nacht den Schleier,
Und des Mondes trüber Schein
Fällt wie krankes Leichenfeuer
Zitternd in den Waldstrom ein.

Vor des Klausners nied're Zelle,
Die Gesträuch und Moos besäumt,
Wälzt der Strom die dunkle Welle,
Die durch Felsen brüllend schäumt.

Jenseits schauen noch die Reste
Seiner Felsenburg herab,
Einst der Ahnen stolze Feste,
Jetzt ihr schaudervolles Grab.

Bange seufzen nun die Weste
Um die Stätte ihrer Ruh,
Und das Käutzlein fliegt dem Neste
Seiner dunkeln Wohnung zu.

Kreischend hat nach heißem Tage
Sich der Uhu aufgemacht,
Und mit trägem Flügelschlage
Segelt er nun durch die Nacht.

Schaurig, wie der Hauch der Grüfte,
Weht der Wind im bangen Laub,
Und aus finsterem Geklüfte
Schielt der Luchs und sinnt auf Raub.

Und mit rauschendem Gefieder
Fliegt der wilde Sturm heran,
Schwarze Wolken sinken nieder
Auf des Mondes stille Bahn.

Bange Dohlenschaaren schwirren
Und des Waldes Tiefe rauscht,
Und die schwachen Fenster klirren,
Wo der fromme Klausner lauscht.

Dunkel sieht man nur zuweilen,
Daß des Mondes Silberlicht,
Wenn die Wolken sich zertheilen,
Durch die trüben Scheiben bricht.

Aber in den schwarzen Schleier
Birgt er endlich sein Gesicht,
Als ein düsterrothes Feuer,
Durch das grause Dunkel bricht.

Immer näher kömmt's gezogen –
Horch – wie dröhnt es dumpf und schwer!
Wie empörte Meereswogen
Murmelt's aus der Ferne her.

Und mit wachsendem Gezische
Fährt aus dunklem Wolkensitz
Durch die wankenden Gebüsche
Schlängelnd der ergrimmte Blitz!

Schreckbar brüllt des Donners Stimme
Durch den finstern Eichenwald,
Der von ihrem Löwengrimme
Mit Entsetzen wiederhallt.

Und die Erd' im Fieberschauer
Blaßt wie eine Leiche ab,
Und die Welt, gehüllt in Trauer,
Düstert wie ein off'nes Grab.

Aus dem schwangern Wolkenschooße
Stürzen Flammen durch die Nacht,
Mit erschütterndem Getose –
Und der Stamm der Eiche kracht!

Von dem hohlen Schreckensschalle
Wird das bange Echo wach,
Und im fernsten Wiederhalle
Stöhnt's der Berg dem Berge nach.

Und der Greis in stiller Hütte
Faltet fromm die schwache Hand,
Sehnend schicket er die Bitte
Nach des Friedens fernem Land.

Ach! im dunkeln Erdenthale,
Das der wilde Sturm bedroht,
Sucht sein Blick mit bangem Strahle
Längst das gold'ne Morgenroth.

Und es sinkt die Wolkenhülle,
Leiser wird der Lüfte Spiel,
Ringsum waltet Todesstille
Und vom Himmel thaut es kühl.

Plötzlich fällt die schwarze Hülle,
Fliehend durch das dunkle Grün
Rauscht der Regen, und in Fülle
Stürzt er an das Fenster hin.

Lauter murmelt nun die Quelle,
Die aus nahem Felsen quillt,
Vor das Hüttchen dringt die Welle,
Die erbrausend höher schwillt.

Immer trüber stürzt der Regen,
Bis die düstern Wolken flieh'n,
Und mit dumpfern Donnerschlägen
Gegen die Gebirge zieh'n.

Wie in eine Gruft der Schimmer
Einer Lampe sterbend fällt,
So verglimmt der Zitterflimmer,
Der die düst're Nacht erhellt.

Aus zerriss'nem Wolkenschleier
Zieht der stille Mond heran,
Ruhig, in erhabner Feier,
Geht er seine dunkle Bahn.

Heller blinkt sein Silberschimmer
Auf des Waldes Hoffnungsgrün,
Ruhig sieht er auf die Trümmer
Und des Stromes Wogen hin.

Und der Greis im Mondenlichte
Mit des Bartes Silberschein
Und dem bleichen Angesichte
Oeffnet still das Fensterlein.

Und er fühlt sich hingezogen,
Wie von leiser Geisterhand,
Ueber Wolken, Sturm und Wogen
Zu dem heimathlichen Strand.

Da erfüllt ein süßes Bangen
Ihn mit ahnungsvoller Lust,
Und ein zitterndes Verlangen
Hebt die tiefbewegte Brust.

Auf sein Lager sinkt er nieder,
Harrend auf das Morgenlicht;
Nacht umhüllt die Augenlieder –
Hoffnung lächelt sein Gesicht.

Und es senkt der Mond die Blicke –
Sanft entschlummerte sein Freund,
Den er nach dem Mißgeschicke
Wie ein Friedensgott bescheint.

Zitternd küßt im Dämmerlichte
Ihn sein letzter Silberstrahl,
Und mit bleichem Angesichte
Flieht der Mond das öde Thal.

Und mit leisem Aetherflügel
Flieht erblaßt die scheue Nacht;
Sanft erröthen schon die Hügel,
Und der junge Tag erwacht.


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