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Allegorismus. Allegorismus ist die Kunstform, die bemüht ist, abstrakte Begriffe durch Vergleiche mit konkreten Dingen zu verdeutlichen. Natürlich hat der Allegorismus mit Symbolik nichts gemein, die nicht wie hier die Abstrakta durch figürliche Vorstellungen erklärt, sondern die Bilder anstelle der Begriffe setzt, um im Genießer eine gleichartige Stimmung auszulösen. Der Allegorismus ist eine durchaus überlebte Form in der Literatur, von der sich auch die bildenden Künste mehr und mehr emanzipieren.
Aristotelisches Prinzip. Das Prinzip der drei Einheiten im Drama, worunter man die Einheit von Ort, Zeit und Handlung in den verschiedenen Akten versteht.
Charakteristik. Charakteristik ist der Begriff, der die Aufgabe des Künstler bezeichnet, die seelischen Qualitäten der von ihm dargestellten Personen aus ihren Lebensäußerungen erkennen zu lassen oder herzuleiten.
Dekadenze. Der Begriff Dekadenze hat noch keine allgemeingültige Deutung in der Literatur erfahren. Er bezeichnet ursprünglich den Zustand eines kulturellen Niedergangs; jedoch scheint allmählich die Deutung allgemein Gültigkeit erlangen zu sollen, die unter Dekadenze im Gegenteil den Höhepunkt einer bestimmten Kultur erblickt, von dem aus eine weitere Steigerung nicht mehr ausgeht, sondern in dem die Keime des Niedergangs, der Degeneration, schon erkennbar sind. So kommt es, daß manche Künstler gegen andere den Vorwurf der Dekadenze erheben, um ihre Lebensunfähigkeit damit zu kennzeichnen, während andere die Bezeichnung als Charakteristikum eines kulturellen Gipfelpunkts für sich ostentativ in Anspruch nehmen.
Desillusionsmus, Desillusionisten. Im Gegensatz zu Illusionisten (siehe da) nennt man Desillusionisten diejenigen Künstler, die gar nicht die Absicht haben, mit ihren Werken den Schein der Wirklichkeit hervorzurufen, denen es lediglich darauf ankommt, daß ihr Kunstwerk, rein als solches allein betrachtet, wirke, einerlei, ob es die Illusion des realen Seins vorzutäuschen vermag oder nicht.
Dilettantismus. Unter dem Begriff Dilettantismus versteht man die Ausübung einer Kunst von unkünstlerischen oder künstlerisch ungeschulten Persönlichkeiten. Unter die Dilettanten zählt man daher besonders solche Leute, die eine Kunst »nebenbei«, also als Liebhaberei, betreiben.
Egozentralismus. Egozentralismus ist ein Begriff, der die Tendenz ausdrückt, sich selbst als Mittelpunkt alles Weltgeschehens zu empfinden; ein religiöses Gefühl also, das das eigene Ich des Dichters als Gott über Leben und Sein aller irdischen und kosmischen Dinge begreift, und besonders häufig in der neuesten Lyrik zum Ausdruck kommt.
Eklektizismus, Eklektiker. Dichter, die vielleicht eigene Erlebnisse wahrhaft, aber in überlieferten Formen wiedergeben, die sie von originalen Dichtern, denen sie sich irgendwie verwandt fühlen, übernommen haben.
Epigonentum. Epigonentum in der Literatur heißt die Abwesenheit einer neuen individuellen Note. Unter einem Epigonen versteht man einen Künstler, dessen Schaffensart sich so eng um die Denkweise oder die Technik alter Vorbilder anlehnt, daß seine künstlerische Persönlichkeit in der Entwicklungsgeschichte der Literatur einer überlebten Periode beigesellt werden muß.
Erotik. Der Ausdruck Erotik bezeichnet in der Literatur die Betonung der physiologischen Beziehungen zwischen zwei Menschen. Ein erotischer Dichter ist also ein solcher, der speziell die sinnliche Liebe zum Gegenstand seiner künstlerischen Arbeiten macht.
Esoterik. Ein von der griechischen Philosophie in die Literatur übernommener Ausdruck, der die Lehren bezeichnet, die die Philosophen nur den vertrautesten Schülern preisgaben – im Gegensatz zu Exoterik als Lehren für alle. Die Esoteriker sind demnach diejenigen Künstler, die sich nur an ganz intime Kreise wenden, die eine so verinnerlichte Kunst geben, daß sie auf eine Wirkung ihrer Kunst auf die Massen verzichten.
Essay. Unter einem Essay versteht man ein literarisches Produkt ohne künstlerische Konzeption. Die Form des Essay beschränkt sich also auf Deduktion. Der Schriftsteller gibt im Essay keine Handlung, sondern eine Abhandlung; ein Essay ist also eine Einzelabhandlung über eine Person oder einen Zustand, die in sich abgeschlossen ist.
Exposition nennt man die Art und Weise, wie ein Künstler die Vorgeschichte seines Dramas, Romans oder Epos mit der eigentlichen Handlung verflicht, das frühere und eigentümliche Leben seiner Menschen in das von ihm geformte Drama einmünden läßt.
Formalismus, ist die überwiegende Besorgnis um die Form eines Werkes, hinter das alle anderen Faktoren des künstlerischen Schaffens – meist zum Nachteil für die Eigenart des Werkes – zurücktreten.
Heimatkunst. Heimatkunst nennt man die Art Dichtung, die im Gang ihrer Handlung, in der Charakteristik der handelnden Personen, in sprachlicher und seelischer Hinsicht nur auf ein bestimmtes landschaftliches Milieu bezogen werden kann.
Illusionismus. Unter Illusionismus versteht man die – mehr oder weniger erreichte – Absicht des Künstlers, in seinem Werke die Illusion eines realen Geschehnisses, oder wenigstens eines in der Wirklichkeit Möglichen hervorzurufen.
Impressionismus ist die Art, nichts als Eindrücke von Menschen und Dingen wiederzugeben, und zwar möglichst so, wie sie der Künstler in dieser oder jener Stimmung, seiner eigenen und der seiner Umgebung, empfangen.
Ironiker. So werden eine Reihe moderner französischer Schriftsteller genannt, die sich nach Möglichkeit bestreben, in ihren Werken über den Personen und Dingen zu stehen, von denen sie schreiben. Sie schildern ganz objektiv das Leben und die Dinge, ihre Philosophie hebt sie hinaus und läßt mit gleicher Liebe – oder mit gleicher Kühle – alles betrachten und schildern.
Klassizismus. Die – dem Stoff und der Zeit oft wenig angemessene – Treue zur Kunstform der Klassiker, ein formales Epigonentum.
Kolorit. Die Farben, in denen eine Schilderung gehalten ist, der malerische Eindruck eines Werkes.
Kombination. Kombination bedeutet die inhaltliche Anlage einer Dichtung, auf Grund deren mit Hilfe der Exposition, der technischen Anlage, die Ausführung einer künstlerischen Arbeit erst in Angriff genommen werden kann.
Konzeption. Konzeption bedeutet im Gegensatz zur Exposition, die die formale und technische Anlage einer literarischen Arbeit bezeichnet, den gedanklichen Aufbau einer Dichtung, d. h. den Zusammenhang von Idee und Form, wie er sich vor Beginn der detaillierten kombinatorischen Arbeit als erste noch rein geistige Frucht des künstlerischen Wollens ergibt.
Mache. Mache heißt jene verpönte Art Literaturfabrikation, die mit Hilfe verstandesgemäßer Überlegung eine dem Wesen des Schriftstellers ganz fremde seelische Stimmung durch Vorspiegelung unwirklicher Empfindungen zu erwecken beschloß. Mache ist somit das Gegenteil von Kunst.
Milieu. Milieu bedeutet das Zusammenwirken der geologischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und künstlerischen Umstände, aus denen heraus ein Dichter sein Kunstwerk aufbaut, beziehungsweise die den Tenor und die Stimmung eines Kunstwerkes bedingen.
Moderne. Die Moderne nennt man in Deutschland die Literaturbewegung, die unter dem Einfluß der neufranzösischen Literatur in der sogenannten Literatur-Revolution der achtziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts mit den physiognomielosen Eklektikern der Mitte des vorigen Jahrhunderts aufräumte, und seitdem wirksam ist. Die Moderne bezeichnet demnach den Inbegriff aller seit dieser Zeit in Deutschland neu aufgetauchten Richtungen der Literatur, gleichviel von welchen Ausländern sie beeinflußt sein mögen.
Mystik. Mystik ist die Beherrschung des Kunstwerkes durch das Gefühl, die Ahnung des Übersinnlichen, unter Verzicht auf ein Erkennenwollen der irdischen Zusammenhänge. Der Mystiker will durch die Kunst, durch das Gestalten des rein Seelischen ein Gefühl für die letzten Dinge erwecken, indem er anstelle wissenschaftlicher Erfahrungen religiöse Stimmungen als Wahrheit behandelt.
Naturalismus. Naturalismus bedeutet Nichts-als-Wirklichkeitsschilderung. Das Instrument des Naturalisten ist die wissenschaftliche Physiologie, Der Naturalismus ist schließlich nichts mehr als ein Extrem, und das nur in Form einer Theorie, die Zola in seinen Arbeiten selbst nicht befolgt hat. Was ihn vom konsequenten Realismus, dem er zum Verwechseln ähnlich sieht, unterscheidet, ist eine gewisse großzügige Natursymbolik, ein Erbe Victor Hugos.
Okkultismus. Im Gegensatz zur Mystik hat der Okkultismus die Tendenz, den seelischen Vorgängen durch Erforschung des Überirdischen, des wissenschaftlich anscheinend Unfaßbaren, auf den Grund zu kommen. Zur okkultistischen Literatur zählen somit u. a. die Dichtungen, deren Inhalt dem Träume- und Geisterreich entnommen ist, deren logische Handlung aber dem menschlichen Vorstellungsvermögen sehr wohl faßbar ist.
Pathos. Pathos ist die nach außen produzierte innere Bewegung einer Persönlichkeit. Wenn man vom Pathos einer Dichtung spricht, so meint man damit die sittliche Tendenz, die der Gefühlswelt des Dichters innewohnt.
Pathetik. Pathetik ist der Begriff, der in der Literatur den Versuch bezeichnet, mit den äußerlichen Mitteln getragener Rhetorik und getragener Wortzusammenstellungen eine gehobene Stimmung zu erregen. Des Mittels der Pathetik bedient sich vor allem die Tendenzdichtung, um beispielsweise für patriotische oder revolutionäre Kämpfe Stimmung zu machen und Begeisterung zu erwecken. Die Pathetik kommt also in der Dichtung meist dann in Anwendung, wenn nicht eine individuelle Stimmung ausgedrückt, sondern wenn eine Massensuggestion erzielt werden soll.
Pornographie. Pornographie heißt die Richtung in der Literatur, die es darauf absieht, durch Thema und Darstellung sinnlich aufzureizen. Da das Wort im Sprachgebrauch allmählich eine etwas despektierliche Bedeutung erlangt hat, rechnet man unter den Begriff Pornographie meist nur diejenigen literarischen Produkte, denen ein künstlerischer Wert nicht beigemessen werden kann.
Realismus. Realismus bedeutet Wirklichkeitsschilderung. Historisch bedeutet »Realismus« die Tendenz, modernes Leben in die Dichtung einzuführen; so berief sich Balzac, der für den ersten großen Realisten angesehen wird, auf die physiologischen und sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse seiner Zeit, die in der Dichtung Nachhall finden müßten. Unter dem Einfluß der Geburtsstunde der exakten Wissenschaften wurde er dazu geführt, soziale Motive in den Vordergrund zu schieben. Mit dem sozialen Motiv stellte sich zugleich die Forderung ein, den Menschen in seinem Milieu zu schildern, ihn – was Taine später als ästhetische Forderung erhob – als Produkt seines Milieus zu zeigen. Das schloß aber romantische Schilderungen keineswegs aus. Balzac hat mit ruhigem Gewissen einen mystischen Roman geschrieben. Später kam ein »konsequenter Realismus« auf, der schließlich in Impressionismus auslief. Der »konsequente Realismus« verschmäht alles irgendwie Romanhafte und beschränkt sich auf peinlich genaue Mosaikarbeit nach der Wirklichkeit. (Huysmans in seiner ersten Periode.)
Rhetorik. Als Rhetorik bezeichnet man die Tendenz, mittels des sprachlichen Ausdrucks die vom Dichter gewünschte Gefühlswirkung zu erzielen, oder wenigstens der sich aus dem Inhalt der Dichtung ergebenden Stimmung auch formal Nachdruck zu verleihen.
Romantik. Unter Romantik versteht man eine bestimmte Richtung der Literatur, die sich zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts zuerst in Deutschland unter dem Einfluß der Tieck, Novalis, Schlegel usw. bildete, sich dann auch auf andere Völker übertrug. Der Begriff der Romantik war von Anfang an wenig feststehend, heute versteht man darunter die Kunstrichtung, die das Element des Phantastischen und Wunderbaren bevorzugt.
Stil. Stil nennt man den Ausdruck einer Persönlichkeit in der Literatur, wie er im Zusammenwirken der sprachlichen Mittel, in der Wahl der Worte, im Satzbau, in der Vokabelstellung usw. in die Erscheinung tritt. Der Stil ist einer der wichtigsten Kriterien zur Einschätzung der künstlerischen Bedeutung einer literarischen Persönlichkeit.
Symbolik. Unter Symbolik versteht man die Tendenz, dichterische Stimmungen durch Bilder und Vergleiche zu erzielen, die aus der Natur entnommen sind (Natur-Symbolik) oder aus der Gefühlswelt herbeigeholt sind, und die geeignet sind, durch das Erwecken bestimmter Vorstellungen und Erinnerungen im Genießer die gleiche Stimmung hervorzurufen, die den Künstler beseelt.
Symbolismus. Den Symbolismus vertraten zuerst in Frankreich eine Anzahl jüngerer Dichter, die um die Mitte der achtziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts auftraten, und sich zu dem herrschenden Naturalismus in scharfen Gegensatz stellten. Sie suchten ein Mystisches, traumhaft Unbestimmtes in Worte zu fassen und eine Art von Wortmusik zu schaffen.
Technik nennt man die Art, wie ein Kunstwerk ausgeführt ist, also das Handwerksmäßige. Die Technik bestimmt die formale Eigenart eines Künstlers, nicht nur bezüglich des Stiles, sondern auch bezüglich der ganzen Anlage.
Tendenz. Tendenz bezeichnet die Richtung, nach der die Ethik eines Kunstwerkes hinstrebt. Im engeren Sinne wird mit dem Begriff Tendenz auch eine bestimmte Absicht ausgedrückt, für die das Kunstwerk agitatorisch wirken soll. »Tendenziös« ist im literarischen Sprachgebrauch ein Ausdruck, der einen Tadel über die zu starke Hervorkehrung eines propagandistischen Zwecks einer Dichtung in sich schließt.
Tradition. Überlieferung. Auf das Leben eines Volkes angewandt, ein ununterbrochenes Geisteserbe in kultureller Hinsicht.
Virtuosität. Virtuosität bezeichnet die technische Fertigkeit in der Ausübung einer Kunst, unabhängig vom seelischen Gehalt des Kunstwerkes. Der Begriff wird häufig in tadelndem Sinne angewandt, nämlich wenn die, allerdings vollendete, handwerksmäßige Leistung im Gegensatz zum künstlerischen Werte hervorgehoben werden soll.