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Henryk Sienkiewicz. Es ist ein Irrtum, den viele begehen, wenn sie in Henryk Sienkiewicz, geb. 1846, einen Dichter erkennen wollen, der die Annalen der Weltliteratur um einen Namen bereichern könnte. Seine Bedeutung reicht nicht über die Grenzen Polens hinaus, mögen seine Bücher auch noch so gern gelesen und in alle Sprachen übersetzt werden. Befruchtend (und das ist das Ausschlaggebende, wenn man bei einem Dichter von internationaler Bedeutung sprechen will) hat er nicht gewirkt; dazu hat er zu wenig Physiognomie, dazu war sein Stil, seine ganze Art viel zu sehr in älteren Idealen befangen. Die Grundzüge seines Wesens sind zu rückständig und national, um für uns Westeuropäer ein psychologisches Interesse haben zu können. Das seine ethische Seite – nun seine ästhetische. Auch in der Technik geht Sienkiewicz längst betretene Wege, Wege allerdings, die für ihn die einzig möglichen sind. Nehmen wir beispielsweise seinen vielgelobten Roman »Quo vadis«. Auf einem Ballast von historischen Detailstudien baut sich der muskulöse Rumpf einer für differenzierte Kulturmenschen ganz ungenießbaren Handlung auf. Eine neue Perspektive zu dem im wesentlichen doch so interessanten Zeitalter Neros ist nirgends gefunden, weder eine soziale noch eine künstlerische. Wie veraltet die Fassung dieses Romans ist, dürften wir am besten verstehen, wenn wir ihn mit Flauberts herrlicher »Salambo« vergleichen, die doch der Zeit ihrer Abfassung nach fast ein halbes Jahrhundert früher fällt. Noch weniger als dieses jüngere Werk können seine früheren, fast sämtlich in die deutsche Sprache übersetzten Romane und Novellen überzeugen. Sie sind dem Stoffe nach fast alle aus dem heimatlichen Boden entsprossen. Wir nennen »Janko der Musikant«, »Die Tatarenknechtschaft«, »Mit Feuer und Schwert«. – Einen weiteren unbestrittenen Erfolg hatte sein großer Roman »Sintflut«, dessen Hintergrund die blutige Zeit des siebzehnten Jahrhunderts ist. Es muß anerkannt werden, daß der Dichter die Masse des Materials, das ihm hier vorlag, mit nicht wenig technischem Geschick geordnet, die historischen Momente zu der von ihm erfundenen Handlung in ein organisches Verhältnis gebracht hat. Aber auch hier fehlt der objektive Gesichtspunkt des modernen Menschen, der sich zum Vorteil seines sozialen Bewußtseins den Patriotismus abgewöhnt hat. 1892 wurde sein Roman »Ohne Dogma« in Deutschland bekannt, ein umfangreiches Wert, das seine Stärke ganz im psychologischen Detail suchen möchte, stellenweise auch wirklich viel Raffinement der Beobachtung erkennen läßt, das jedoch nicht als Folge eines künstlerischen Instinktes, sondern wieder auf Grundlage eines ungeheuren Apparates sich aufbaut, der den kritischen Leser immer zu der Bemerkung: »Im Schweiße seines Angesichts« verleitet. Als Frucht einer Reise gab Sienkiewicz unter anderem »Briefe aus Amerika« heraus, die später auch ins Deutsche übersetzt und formell und inhaltlich anerkannt wurden. Von weiteren historischen Romanen sind zu erwähnen: »Die Kreuzritter« und »Der kleine Ritter«.
V. H.