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Hermann Sudermann

Hermann Sudermann. Es ist noch nicht so lange her, daß die Münchner »Jugend« Hermann Sudermann (geb. 30. September 1857 in Matziken in Ostpreußen, lebt in Berlin) in einem Vergleich mit Goethe folgendermaßen ironisierte: »Früher warst du der Mann, jetzt ist's der Sudermann.« Und er war wirklich der Mann, von dem die Reformdurstigen Reformen erwarteten, bevor in Gerhart Hauptmann das offizielle Licht erkannt war. Er war modern, bevor noch die Moderne ihren Einzug gehalten hatte; er ist der älteste Prügelknabe der reaktionären Kritik, die ihm natürlich mehr genützt als geschadet hat. Ob er die Prügel von damals verdient hat oder nicht, wollen wir unentschieden lassen, dagegen müssen wir ein Pamphlet von Alfred Kerr erwähnen, das den Triumphator von 1890 auf den literarischen Rang eines Kotzebue reduzieren möchte. Leicht ist es, gerade in der Beurteilung Sudermanns einen Seitenweg neben den Extremen zu finden, wenn man versucht, seine gesamte Produktion kritisch zu ordnen, ihn nicht nur als Tantiemendramatiker, sondern als literarische Erscheinung überhaupt zu betrachten. Als solche wird er das Interesse, das ihm bisher auch die Berufensten entgegenbrachten, auch fernerhin behaupten.

Sudermanns Produktion wird bei einer kritischen Betrachtung zwei große Gruppen erhalten. Seine verdienten Erfolge als Epiker werden den ernst strebenden Künstler, seine lauten Bühnentriumphe den Virtuosen der Technik erkennen lassen.

Man darf wohl mit Recht sagen, daß wir in Sudermann einen unserer besten Erzähler schätzen dürfen. Die Vorzüge seiner Darstellung sind nicht etwa angelernte Resultate einer Selbst-Erziehung an Meisterwerken des Auslandes, sie sind angestammt, in der Atmosphäre des Landes gediehen, dessen Boden der Dichter selbst entstammt. Wenn man irgendwo den Ausdruck Heimatkunst mit Recht und Gewissen anwenden darf, so ist es hier für Sudermanns »Frau Sorge«, seinem erfolgreichsten Jugendwerk. Bei allen übrigen anerkannten deutschen Romanciers dieser Zeit, Wolzogen, Ompteda usw. und auch bei den jüngeren, wie bei Wassermann, Viebig, Thomas Mann, tritt das rein Epische hinter dramatischen und lyrischen Momenten viel mehr zurück. Die liebevolle Detailschilderung, die wir so gern mit dem technischen Ausdruck »homerisch« bezeichnen, finden wir bei Sudermann wie bei keinem anderen Deutschen. Das ist ein Zug, den er mit Zola gemeinsam hat, ohne natürlich die elementare Wucht des Franzosen zu erreichen. Weniger abgeschlossen als das genannte Werk waren die 1888 erschienenen »Geschwister«, die, wie der gleichfalls sehr umfangreiche Roman »Es war« 1894, an dem Überwuchern des Ornamentes Schaden litten. Viel konzentrierter und abgeklärter dagegen sind wieder der »Katzensteg« 1889 und insbesondere die von einem feinen, leichten Humor getragene Novelle »Jolanthes Hochzeit«, die ein kleines Meisterwerk ihrer Art darstellt. Sudermann brachte viel Temperament und eine glänzende Beobachtungsgabe mit, so daß es anfangs schien, als sollte er den deutschen Roman zu jener Blüte bringen, wie sie Zola dem zeitgenössischen französischen Roman beschert hatte. Was ihn hierin scheitern ließ, war sein innerstes Wesen, das den Dichter verdarb, dem Schriftsteller Kränze erwarb. Das »Flackernde«, man kann mit Recht sagen das »Flatterhafte« seiner Persönlichkeit verleitete ihn zur Feuilletonisterei, die er mit starken ersten Strichen begonnen hatte. Wäre er etwas schwerfälliger gewesen, es wäre vielleicht seine Rettung als Künstler geworden, aber er war zu französisch, um ein echtes deutsches Kunstwerk schaffen zu können.

Wie im Romane, so war ihm auch im Drama der Realismus der älteren Franzosen vom Schlage Dumas und Augier vorbildlich. Aber er blieb nicht lediglich Schüler dieser wahren Künstlernaturen. Er sollte noch in andere Hände geraten. – Schon 1880 hatte Lindau seine »Gräfin Lea« auf die Bretter gebracht, und der berüchtigte Adolf L'Arronge mit seinen Rührstücken »Mein Leopold«, »Dr. Klaus« usw. debütiert und den Konflikt von Vorderhaus und Hinterhaus gestreift. Ob Sudermann sein Lieblingsthema, das ihm als Grundlage seiner Schablone dient, von den beiden übernommen hat, soll dahingestellt bleiben; gewiß ist, daß er sie in ganz ähnlicher Weise mit allem Raffinement ausgestaltete, und in seinen für ihn charakteristischen dramatischen Arbeiten sich ihrem Bannkreis nicht mehr entziehen konnte. Das gilt von seiner »Ehre« (1890) und von seinen folgenden, ganz in realistischem Ton gehaltenen Familiendramen: »Das Glück im Winkel«, »Heimat«, »Sodoms Ende«, »Fritzchen« und »Johannisfeuer«. In der Konkurrenz mit Hauptmann und anderen erfolgreichen Dramatikern ließ sich der Bühnengewaltige verleiten, auf andere Gebiete überzugreifen, wie seine mißglückten Versuche im »Johannes« und »Den drei Reiherfedern« beweisen. Später kam er wieder zum Realismus zurück, ohne den kritischen Angriffen eine wirkliche dichterische Tat gegenübersetzen zu können. »Es lebe das Leben« ist ganz französische Mache, »Sturmgeselle Sokrates« alles eher als eine gute deutsche Komödie.

V. H.


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