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Gustave Flaubert

Gustave Flaubert. Die realpoetische Richtung, wie sie Balzacs Romane angebahnt hatten, fand einen glücklichen Fortsetzer in Gustave Flaubert, geb. 1821 in Rouen, der seinerseits wieder der Lehrmeister Maupassants wurde. Wegen der starken Wirkung, die seine Werke auf die keimenden Talente des Naturalismus ausübten, kann man ihn gewissermaßen als dessen Propheten anschauen. Was seinen Einfluß auf Deutschland betrifft, so erging es ihm hier lange Zeit wie so vielen französischen Romanciers, die wohl in schlechten Übersetzungen von obskuren Verlegern verbreitet wurden, weil der Hunger des Büchermarktes nach ihnen und ihrer realistischen Nacktheit in Gedanken und Schilderung verlangte, deren literarischer Bedeutung man jedoch auch in Literaturkreisen blind gegenüberstand. Erst in ganz jüngster Zeit beginnt man in Flaubert den großen Apostel zu sehen, dessen großartiges Kompositionstalent, dessen Farbenpracht in den Schilderungen kein späterer übertroffen hat. – Ursprünglich unter dem Einflusse Viktor Hugos und Byrons stehend, sagt er sich bald von der Romantik los, um in seinem ersten großen Romane »Madame Bovary«, 1857, dem Naturalismus Zolas und der Brüder Goncourt Bahn zu brechen. Der Roman erzählt die Geschichte einer »Unverstandenen« aus der Provinz, deren Schicksale mit einem fast grausamen Realismus in meisterhafter, streng geschlossener Form enthüllt werden; dazu kommt eine raffinierte Psychologie, die auf das Publikum ähnlich faszinierend gewirkt hat wie die psychologische Detailkunst eines späteren Werkes des Dichters, der »L'éducation sentimentale. Histoire d'un jeune homme«, das 1869 erschienen ist. Flauberts weiteres Werk, der bedeutendste Roman, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt geschrieben wurde, ist die »Salambo«. Auf einer Fahrt nach Tunis erhielt Flaubert die Anregung zu diesem historischen Stoffe. Der Aufstand der karthagischen Söldnertruppen zur Zeit Hamilkars gab das Gerippe für das gigantische Bild der alten Meerstadt, das der Dichter vor unseren Augen aufstehen läßt. Die geniale Schöpferkraft, die den Menschen dieses verschleierten Kapitels der Kulturgeschichte neues Leben einhaucht, der große Griff, der mit unerbittlicher Realistik die Seele des Altertums in ein modernes künstlerisches Gewand gezwungen hat, machen das Buch zu einem der großartigsten Dokumente der Weltliteratur. Die bei Reclam erschienene Übersetzung von Robert Habs verdient Erwähnung, weil sie wirklich hervorragend ist. Eine kulturgeschichtliche Note hat auch die ein wenig in die Breite getretene, aber geistreiche und glänzend stilisierte »La tentation de Saint Antoine«, 1874. Auch als Novellist bewies Flaubert nicht weniger glänzende Eigenschaften, 1877 veröffentlichte er seine »Drei Erzählungen«. Weniger erfolgreich als diese Prosastücke war das 1874 im Vaudevilletheater aufgeführte »Le Candidat« und sein letzter, von einer stark pessimistischen Weltanschauung diktierter Roman »Bouvard et Pecuchet«, 1881. Nach seinem Tode erschienen noch seine »Briefe an George Sand« und seine »Correspondence«, 1830 – 80.

V. H.


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