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Heinrich Hart

Heinrich Hart, geboren 1855 in Wesel, lebt in Berlin. Seine Bedeutung beruht, ebenso wie die seines Bruders Julius, auf der Rolle, die er zu Beginn der modernen Literaturbewegung als Richtungsweiser spielte. Die in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts von den beiden Brüdern herausgegebenen Zeitschriften »Kritische Waffengänge«, »Die deutschen Monatshefte« und andere Blätter gleicher Tendenz zogen in der denkbar schärfsten Tonart gegen die Marlittsche Art Gartenlaubenliteratur zu Felde, und verhalfen den jungen anstürmenden Geistern zum Wort und allmählich auch zur Anerkennung. Was Heinrich Hart selbst als Dichter geleistet hat, sind mehr gute Ansätze als wirklich künstlerische Taten. Schon als Siebzehnjähriger gab er einen Gedichtband heraus, »Weltpfingsten«, jugendlich-kraftvolle Verse, deren Eindruck aber von einer übertriebenen, oft inhaltlosen Pathetik stark beeinträchtigt wird. Diese Pathetik tritt auch in all seinen späteren Schriften hervor, in Prosaarbeiten wie in Dichtungen. Selbst in seinem Trauerspiel »Sedan«, das Napoleon III. zum Helden hat, stören oft langwierige, feierliche Deklamationen die im übrigen recht starke Wirkung der dramatischen Handlung. Auch den verschiedenen Prosadichtungen, die Hart herausgegeben hat, wie »Kinder des Lichts« und die Erzählung »Mose«, liegt eine Weltanschauung zugrunde, die in pathetischen Worten mehr als in gedanklicher Tiefe zum Ausdruck kommt. Heinrich Harts wichtigstes und weitaus bedeutendstes Werk ist das groß angelegte Epos »Das Lied der Menschheit«, das in 24 Büchern die wichtigsten Kulturepochen der Menschheitgeschichte behandeln sollte, von dem aber nur drei Bände erschienen sind: »Tull und Nahila«, »Nimrod« und »Mose«. Von einem weiteren Bande »Renaissance« sind bisher Bruchteile veröffentlicht worden. In diesen Epen spricht sich eine große Weltauffassung und ein stark empfindendes Temperament aus. Dabei sind sie formal und klanglich außerordentlich gut durchgearbeitet und enthalten Bilder, Farben und Vergleiche von echt dichterischer Kraft. Seit Ende der neunziger Jahre geriet Heinrich Hart völlig unter den Einfluß der von seinem Bruder vertretenen, wirren und epigonenhaften Weltanschauung, und seitdem haben seine Arbeiten nicht nur inhaltlich an Bedeutung und Tiefe verloren, sondern sind auch künstlerisch immer schwächer und markloser geworden. Seine Beiträge in den von ihm und seinem Bruder gemeinschaftlich herausgegebenen Propagandaschriften der »Neuen Gemeinschaft«: « Vom höchsten Wissen« und »Die neue Gemeinschaft« verlieren sich völlig in pathetischen Wortschwelgereien, wenngleich seine Sprache auch hier immer noch klarer und verständlicher bleibt als die von Julius Hart. Als literarisch wertvoll kommen aber nur die Schriften in Betracht, die vor der Begründung der »Neuen Gemeinschaft« entstanden, einem groß gedachten sozialen Experiment, das aber zum Fiasko verurteilt war durch die »Weltanschauung«, auf die die Teilnehmer verpflichtet wurden. Selbst als Kritiker ist Heinrich Hart seitdem nicht mehr entfernt auf der Höhe von ehedem. Während er (ebenso wie Julius Hart) früher in der »Täglichen Rundschau« Kritiken schrieb, die ebenso geschätzt wie gefürchtet waren, schreibt er seine Buch- und Theaterrezensionen jetzt im »Tag«. Die zahlreichen Anthologien, die Heinrich Hart in seinen guten Tagen herausgab, »Das Buch der Liebe« (mit Julius Hart), »Italienische Novellen« (gleichfalls), »Deutsches Herz und deutscher Geist«, ebenso wie die »Kritischen Jahrbücher« (mit Julius Hart) beweisen ein außerordentlich verständnisvolles Erfassen des Zeitgeistes. Nicht unerwähnt darf auch die Begründung des von Kürschner weitergeführten »Literatur-Kalenders« bleiben, die den Brüdern Hart zu danken ist.

E. M.


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