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Arthur Schnitzler. In Arthur Schnitzler (geb. 1862 in Wien, lebt ebenda) erstand der österreichischen Literatur ein moderner Dichter ersten Ranges. Sein literarisches Porträt muß in ähnlicher Beleuchtung betrachtet werden wie das Gerhart Hauptmanns und der meisten Dramatiker, deren Sprungbrett der Naturalismus gewesen ist. Schnitzler ist vor allem Dramatiker, aber nicht ausschließlich. Wie seine Novellen »Sterben«, »Leutnant Gustl« und sein Roman »Berthas Garten« beweisen, hat er auch die Prosaliteratur unserer Zeit bereichert. Die psychologische Studie »Sterben« besonders besitzt alles, was die naturalistische Technik an Schätzen entdeckt hat, in einen verhältnismäßig engen Rahmen zusammengedrängt. Schnitzlers Eigenart als Novellist ist wohl am besten charakterisiert durch den Hinweis auf seine Behandlung des Prosadialogs. In seinen Szenen »Anatol« und »Reigen« hat er sozusagen eine Mittelstufe der dramatischen und epischen Technik geschaffen, welche das Raffinement dieser Art, Wirkungen des Ausdrucks und der Situation zu erreichen, besonders scharf ausprägt. Eine französische Leichtigkeit und Schmiegsamkeit der poetischen Mittel, wie sie bei Prévost, Paul Hervieu und Jeanne Marni in der sogenannten Kauserie sich findet, ist auch Schnitzler eigen. Er hat diese Kunstform nach Deutschland eingeführt. Ein tieferes Eingehen auf die Eigenheiten und Seltsamkeiten eines Milieus, das vielleicht Grazie und Liebenswürdigkeit besitzt, ließ ihn zu einem der trefflichsten Schilderer der weichlichen wienerischen Art werden. Die eigentümliche Mischung von Schmerz und Humor, eine elegische Weichheit neben der Grämlichleit des Alltags, die er seinen besten Prosawerken gegeben hat, findet sich auch in Schnitzlers dramatischer Produktion wieder.
Seinen ersten Erfolg verzeichnete er mit der »Liebelei« 1896. Sehen wir von einigen technischen Schwächen und der stellenweise durchbrechenden Sentimentalität ab, so bleibt ein prächtiges, ergreifendes, kleines dramatisches Gemälde übrig, dem wir unsere Sympathien nicht versagen können. Es ist die spezifische Tragödie des Wienertums, aus dessen Atmosphäre sie ganz herausgewachsen ist. Das rastlose Ausschöpfen der Stimmung ist auch hier die Krone von Schnitzlers Eigenart. Seine auf Versöhnung aller Gegensätze gerichtete Weltanschauung trägt alle Gedanken und Empfindungen und mildert die Tragik der Konflikte, ohne sie innerlich zu schädigen.
Die gleiche Virtuosität im Auftragen und Abstimmen des Kolorits verraten Schnitzlers Einakter »Paracelsus«, »Die Gefährtin« und »Der grüne Kakadu«. Besonders das letztere ist ein kleines Kabinettstück. Der historische Hintergrund in seiner grotesken Einkleidung vollendet den starken Gesamteindruck, der dem Werke überall gesichert blieb. Sehr geeignet zur Aufführung erwies sich auch der zweite Einakter-Zyklus »Lebendige Stunden«, der rasch über alle größeren Bühnen Deutschlands und Österreichs ging. Die feine Psychologie der Szene »Literatur« und die etwas gewagte, aber technisch höchst bemerkenswerte »Frau mit dem Dolche« gehören zu dem Reifsten, was Schnitzler gelungen ist. Zwischen diesen beiden Einakterzyklen liegt das historische Drama »Der Schleier der Beatrice«, das sich trotz aller seiner Schönheiten nicht behauptete. Der Grund wird wohl in den vielen Längen, an denen das Stück leidet, und der damit verbundenen Abschwächung der dramatischen Spannung zu suchen sein.
V. H.