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Multatuli (Eduard Douwes Dekker), geb. 1820 zu Amsterdam, starb 1887 zu Nieder-Ingelheim in Rheinhessen. Multatuli war ein Mann, der als niederländischer Staatsbeamter nach Indien kam, dort die Korruption und Vergewaltigung der Eingeborenen durch die niederländische Regierung mit eigenen Augen kennen lernte, und, nachdem seine Versuche, dort in amtlicher Eigenschaft Remedur zu schaffen, an dem Widerstand der selbst pekuniär interessierten allerhöchsten Instanzen gescheitert waren, ungeachtet der sozialen Not, der er entgegenging, seinen Posten aufgab, um nun die Öffentlichkeit aufzuklären und aufzurütteln. Er tat das zuerst in seiner Schrift »Max Havelaar oder die Kaffeeauktionen der niederländischen Handelsgesellschaft«, die mit künstlerischem Schwunge, im Gewande einer hinreißenden Erzählung eine glühende Anklage gegen das behördlich sanktionierte verrottete System darstellte, das in den niederländischen Kolonien herrschte. Auch in allen weiteren Werken zeigt sich Multatuli als ebenso fein empfindender Künstler wie begeisterter Freiheitskämpfer. Die »Minnebrieve«, wohl dichterisch das schönste seiner Bücher, geben in Form eines Briefwechsels zwischen ihm, seiner Frau und seiner Freundin, die er zugleich als Traumwesen symbolisiert, ein Bekenntnis seiner nach Gerechtigkeit und Freiheit lechzenden Seele. In den »Ideen«, philosophisch und sozial gefärbten aphoristischen Betrachtungen, zeigt sich sein fein ästhetisches Urteil und seine tiefe Kenntnis der menschlichen Psyche. Auch das Schauspiel »Die Fürstenschule« behandelt freiheitliche Fragen in dichterisch außerordentlich packender Weise. Durch seine bitteren Erfahrungen hatte Multatuli gegen die breiten Massen des Publikums eine tiefe Verachtung ergriffen, und die Verbindung dieser Verachtung mit der heißesten Menschheitsliebe und der nie verzweifelnden Hoffnung auf eine bessere Zukunft verleihen seinen Werken die wahrhaft ergreifende Wirkung, die sie ausüben. Durch die Übertragung seiner Werke ins Deutsche hat sich Wilhelm Spohr ein dauerndes Verdienst erworben.
E. M.