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Paul Heyse

Paul Heyse. Das historische Kostüm, in dem sich Paul Heyse (geb. 1830 zu Berlin, lebt in München) präsentiert, hat manchmal einen modernen Mantel. Dieser Umstand, sowie der, daß der Dichter noch als ein Lebender in unseren Reihen steht, daß er noch sozusagen ein Mitringender ist, mag uns veranlassen, ihn in einer Betrachtung der modernen Literatur, zu der er im strengsten Sinne ja nicht mehr gehört, zu nennen. Wir wollen es gerne vergessen, daß er in einem mittelmäßigen Romane »Merlin« den Naturalismus angegriffen hat und sich so in bewußten Gegensatz zur Moderne stellt, dagegen seiner trefflichen Novellen gedenken, mit denen er auch den Jüngsten manchen brauchbaren technischen Wink gegeben hat. Wie über so viele, hat auch über Paul Heyse und die Art seines dichterischen Prozesses der dänische Kritiker Georg Brandes das zutreffendste Urteil gegeben. Er vergleicht Heyse mit dem Plastiker oder Gestaltenmaler, der seinen geistigen Gesichtskreis zunächst mit allerlei Formen und Körpern bevölkert sieht, aus denen er dann Konturen, Profile und Eigentümlichkeit der Stellung und des Ganges, die ihn interessieren, herausgreift und fixiert. Heyse ist gewiß eine harmonische Natur, und er ist sich über seine künstlerischen Tendenzen wie keiner klar. Es gelang ihm, der deutschen Novelle, die unstreitbar vor ihm ein wenig kultiviertes Gebiet gewesen ist, wieder zu dem Ansehen zu verhelfen, das sie als eine dichterische Lieblingsgattung unserer Zeit besitzt. Er ist gewissermaßen der Begründer des neueren novellistischen Stiles in Deutschland. Auch theoretisch hat sich Heyse mit der Novelle beschäftigt. Mit Hermann Kurz gab er 1870 den »Deutschen Novellenschatz« (24 Bände) sowie den »Novellenschatz des Auslandes« (14 Bände), ferner mit Ludwig Laistner den »Neuen Deutschen Novellenschatz« (24 Bände) heraus, drei von kurzen Charakteristiken begleitete Sammlungen von Novellen, die mit außerordentlich feinem Verständnis ausgewählt worden und erst unlängst wieder neu aufgelegt sind (Berlin, Globus Verlag). In der Einleitung hierzu betont er seine theoretische Forderung bezüglich dieser Kunstgattung und stützt sich dabei auf eine reiche Kenntnis der Weltliteratur. Seine besten Leistungen auf diesem Gebiete, die mehr als ein Tummelplatz zukünftiger Literaturhistoriker bleiben werden, sind »L'Arrabiata«, »Melusine«, »Der Dichter und sein Kind« und »Die Stickerin von Treviso«.

V. H.


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