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Ich hatte gerade«, begann Kommissar Roxey vor dem Chef der Polizei, »einen harten Kampf zu bestehen mit einem gewissen Jaques Molando, Direktor der Seidenfirma Molando & Co., als Detektiv Warren, den Sie ja gestern persönlich mit der Seidenraubsache aus dem Hudson betraut haben, zu mir kam und mich bat, mit ihm zu Ihnen zu kommen.«
»Molando«, fuhr Roxey fort, »ist ein gebürtiger Franzose, leicht erregbar, aber ein Geschäftsmann durch und durch. Er ist fast in die Luft gegangen. Seine Firma hat ihren Sitz drüben in New Jersey. Vor etwa drei Monaten ist ein Angestellter von ihm mit den Lohngeldern angefallen und beraubt worden. Das gehört zwar nicht unmittelbar in meine Abteilung, aber es ist wichtig im Zusammenhang mit dem, was er heute zu sagen hatte. Und er hat es nicht gerade liebenswürdig gesagt, sondern hat einen Krach geschlagen, mein Gott! Aber Molando hat auch Ursache dazu, aufgeregt zu sein.«
»Die Raubaffäre auf dem Hudson«, erklärte Kommissar Roxey weiter, »fällt durchaus in unser Rayon, und wir haben auch nicht die mindeste Absicht, uns unserer Verantwortlichkeit zu entziehen. Eine schauderhafte Geschichte. Aber was mir Molando gezeigt hat, macht sie noch schauderhafter. Hier, sehen Sie sich bitte folgendes Schreiben und diese Rechnung von der Firma Murdock & Co. in New York an. Es wird darin Bezug genommen auf die Lieferung einer ziemlich bedeutenden Sendung Seide, Marke ›Universal‹, und die Rechnung lautet auf den betreffenden Betrag abzüglich zwei Prozent Skonto bei Zahlung innerhalb von zehn Tagen. Nun behauptet Molando, diese Firma habe ihm heute morgen in aller Frühe genau dieselbe Ware geliefert, die ihm auf dem Hudson gestohlen worden ist. Er erklärte mir, daß er ohne die ›Wasserköpfe von Kriminalbeamten‹ den Beweis dafür erbringen könnte, und zeigt mir das hier!«
Roxey wickelte ein schmales, dünnes Stück Pappkarton vorsichtig aus seiner Umhüllung. Es hatte ungefähr die Länge und Breite eines Seidenballens, war ganz offensichtlich orientalischer Herkunft und trug das aufgeprägte Monogramm der Firma Molando & Co.
»Molando schwört, daß es die gleiche Ware ist, die für ihn in Japan hergestellt worden ist, und daß sich ein solches Stück Pappe in jedem der Ballen Seide befindet, die ihm von der Murdockschen Firma in der unerbrochenen Verpackung der japanischen Fabrik, aber in Kisten der Firma Murdock umgepackt, geliefert worden seien. Wie stellen Sie sich zu dieser Angelegenheit?«
»Es scheint mir ein Beweis dafür, daß die Murdocksche Firma die gestohlene Ware weitergehandelt hat,« erwiderte der Polizeichef ohne alles Zögern, »aber vermutlich werden die Leute schon eine Ausrede zur Hand haben. Hören wir erst einmal, was Warren zu berichten hat. Ich habe ihn gestern beauftragt, sich hinter einen gewissen Gregory zu machen, der in Murdocks Firma beschäftigt ist. Doch zuerst möchte ich wissen, was Sie Molando gesagt haben.«
»Gott, ich habe ihn zunächst zu beruhigen versucht. Ich habe ihm klargemacht, daß, wenn die Sache ihre Richtigkeit hätte, damit nur bewiesen wäre, daß die Kriminalpolizei so viel Beamte unterwegs haben müsse, wie der Hudson Wassertropfen, enthielte. Und das wäre doch schließlich genau so unmöglich wie die Postierung von einem Detektiv auf jedem Quadratmeter New-Yorker Bodens. Aber der Mann wurde nur noch ausfallender. Er fragte mich, ob ich vielleicht erwartete, daß seine Firma darauf warten sollte, bis wir genügend Leute hätten, und inzwischen eine viertel Million Dollar an die Leute bezahlen sollte, die ihm vermutlich seine eigene Ware gestohlen hätten. Aber da kam zum Glück Warren und bat mich, mit zu Ihnen heraufzukommen. Ich habe Molando davon natürlich nichts gesagt, sondern nur, daß ich mit Ihnen Rücksprache nehmen müßte.«
»Sehr richtig. – Na, Warren, nun reden Sie mal.«
»Ich komme direkt von Murdocks Geschäftshaus. Ich glaube, ich bin auf der richtigen Fährte. Gregory ist ein gerissener Verbrecher. Molando hat vollkommen recht. Es ist seine Seide. Aber kein Gericht ist in der Lage, Gregory wegen dieses Stücks Pappe allein schuldig zu sprechen. Außerdem hat Murdock keine blasse Ahnung davon, daß Gregory ein Verbrecher ist, Murdock ist, wenigstens soviel ich weiß, unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Bitte sehen Sie sich das hier an und urteilen Sie selbst.«
Damit entfaltete Warren die verschiedenen Geschäftspapiere und Briefe. Die beiden Herren hörten seiner ruhigen Erzählung aufmerksam zu, seiner Beschreibung und Wiedergabe des Gespräches mit Murdock sowohl wie seiner Schilderung der kleinen, verängstigten Bureauangestellten mit den verstohlenen Blicken, von der Warren ausdrücklich betonte, daß sie von Gregory und nicht von Murdock angestellt worden sei, da er sich als Chef der Firma nicht um derartige Einzelheiten kümmere.
»Es ist nicht unsere Aufgabe,« erklärte Warren, »Verbrecher vor Gericht zu bringen, wenn wir nicht klare Beweise haben, die zu ihrer Verurteilung führen müssen. Gregory legt aber hier ein Material vor, das er so sorgfältig vorbereitet hat, daß seine Beweiskraft durch Molandos Aussage und selbst durch die Pappeinlagen in jedem Seidenballen nicht zu erschüttern ist. – Ich stelle mir vor, wie ich die Sache betrachten würde, wenn ich in Gregorys Haut steckte und wegen dieses Diebstahls oder Teilnahme daran angeklagt wäre. Wenn ich noch so schuldig wäre – woran ich bei Gregory nicht zweifle –, würde ich mich glatt hinter diese geschäftliche Korrespondenz, hinter die Zollquittungen, die Frachtkisten und all das übrige verschanzen. Ich würde dem Gericht gegenüber frech behaupten, daß, wenn irgend etwas Unrechtes mit der Seide geschehen ist, die Ware bereits in Japan gestohlen worden sein müsse, damit die telegraphische Order rechtzeitig erfüllt werden konnte. Ich würde meine Auffassung schon genügend glaubhaft zu machen verstehen, und ganz beruhigt dem Urteil der Geschworenen ins Auge sehen, soweit meine Person in Frage käme.«
»Daran hat Molando sicher nicht gedacht«, meinte Kommissar Roxey. »Aber er weiß ja auch nicht, was wir wissen.«
»Sie haben eben eine Einschränkung gemacht,« sagte der Polizeichef zu Warren, »Sie haben gesagt: ›Soweit Gregory in Frage käme.‹ Denken Sie die Sache bitte genau durch! Woraus entnehmen Sie mit solcher Sicherheit, daß Gregory ein Verbrecher ist und Murdock nicht?«
»Ich kann es natürlich nicht mit Sicherheit wissen, aber ich kann mir nicht denken, daß Murdock ein Verbrecher ist. Bei Gregory bin ich felsenfest überzeugt davon«, erwiderte der junge Detektiv. »Ich habe einen ziemlich festen Beweis dafür. Erinnern Sie sich an meine Vermutung und meinen Argwohn wegen des ›Masken-Micky?‹«
»Selbstverständlich. Haben Sie Beweise?«
»Teilweise. Gregory liefert selber Beweise genug. Alle Einzelheiten dieses Seidengeschäftes laufen durch seine Hände, im Namen von Murdock. Ich bin überzeugt, daß er seinen Kompagnon hintergeht. Er ist nämlich Teilhaber der Firma, wie ich gestern festgestellt habe, und nicht nur sein Angestellter. Ich habe ferner festgestellt, daß er höchst unziemlich hinter Murdocks Tochter her ist, und daß sie seine Annäherungsversuche schroff abgelehnt hat. Ich weiß aus ihrem eigenen Munde, daß sie befürchtet, ihres Vaters Beziehungen zu Gregory würden unheilvolle Folgen für ihn nach sich ziehen, wenn sie es nicht vielleicht schon getan hätten. Sie hat mich als den Mann, der ihrem Vater das Leben gerettet hat, inständig gebeten, mich darum zu kümmern, was wohl der Grund sein könnte, daß Murdock so viel von Gregory hält. Und das habe ich heute vormittag herausbekommen.«
»Und was wäre der Grund?« fragte der Chef.
»Mit einem Worte gesagt: der Kleinkram des Geschäftes. Murdock überläßt Gregory alle Einzelheiten. Sonst hätte ich ihn vermutlich auch wegen seiner verbrecherischen Manipulationen in der Seidensache nicht festnageln können. Ich möchte meinen Kopf dafür einsetzen, daß ich Gregorys Schuld beweisen kann, wenn ich auch bis jetzt noch nicht alle Tatsachen beisammen habe. Aber bitte, sehen Sie sich das hier an!«
Warren fischte aus den Papieren das Telegramm heraus, das die Order auf die Seide enthielt.
»Gregory hat mir das Telegramm gezeigt. Aber was er mir nicht gezeigt hat, ist die telegraphische Bestätigung der Order, um die darin ausdrücklich gebeten wird. Dies Fehlen der Antwort beweist, daß Gregory seinem Chef oder vielmehr seinem Kompagnon gegenüber ein falsches Spiel gespielt hat; denn wenn es nicht der Fall wäre, hätte er mir unbedingt auch die betreffende Antwort vorgelegt. Molando hat schon recht. Und Gregory hat aller Wahrscheinlichkeit nach bei dem Diebstahl seine Hand im Spiel gehabt.«
»Aber das ist noch nicht alles,« fuhr Warren fort, »ich weiß natürlich noch nicht genau, wie sich die Dinge ereignet haben. Aber ich kann es mir einigermaßen vorstellen. Bei der Gesellschaft in der Murdockschen Villa habe ich den ›Masken-Micky‹ gesehen. Micky gehört nicht zu der Sorte Leute, die sich Miß Murdock einlädt. Ich habe ihr selbstverständlich nichts davon gesagt, daß ich Micky gesehen habe. Aber als sie mir von Gregorys unheilvollem Einfluß sprach, habe ich sie ganz beiläufig gefragt, wen sie eigentlich alles eingeladen gehabt hätte. Und sie erzählte mir, daß ein paar Freunde von Gregory und von einer Dame dabei gewesen wären. Die Dame habe ich auch kennengelernt. Es ist eine ganz hübsche junge Witwe, sehr überschwenglich, von der Sorte, die ihr Herz immer auf der Zunge tragen. Wenn ich etwas Ruhe habe, werde ich aus ihr schon herauskriegen, ob ich mich geirrt habe, daß der ›Masken-Micky‹ dabei war. Aber wenn Micky als Freund von Gregory eingeladen gewesen ist, dann ist es ein untrüglicher Beweis dafür, daß er wenigstens mit einem notorischen Verbrecher in näheren Beziehungen steht. Mit wie vielen anderen außerdem noch, das werde ich schon herausfinden.«
»Wenn nun Gregory, dem Murdock rückhaltlos alle Einzelheiten des Geschäfts anvertraut,« argumentierte Warren weiter, »den Betrag, den ihm sein Kompagnon für den Import der Seide aus Japan zur Verfügung gestellt hat, nicht zu diesem Zwecke verwendet hat, dann muß er das Geld für sich plus gemacht haben. Ich habe Mr. Murdock, während er mich in seinem Geschäftshaus herumführte und mir alles genau erklärte, übrigens gefragt, ob die betreffende Seide sich noch in seinen Händen befände. Er hat mir, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, zugegeben, daß er darüber nicht Bescheid wisse. Er müsse erst im Bureau nachsehen lassen. Nachdem er mir dann noch alles Mögliche über den Seidenmarkt und die Knifflichkeiten des ganzen Geschäfts erzählt hatte, unter anderem auch, daß eben alle Einzelheiten von Gregory besorgt würden, beauftragte er seinen Kompagnon, er möchte die kleine, ältliche Person veranlassen, ihm – Murdock selbst – die Unterlagen aus der Korrespondenz herauszusuchen.«
»Tatsächlich?« unterbrach ihn der Polizeichef mit einem hörbaren Fragezeichen. Er wollte damit Warrens ehrliche Auffassung durchaus nicht in Zweifel ziehen, aber er mußte daran denken, daß Inspektor Montrose ihm erzählt hatte, er hätte bereits stichhaltige Verdachtsmomente gegen Murdock in Händen. Der Inspektor hatte gerade kurz vorher die vierte Revolverkugel zu ihm ins Zimmer gebracht. Sie lag in demselben Schreibtisch, auf dem Warren seine Beweisstücke vor dem Polizeichef ausgebreitet hatte.
»Murdock erklärte mir übrigens, daß er mir zum Beweis dafür, wie hoch er die Tätigkeit der Polizei einschätze,« fuhr Warren fort, »die ganzen Papiere und Dokumente überließe. Außerdem wollte er mir damit klarmachen, wie knapp er selbst einem Diebstahl entgangen sei. Ich hatte ihn meinerseits nicht darum gebeten, mir die Papiere zu zeigen. Ich wollte Gregory stellen. Als er sie mir vorlegen ließ, hatte ich ihn bereits als gefährlichen Verbrecher erkannt. Nicht auf Grund der Papiere, sondern wegen einer ganz anderen Tatsache.«
»Und die wäre?« fragte der Polizeichef ziemlich barsch.
»Als ich zu Murdock ins Bureau kam, war er gerade ausgegangen. Aber da ich mich telephonisch angemeldet hatte, wurde ich von der vorhin erwähnten Angestellten in sein Privatzimmer geführt. Murdock muß ein peinlich genauer Geschäftsmann sein. Sein Bureau beweist es jedenfalls. Es spricht deutlich von Geschäften und nicht etwa von dunklen Machenschaften. Es war in tadelloser Ordnung und ist ganz modern eingerichtet. Was ich mit alledem zunächst nicht recht zu vereinbaren vermochte, war die Tatsache, daß die betreffende Angestellte auch zu der Verbrecherbande gehört hat, die früher in der ›Alten Mühle‹ ihr Standquartier hatte. Ich traute meinen Augen kaum, als ich mich der ›Haken-Mary‹ Mallory gegenübersah, dieser alten, berüchtigten Brieftaschendiebin, die vor Jahren, als ich noch Schutzmann im 22. Bezirk unten in der westlichen 32. Straße war, einmal einen Kameraden von mir zu Boden geschlagen hat.«
Das Lächeln in Warrens Augen flackerte und erstarb. Für einen Augenblick schlossen sich seine Lippen fest aufeinander. Dann fuhr er fort.
»Mary Mallory hatte den Schutzmann zu Boden geworfen und trampelte auf seinen Beinen, auf seiner Brust und schließlich auf seinem Gesicht herum. In diesem Augenblick kam ich um die Ecke und nahm sie fest. Sie sah mich an und sagte: ›Na, mein Jungchen, du gefällst mir schon besser. Du scheinst mir ein netter Kerl zu sein. Paß mal auf, wie ich dein Loblied singen werde! Jetzt kannst du mich abführen. Eine Geldstrafe will ich gern bezahlen.‹ Und ich habe sie abgeführt. Sie ist wirklich mit einer Geldstrafe davongekommen, zu meinem größten Ärger. Ihr Bruder gehörte auch zu der Brownie-Joe-Bande in der ›Alten Mühle‹ genau so wie der ›Masken-Micky‹. Aber ich will wieder zur Sache kommen. Murdock erzählte mir, daß Gregory die Person engagiert hätte. Er sagte es zwar nicht direkt, aber seine Worte waren: ›Sie ist genau so lange bei mir im Geschäft wie Gregory. Kleinkram, alles Kleinkram.‹ Ich habe also bereits zwei belastende Punkte gegen Gregory. Die andere Sache, die mit ihm und dem ›Masken-Micky‹, muß ich noch aufdecken«, schloß der jugendliche Beamte.
»Sind Sie auch sicher, daß es die ›Haken-Mary‹ ist?« fragte der Polizeichef.
»Ich bin mir wirklich ganz sicher. Aber ich habe dies ganze Zeug hier«, Warren deutete auf den Haufen Geschäftspapiere, »nicht zu dem Zwecke mitgebracht, den ich Mr. Murdock genannt habe. Ich wollte Gregory ein Schnippchen schlagen mit dem, wozu ich jetzt Ihre offizielle Erlaubnis erbitten möchte. Ich weiß, daß man seinerzeit die Daumenabdrücke der ›Haken-Mary‹ gemacht hat, obwohl man sie mit einem Verweis und einer Geldstrafe aus Angst vor ihrem ›einflußreichen‹ Bruder hatte laufen lassen. Ich möchte aber die Fingerabdrücke, die sie heute auf den Papieren gemacht hat, gern in der Personalabteilung mit den damaligen vergleichen. Dann werde ich genau wissen, ob ich mich geirrt habe oder nicht. Über Gregory werde ich auch über kurz oder lang Bescheid wissen. Ich glaube aber, ich werde binnen kurzem so weit sein. Ich werde meine ›gesellschaftliche‹ Rolle ausnutzen, wie Sie es mir geraten haben, und wenn ich mir einen Frack anziehen muß, um ihn zu fassen. Er soll mir nicht entwischen, wenn er der Verbrecher ist, für den ich ihn halte. Und den Seidenraub werde ich bei dieser Gelegenheit auch zur Erledigung bringen, denn wenn ich Gregory erst wegen der Beteiligung an irgendeinem Verbrechen festhabe, wird das Gericht schon keine Bedenken mehr wegen mangelnder Beweise haben und ihn gründlich verknacken.«
»Sie haben durchaus den richtigen Gedankengang, Warren, und ich freue mich, zu sehen, daß Sie auf Ihrem Posten sind«, entgegnete ihm der Polizeichef. »Also seien Sie weiter scharf hinter Gregory her und halten Sie mich auf dem laufenden wie bisher.«
Roger Warren grüßte dienstlich stramm. In seinem Gesicht lag eine energische Entschlossenheit, als er die Papiere zusammenschob und sich entfernte.
Kommissar Roxey setzte seine Besprechung mit dem Polizeichef fort. Sie dauerte nicht sehr lange. »Ich pflege im allgemeinen prinzipiell Geschäftsleuten in ihren Nöten keine Ratschläge zu erteilen,« sagte der Polizeichef mit einem etwas galligen Lächeln zu Kommissar Roxey, »aber ich glaube, in diesem Falle kann ich eine Ausnahme machen. Molando soll sich ein paar Tage Ruhe auf dem Lande gönnen und inzwischen von einem seiner Leute im Geschäft einen höflichen Brief an Murdock & Co. schreiben lassen. Ich sehe eben, daß der Brief mit der Rechnung mit ›Harry Gregory, zweiter Direktor‹, unterzeichnet ist. Also Molando soll ihm schreiben lassen, daß er die vertragsmäßige Lieferung der Seide bestätigt. Er mag hinzufügen lassen, daß sich der Direktor Molando zur Zeit auf Urlaub befindet, daß er aber unmittelbar nach seiner Rückkehr die Angelegenheit offiziell zum Abschluß bringen wird. Ich nehme an, daß damit genügend Zeit für Warren gewonnen wird.«
Die Angelegenheit wurde entsprechend behandelt. Molando war gern damit einverstanden. Dies geschah etwas vor elf Uhr vormittags. Kurz vor zwölf Uhr hatte Warren den Beweis dafür, daß ihn sein Gedächtnis nicht betrogen hatte, denn die Fingerabdrücke auf den Murdockschen Geschäftspapieren stimmten genau mit denen überein, die man vor so viel Jahren nach der damals Aufsehen erregenden Episode von der »Haken-Mary« genommen hatte.
Den Beinamen »Haken-Mary« hatte sie sich in der Verbrecherwelt wohlverdient gehabt. Sie konnte boxen wie ein berufsmäßiger Faustkämpfer. Das war natürlich zu der Zeit gewesen, als sie in der Blüte ihrer Jugend stand. Sie maß sich mit den Freunden ihres Bruders und schlug manchen »Haken«, daß es eine Lust war. Kein Wunder also, daß ein Schutzmann, der von ihren Boxkünsten keine Ahnung hatte, von ihr einen »Knock-out« versetzt bekam, wenn er es sich einfallen ließ, sie sozusagen von der Straße weg zu verhaften.