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Viele Vögel giebt es; Manche lieben diesen,
Manche jenen wieder;
Einer macht beliebt sich durch Gesang, der andre
Durch sein bunt Gefieder.
Doch der Vogel, den ich mir erkor, verstehet
Nichts von Sang, und beide:
Er und ich ... wir gehen einfach halb im schwarzen,
Halb im weißen Kleide.
Mir ist von den Vögeln all' der Storch der liebste;
Ihn, den allertreu'sten
Mitbewohner meiner süßen Heimatstätte,
Lieb' ich wohl am meisten.
Möglich, daß ich deshalb ihn so liebe, weil ich
Mit ihm auferzogen;
Als ich in der Wieg' noch weinte, kam er klappernd
Ueber mich geflogen.
Mit dem Storch verlebt' ich meine Kinderjahre.
War ein ernster Knabe.
Abends, wenn die Kinder die nachhausezieh'nden
Kühe neckten: habe
Sacht ich mich in unsrem Hof am Binsenschober
Oftmals hingekauert,
Und der jungen Störche erste Flugversuche
Still für mich belauert.
Oft – ich weiß es – sann ich, wenn mir die Gedanken
So durch's Köpfchen gingen:
Was doch nicht die Menschen, gleich den Vögeln, kommen
Auf die Welt mit Schwingen?
Mit den Füßen kann man in die Fern', doch nimmer
Durch die Lüfte gehen,
Doch was soll die Ferne mir? wenn ich mich sehne
Nach den Himmelshöhen.
Auf zur Höhe strebt' ich. O, wie hab' der Sonne
Loos ich stets geneidet,
Die das Haupt der Erde mit 'nem lichtgewob'nen
Goldnen Hut bekleidet.
Doch mich schmerzte, daß sie abendlich, durchstochen,
Roth im Blute schwimmet –
Also wäre Jedem, dacht' ich, der da leuchtet,
Solch ein Lohn bestimmet? ...
Kindern ist willkommen stets die Zeit des Herbstes;
Einer Mutter gleichend
Naht sie, ihren Kleinen aus dem vollen Korbe
Süße Früchte reichend.
Ich doch sah im Herbste meinen Feind, und sagte,
Wenn er kam mit Trauben:
Ei, behalt' die Gaben, wenn Du meinen lieben
Vogel Storch willst rauben.
Schweren Herzens sah ich's, wenn sie dann versammelt
Sich zum Wanderfluge;
Wie nach meiner Jugend jetzt, die schon entschwindet,
Blickt' ich
nach dem Zuge.
Ach, die leeren Nester auf den Dächern zeigten
Gar so düstre Lücken,
Ahnungs-Zephyr wehte mir es
zu, als dürft' ich
In die Zukunft blicken.
Wenn zur Wintersneige ihren weißen Schneepelz
Abgelegt die Erde,
Daß ein dunkelgrünes, blumenreichgeschmücktes
Prunkgewand ihr werde:
Warf auch meine Seele sich in Festgewänder,
Und in frohem Drange
Lenkt' ich meine Schritte nach dem Nachbarhotter
Hin, zum Storch-Empfange.
Als der Funke ward zur Flamme dann, ein Jüngling
Wurde aus dem Kinde:
Brannte mir der Boden unter meinen Sohlen;
Auf ein Roß geschwinde
Schwang ich mich und sauste mit verhängtem Zügel
In die fernen Pußten ...
Daß sich selbst die Winde, um uns einzuholen,
Tüchtig sputen mussten.
Ach, ich lieb' die Haide! Nur da draußen fühl' ich
Ganz mich frei; im Kreise
Kann das Auge schweifen hin, wo's ihm beliebt, in
Ungehemmter Weise.
Nicht umstehn mich drohend da die finstern Felsen,
Ueber die im wirren
Lauf die Bäche schäumen, daß es klingt, als wollten
Sie mit Ketten klirren.
Sagt mir nicht, die Haide sei nicht schön! Des Schönen
Giebt es hier in Fülle,
Doch sie birgt es züchtig, wie die Maid ihr Antlitz
In des Schleiers Hülle;
Freunden, Wohlbekannten lässt sie ihre Reize
Unverschleiert sehen,
Und das trunkne Auge sieht entzückt ein Mädchen
Aus dem Reich der Feen!
Ja, ich lieb' die Haide! Oft schweift' ich zu Pferde
Hin durch ihre Fluren,
Und an Stellen kommend, wo man selbst für Geld nicht
Findet Menschenspuren:
Saß ich ab vom Pferde, warf mich auf den Rasen,
Blick' zum nahen Weiher
Flüchtig nur hinüber und – wen seh' ich dorten?
Meinen Storchenreiher.
Bis hieher begleitet hat er mich. Da draußen
Schwärmten wir nun beide:
Er sah in das Wasser, ich dagegen blickte
Nach der Fee der Haide.
So verlebte Kindheit ich mit ihm und Jugend,
Drum muß ich ihn lieben,
Ist auch seinen Federn Glanz – und seiner Kehle
Sang versagt geblieben.
Und noch heute lieb' ich meinen Storchenvogel,
Und betracht' den Alten
Als das einzig Wahre, das ich aus durchträumter,
Schön'rer Zeit behalten. – –
Deiner Ankunft harre jährlich ich entgegen
Immer noch mit Freuden,
Und 'ne gute Reise wünsch' ich stets dir altem,
Altem Freund beim Scheiden!