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XX

Draußen im Schutz, hinter dem Giebel des Wohnhauses, saß Kongstrup gut eingepackt und starrte mit nichtssagenden Augen vor sich hin; die blasse Wintersonne schien gerade auf ihn herab und gaukelte ihm Frühlingsbotschaft vor. Die Spatzen trieben ihr munteres Spiel im Sonnenschein um ihn herum. Seine Frau ging ab und zu, um ihn beschäftigt, hüllte seine Füße wärmer ein und kam mit einem Schal, den er über die Schultern haben sollte. Sie berührte ihn warm mit Brust und Armen, indem sie den Schal von hinten über ihn breitete. Und er erhob langsam den Kopf und ließ seine Hand über die ihre gleiten. Und da blieb sie dann eine Weile stehen, die Brust an seine Schulter gelehnt, und sah auf ihn herab wie eine Mutter, mit Augen, die im glücklichen Besitzen ruhten.

Pelle kam über den Hof geschlendert, er leckte sich den Mund. Er hatte die Geschäftigkeit der Hausfrau benutzt, um in die Meierei hinabzuschleichen und einen Trunk saurer Sahne von den Mägden zu ergattern und sie ein wenig zu foppen. Er strotzte von Gesundheit und schlenderte so glückselig sorglos dahin, als gehöre ihm die ganze Welt.

Es war geradezu unmanierlich, wie er wuchs und verschliß – ganz unmöglich, ihn ordentlich in Kleidern zu halten! Er steckte seine Glieder lang aus jedem Kleidungsstück heraus, das er anbekam, und vertrug sie ebenso schnell, wie Lasse sie nur anschaffen konnte. Fortwährend mußte Neues für ihn angeschafft werden, und kaum hatte man die Augen im Kopf herumgedreht, so hatte er auch daraus die Arme und Beine schon wieder lang herausgejagt. Stark wie eine Eiche war er; wo es etwas zu heben galt oder etwas anderes, was keine Ausdauer erforderte, da mußte sich Lasse von ihm ausstechen lassen.

Auch Selbständigkeit hatte er sich zugelegt, der Bursche; es wurde mit jedem Tage schwerer, sein Vaterrecht geltend zu machen. Aber das würde jetzt kommen, sobald Lasse Mann in seinem eigenen Haus war und mit der Faust auf den eigenen Tisch schlagen konnte – aber wann würde das geschehen? So wie die Sachen jetzt lagen, sah es im Grunde so aus, als wenn die Obrigkeit nicht willens war, daß er und Madam Olsen auf anständige Weise zusammenkommen sollten. Bootsmann Olsen hatte ja seinen Heimgang redlich angekündigt, und Lasse meinte, daß jetzt nur noch das Aufgebot zu bestellen sei. Aber die Obrigkeit fuhr fort, Schwierigkeiten zu machen und sich zu winden auf echte Advokatenmanier. Bald war da eine Frage, die untersucht werden mußte, und bald eine andere; da waren Fristen und Aufforderungen an einen toten Mann, sich bis zu der und der Zeit einzustellen – und der Teufel und seine Großmutter. Das Ganze wurde nur hinausgeschoben, damit die Handhaber des Gesetzes sich so recht dick dabei mästen konnten.

Den Aufenthalt auf Steinhof hatte er gründlich satt; jeden Tag mußte Pelle dieselben Klagen mit anhören: »Es is 'ne saure Arbeit von früh morgens, wo man aufsteht, bis man sich abends wieder hinlegt – tagaus, tagein, das ganze Jahr hindurch, als wenn man in Sklaverei wär'! Und die Bezahlung dafür reicht kaum aus, um den Rücken ordentlich zu bedecken. Nichts kann man auf die hohe Kante legen, und wenn man eines schönen Tages verbraucht is und zu nichts nich' mehr taugt, kann man sich an das Armenwesen wenden!«

Am schlimmsten von allem aber war doch das Verlangen, einmal wieder für sich selbst zu arbeiten. Das saß Lasse wie ein Seufzer im Fleisch. Seine Hände konnten förmlich krank werden vor Sehnsucht nach dem Gefühl, mit seinem eigenen Hab und Gut zu tummeln. In letzterer Zeit grübelte er beständig darüber nach, ob er nicht die Sache übers Knie brechen und mit seiner Braut ohne Recht und Gesetz zusammenziehen solle. Sie war dazu bereit – das wußte er –, ihr war sehr daran gelegen, eine Manneshand im Hause zu haben. Und geredet wurde ja doch über sie; es konnte nicht viel schlimmer werden, wenn er und der Junge als ihre Einlogierer galten. Namentlich wenn sie auf selbständige Arbeit gingen.

Aber der Junge war nicht dazu zu überreden; er war zu besorgt um die Ehre. Jedesmal, wenn Lasse die Saite anschlug, wurde er so sonderbar störrisch. Lasse tat so, als wenn es Madam Olsens Auflage sei und nicht die seine. »Ich bin ja im Grunde auch gar nich' so sehr dafür« – sagte er, »die Leute werden sich ja gleich das Schlimmste denken! Aber hier können wir doch nich' in alle Ewigkeit bleiben und uns jede Faser vom Körper abrackern, für nichts und wieder nichts. Und nich' mal frei atmen kann man hier auf 'm Hof – immer is man gebunden.«

Pelle antwortete nicht darauf; er war nicht so stark in der Begründung, aber er wußte, was er wollte.

»Wenn ich nu eines Nachts von hier ausriß, denn denk' ich, kämst du mir nachgetroddelt.«

Pelle schwieg noch immer.

»Ich glaub' wirklich, ich tu es – denn dies is nich' zum Aushalten. Nu mußt du schon wieder neue Schulhosen haben, wo soll das herkommen?«

»Ja, tu du es man – denn tust du, was du sagst!«

»Ja, du kannst es woll auf die leichte Achsel nehmen,« sagte Lasse mißmutig, »du hast die Zeit und die Jahre vor dir! Aber ich werd' alt, und ich hab' keinen Menschen, der sich um mich kümmert.«

»Helf' ich dir denn nich' bei allem?« sagte Pelle vorwurfsvoll.

»Ja – ja, freilich, du tust dein Bestes, um es mir zu erleichtern, das muß man dir lassen. Aber siehst du, da sind gewisse Sachen, die du nich' – da is etwas –« Lasse stockte. Was konnte es nützen, zu einem Jungen von dem Verlangen eines Mannes zu reden. »Du solltst nich' so halsstarrig sein, das solltst du wirklich nich'!« Lasse strich bittend über den Arm des Jungen.

Aber Pelle war halsstarrig. Er hatte schon genug gelitten unter den Sticheleien der Kameraden in der Schule und hatte verschiedene Prügeleien ausfechten müssen, seit es ruchbar wurde, daß Lasse Madam Olsen ihr Schatz war. Wollten sie nun gar vor aller Augen zusammenleben, so war es nicht zum Aushalten. Pelle war nicht bange vor einer Prügelei; aber er mußte das Recht auf seiner Seite haben, wenn er ordentlich um sich hauen sollte.

»Ja, denn zieh' du zu ihr! Ich geh' denn fort von hier.«

»Wo willst du denn hin?«

»In die Welt hinaus und reich werden!«

Lasse erhob den Kopf wie ein altes Dragonerpferd, das das Signal hört; dann fiel er in seine gebeugte Stellung zurück.

»In die Welt hinaus und reich werden – jawoll,« sagte er zögernd, »so hab' ich auch gedacht, als ich in deinem Alter war – aber das geht nich' so leicht, wenn man nich' mit dem Siegerhemd geboren is.« Lasse schwieg und stieß sinnend die Streu mit dem Fuß unter eine Kuh. Er war sich nun freilich nicht ganz sicher, ob der Junge nicht doch am Ende mit dem Siegerhemd geboren war. Er war eine Spätgeburt; die waren immer zu dem Schlimmsten oder zu dem Besten bestimmt, und dann hatte er die Glückslocke an der Stirn, die bedeutete ein gutes Fortkommen. Fröhlich war er und voller Gesang – und eine leichte Hand hatte er zu allem. Alle gewann er durch die Beschaffenheit seines Gemüts. Sicherlich lag das Glück irgendwo da draußen und wartete auf ihn.

»Aber dazu is es vor allen Dingen nötig, daß man ordentlich kunfirmiert is. Nimm du lieber deine Bücher und lern' deine Aufgaben, damit du nich' zurückgewiesen wirst! Ich will woll fertig futtern.«

Pelle nahm seine Bücher und setzte sich oben in den Futtergang, mitten vor dem großen Stier. Er lernte halblaut. Lasse ging hin und her, eifrig beschäftigt. Eine ganze Weile dachten beide nur an ihre Arbeit. Da kam Lasse zu ihm hin – die neuen Bücher, die Pelle für die Konfirmationsstunden bekommen hatte, reizten ihn.

»Is das die biblische Geschichte, das da?«

»Ja.«

»Steht das da drin von ihm, der sich besoffen hat?«

Lasse hatte es schon längst aufgegeben, das Lesen zu erlernen – er hatte keinen Kopf dafür. Aber er war noch immer voller Interesse für alles, was der Junge vorhatte. Die Bücher übten eine eigene Zaubermacht auf ihn aus. »Was kann da nu woll stehen?« konnte er verwundert fragen und auf etwas Gedrucktes zeigen, oder: »Was lernst du denn heute Merkwürdiges?« Pelle mußte ihn von Tag zu Tag darüber unterrichten. Und dieselben Fragen kehrten häufig wieder, Lasse hatte kein gutes Gedächtnis.

»Ich mein' den, dem die Söhne die Hose 'runterzogen und die Scham ihres eigenen Vaters entblößten?« fuhr Lasse fort, als Pelle nicht antwortete.

»Ach, Noah!«

»Ja, richtig, der alte Noah – von dem Gustav das Lied konnte. Wo in er sich woll besoffen hat – der Alte?«

»In Wein.«

»War es Wein?« Lasse zog die Augenbrauen in die Höhe. – »Denn is dieser Noah ja ein feiner Mann gewesen. Mein Herr da drüben in Schweden, der trank auch Wein, wenn es flott herging! Ich hab' mir erzählen lassen, daß da viel zu gehört, eh' das seinen Mann unterkriegt – und Wein is teuer! Steht da auch von dem, der so gottserbärmlich betrogen hat? Wie hieß er doch noch gleich?«

»Meinst du Laban?«

»Ja, Laban, ja! Daß ich das auch vergessen konnt'! Denn er war ja ein richtiger Laban, so daß der Name eigentlich merkwürdig gut auf ihn paßt. Das war der, der seinem Schwiegersohn die beiden Töchter gab – und er mußt' sie sich noch obendrein mit Tagelohn verdienen! Wenn sie nu gelebt hätten, wären sie gewiß ins Zuchthaus gekommen, er und auch der Schwiegersohn, aber in den Zeiten sah die Obrigkeit den Leuten woll nich' so genau in die Karten. Ich möcht' woll wissen, ob 'ne Frau damals auch Erlaubnis gehabt hat, zwei Männer zu haben. Erzählt das Buch nichts davon?« Lasse stand da und wiegte sich neugierig hin und her.

»Nee, da steht woll nichts von da«, sagte Pelle geistesabwesend.

»Na ja, ich will dich lieber nich' stören«, sagte Lasse und ging wieder an seine Arbeit. Aber es währte nicht lange, da war er wieder da: »Sie sind mir nu zufällig wieder abhanden gekommen, die beiden Namen. Ich begreif' wirklich nich', wo ich meinen Kopf in dem Augenblick gelassen hatt'. Aber die großen Propheten, damit weiß ich gut Bescheid – willst du mir die mal überhören?«

»Na, denn man her damit!« sagte Pelle, ohne die Augen vom Buch zu erheben.

»Du mußt woll so lange mit dem Lesen aufhalten,« meinte Lasse, »sonst könnt'st du da in verwirren.« Er mochte es nicht, daß Pelle es wie eine Kinderei behandelte.

»Na, in den vier großen werd' ich woll nich' irren!« sagte Pelle überlegen, klappte das Buch aber doch zu.

Lasse nahm den Priem mit dem Zeigefinger aus der Unterlippe heraus und warf ihn an die Erde, um den Mund klar zu haben, dann zog er die Hosen in die Höhe und stand eine Weile mit geschlossenen Augen da und bewegte die Lippen, während er seine Lektion leise für sich hersagte.

»Na, wird es bald?« fragte Pelle.

»Ich muß doch erst zusehen, ob sie auch da sind!« antwortete Lasse ärgerlich über die Störung, und fing wieder an, sie herzusagen. »Jesaias, Jeremias, Hesekiel und Daniel!« Er schleuderte sie hastig heraus, damit ihm keiner unterwegs verloren gehen sollte.

»Woll'n wir auch Jakobs zwölf Söhne gleich mal nehmen?«

»Nein, heute nich', es könnt' zuviel für mich auf einmal werden. In meinen Jahren muß man bedachtsam fahren, ich bin ja nich' mehr so jung wie du. Aber wenn du die zwölf kleinen Propheten noch mal mit mir durchnehmen willst –«

Pelle sagte sie langsam vor und Lasse wiederholte sie, einen nach dem anderen. »Verteufelte Namen, die sie dazumals ausfindig machen konnten!« rief er stöhnend aus. »Der Mund tut einem förmlich weh, so wie man ihn verdrehen muß! Aber ich will sie schon kriegen.«

»Was willst du eigentlich damit, Vater?« fragte Pelle plötzlich.

»Was ich damit will?« Lasse kraute sich an dem einen Ohr. »Ich will natürlich – ho – das war doch 'ne verdammt dumme Frage! Was willst du denn damit? Gelehrsamkeit is doch so gut für den einen wie für den anderen – und wenn mir nu all das Schöne in meiner Jugend vorenthalten is! Du willst es am End' für deinen eigenen Mund behalten?«

»Nee – denn für meinetwegen kann sich die ganze Prophetenwirtschaft zum Teufel scheren – aber ich muß sie ja lernen!«

Lasse war nahe daran, hintenüber zu fallen.

»Du bist doch der gottloseste Bengel, der mir je vorgekommen is. Du verdienst überhaupt nich', daß du zur Welt geboren bist! Achtest du die Weisheit nich' höher? Du sollst dich freuen, daß du zu einer Zeit geboren bist – wo armer Leute Kinder teil an allem haben, ebenso wie die Reichen! So war es zu meiner Zeit nich' – sonst – wer weiß? Sonst ging ich nu am End' nich' hier herum und mistete den Kuhstall aus, wenn ich in meinen jungen Jahren was gelernt hätt'! Sieh du zu, daß du nich' 'ne Ehre in deine Schande setzst!«

Pelle bereute halbwegs, was er gesagt hatte. »Ich sitz' jetzt auf der ersten Bank«, sagte er, um sich zu reinigen.

»Ja, das weiß ich recht gut, aber darum brauchst du die Hände nich' in die Hosentaschen zu stecken – denn während du dich verschnaufst, essen die anderen die Grütze. Du hast woll nichts verlernt in den langen Weihnachtsferien?«

»Nee, bewahre!« sagte Pelle selbstbewußt.

Lasse zweifelte auch gar nicht daran, sondern tat nur so, um den Jungen zu veranlassen, ins Geschirr zu gehen. Er wußte nichts Herrlicheres, als die Gelehrsamkeit mit vollem Wind dahinbrausen zu hören, aber es wurde immer schwerer und schwerer, den Jungen zu veranlassen, daß er sich äußerte.

»Kannst du nu auch ganz sicher sein?« fuhr er fort. »Is es nich' am besten, mal nachzusehen? Es is so beruhigend, zu wissen, daß dir nichts weggekommen is – so viel wie du im Kopf haben mußt.«

Pelle fühlte sich geschmeichelt und ergab sich. Er streckte beide Beine von sich, schloß die Augen und fing an, sich mechanisch hin und her zu wiegen. Und die zehn Gebote Gottes vom Berge Sinai, die Patriarchen, die Richter, Josef und seine Brüder, die vier großen und die zwölf kleinen Propheten – die Gelehrsamkeit der ganzen Welt wirbelte in einem langen Atemzuge von seinen Lippen. Vater Lasse war es, als drehe sich das ganze Weltall leuchtend um Gottes des Vaters Antlitz mit dem mächtigen weißen Bart. Er mußte den Kopf beugen und sich bekreuzigen. Nein, was da doch alles hinter der Kinderstirn des Jungen Platz hatte!.

»Ich möcht' woll wissen, was es kostet, den studierten Weg zu gehen!« sagte Lasse, als er wieder Boden unter sich fühlte.

»Das is woll sehr teuer – tausend Kronen allerwenigstens!« meinte Pelle. Keiner von beiden verband etwas Bestimmtes mit der Zahl – sie bedeutete nur das unüberwindbar Große.

»Sollte es so schrecklich teuer sein?« sagte Lasse. »Ich denk' darüber nach, wenn wir nu unseren eigenen Grund und Boden kriegen – es muß ja doch mal was werden – könnt'st du denn nich' bei Fris gehen und ihm das Handwerk ablernen, gegen eine anständige Bezahlung, und zu Hause essen und trinken? Dann sollt' man das doch woll können!«

Pelle antwortete nicht. Er spürte kein Verlangen, bei dem Küster in die Lehre zu kommen. Er hatte sein Messer herausgezogen und stand nun da und schnitzte an etwas in dem Eckpfeiler eines der Ständer. Es stellte einen großen Stier vor, der den Kopf zur Erde senkte und dem die Zunge aus dem einen Mundwinkel heraushing. Eine Klaue hoch oben am Maul bedeutete, daß das Tier die Erde zornentbrannt aufstampfte. Lasse mußte stehen bleiben, denn nun fing es an, nach etwas auszusehen. »Das soll woll ein Stück Vieh sein?« fragte er. Er hatte sich jeden Tag den Kopf darüber zerbrochen, während es so allmählich entstanden war.

»Das is Volmer, damals, als er dich auf die Hörner spießte«, sagte Pelle.

Lasse konnte gleich sehen, daß es die Begebenheit vorstellen sollte, jetzt, wo es ihm erzählt wurde. »Es is merkwürdig, wie naturgetreu es is,« sagte er, »aber so schnaubend wütig, wie du ihn gemacht hast, war er nu doch nich'! Ja, ja, nu woll'n wir lieber seh'n, daß wir unsere Arbeit fertig schaffen. Das da kann doch seinen Mann nich' ernähren!« Lasse hatte nichts übrig für die Leidenschaft des Jungen, überall Zeichnungen mit Kreide oder mit dem Taschenmesser anzubringen. Da war kaum mehr ein Balken oder eine Wand, die nicht Spuren von ihm trugen. Das waren brotlose Narrenstreiche, und der Gutsbesitzer konnte vielleicht böse werden, wenn er in den Stall kam und es zufällig sah. Lasse mußte oft Kuhdünger über die am meisten in die Augen fallenden Zeichnungen schmieren, damit sie nicht von dem Unrechten bemerkt wurden.

Da oben begab sich gerade Kongstrup am Arm seiner Frau ins Haus zurück. Er war blaß, sah aber wohlgenährt aus. »Mit dem Gehen will es noch nich' wieder so recht!« sagte Lasse und sah ihm nach. »Aber es währt nich' lange, denn haben wir ihn wieder hier unten. Daher is es nich' ratsam, daß du den Pfosten ganz rungenierst.«

Pelle fuhr fort, Holzmasse herauszuhöhlen.

»Hörst du mir nich' auf mit der Spielerei, denn schmier' ich das ganze mit Kuhdünger über!« sagte Lasse erzürnt.

»Denn zeichne ich dich und Madam Olsen auf dem großen Tor ab!« sagte Pelle neckisch.

»Ja, du – du – das sollt'st du bloß versuchen! Ich sollt' dich woll aus meinen Augen verbannen und den Paster bereden, daß er dich abweist, wenn du damit abkämst!« Lasse war ganz außer sich. Er lief an das andere Ende des Kuhstalles und fing mit dem Nachmittagsausmisten an, schlug und zerrte mit den Gerätschaften. Dann stand er da und stocherte darin herum. Er hatte in seinem Zorn zuviel auf die Schubkarre geladen und konnte nun weder rückwärts noch vorwärts kommen.

Pelle näherte sich ihm mit seinem sanftesten Gesicht. »Soll ich dir die Karre nich' 'rausfahren?« sagte er, »deine Holzschuhe stehen nich' so fest auf dem Steinpflaster.«

Lasse brummte etwas vor sich hin und ließ ihn herankommen. Eine kleine Weile schmollte er, aber das war nicht durchzuführen, der Junge hatte einen verteufelten Humor, wenn er nur wollte.


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