Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Herrje! Herrje! Wie das ging! Der Steinhöfer-Herr ließ den grauen Hengst ausholen und sah so aufmerksam über die Felder hin, als ahne er nicht, daß ihm jemand auf den Fersen war – aber Frau Kongstrup genierte sich weiß Gott nicht. Sie peitschte aus allen Kräften auf die Rote los und ließ Gott und alle Welt sehen, was sie vorhatte!
Und bei hellem, lichten Tage fuhren und tollten sie so auf der Landstraße herum, statt den Unfrieden innerhalb ihrer vier Mauern zu halten wie andere, ordentliche Leute! Das mußte man sagen, feine Leute hatten kein Schamgefühl!
Und dann schrie sie und stellte sich aufrecht im Wagen hin und prügelte auf das Pferd los – mit dem Schaft, so arg sie nur konnte!
Warum konnte sie ihn denn nicht zu seiner Liebsten fahren lassen, wer es nun auch gerade sein mochte, und ihm dann gehörig die Hölle heiß machen, wenn er nach Hause kam. Du großer Gott, daß sie es noch nicht satt hatte, nach zwanzig Jahren, immer und ewig dasselbe! – Die Frauenzimmer hatten wahrhaftig Ausdauer!
Und daß er das mochte! In ewigem Unfrieden zu Hause leben um so einer Schenkmadam oder irgendeines anderen Frauenzimmers willen, die wohl im Grunde auch nicht viel anders sein konnte als seine eigene Frau! Es gehörte, weiß Gott, ein langmütiger Sinn dazu, um auf die Weise Don Juan zu spielen – aber bei Licht besehen war das wohl das, was man Liebe nannte!
Die Dreschmaschine stand still, die Leute auf Steinhof hingen aus allen Luken heraus und amüsierten sich königlich. Das war ein Wettlauf, ein Anblick für Götter war es, zu sehen, wie die rote Stute hinter dem Hengst her war, als habe der vergessen, die Bezahlung zu erlegen! Huh, hah! Das waren zwei Sonntage in einer Woche! Lasse war um die Ecke gekommen und verfolgte die wilde Fahrt mit der Hand über den Augen – so was von Weibsbild war ihm doch noch nie vorgekommen, dagegen war Bengta ja ein reines Lamm Gottes gewesen! Der Neuendorfer-Bauer, der in der Tür stand, als die wilde Jagd vorübersauste, dachte in seinem stillen Sinn dasselbe; und auf allen Feldern hielten sie mit der Arbeit inne, starrten und bekreuzigten sich. Die waren, weiß Gott, vom Triebe besessen, die beiden! Der wahre Teufel ritt sie alle beide!
Schließlich mußte er anstandshalber anhalten und umkehren. Sie kroch zu ihm in den Wagen hinüber, und die Rote ging hübsch artig hinterher mit ihrem leeren Fuhrwerk. Sie hatte den Arm um seinen Rücken geschlungen und sah glücklich siegesselig aus, genau so wie der Landespolizeidiener, wenn er einen guten Fang gemacht hatte; aber er glich einem Verbrecher schlimmster Art. So kamen sie wieder auf den Hof hinausgefahren! – –
Eines Tages kam Kalle, um zehn Kronen zu leihen und Lasse und Pelle auf nächsten Sonntag zur Kindtaufe einzuladen.
Das Geld bekam Lasse nach einigen Schwierigkeiten auf dem Kontor von dem Verwalter, aber die Einladung mußten sie dankend ablehnen, so schwer es ihnen auch wurde; es war keine Rede davon, daß sie wieder frei bekommen konnten. An einem anderen Tage war der Großknecht weg. Er war in der Nacht verschwunden und hatte seine große Kiste mitgenommen, folglich mußte ihm jemand behilflich gewesen sein. Aber die anderen Knechte in der Kammer schwuren hoch und heilig, daß sie nichts gemerkt hätten, und der Verwalter mußte es aufgeben, der Sache auf den Grund zu kommen, wie wütend er auch war.
So geschah hin und wieder das eine oder das andere, was das Blut für einen oder zwei Tage in Bewegung brachte, im übrigen aber war es schwer, durch den Winter zu kommen. Die Finsternis hatte den größten Teil des Tages die Oberherrschaft, und in den Winkeln wurde es eigentlich nie so recht hell. Auch die Kälte bedrückte, wenn man sich nicht gerade in dem gemütlichen Stall befand; da war es immer warm, und Pelle fürchtete sich nicht, sich dort in der tiefsten Dunkelheit zu bewegen. In der Gesindestube saßen sie die langen Abende und dösten, ohne eigentlich irgend etwas vorzunehmen. Sie machten sich nicht viel aus den Mädchen, sondern saßen da und spielten Karten um Branntwein – oder erzählten graulige Geschichten, die es zu einer halsbrechenden Expedition machten, wenn man über den Hof in den Stall hinüber mußte, um zu Bett zu gehen.
Per Olsen war wegen seiner Ordentlichkeit zum Großknecht aufgerückt, als der andere ausgerissen war. Lasse und Pelle freuten sich darüber, denn er stand auf ihrer Seite, wenn ihnen jemand einen Streich spielen wollte. Er war ein netter Mensch nach jeder Richtung hin geworden, rührte den Branntwein kaum mehr an und hielt seine Sachen gut in Ordnung. Ein wenig zu still war er selbst den alten Tagelöhnern und Frauen auf dem Hofe, aber sie wußten, warum er so war, und hatten ihn gern – weil er auf der Seite der Schwachen stand und um des Schicksals willen, das über ihm schwebte. »Er geht herum und horcht«, sagten sie, und wenn er so gleichsam nach inwendig lauschte, nach dem Unbekannten, vermieden sie es so weit wie möglich, ihn zu stören.
»Ihr sollt sehen, er befreit sich, der Böse kriegt keine Macht über ihn«, meinten Lasse und die Häuslerfrauen, wenn sie beim Sonntagsmelken Per Olsens Aussichten erwogen. »Es gibt solche, an denen selbst der liebe Gott nichts auszusetzen finden kann.«
Pelle hörte zu und sah jeden Tag nach der Narbe von Per Olsens Daumen; wenn Gott sein Strafgericht von ihm nahm, mußte die doch wohl verschwinden!
Den größten Teil des Winters fuhr er die Dreschmaschine. Den ganzen Tag trabte er in dem Göpel draußen vor dem Hofe herum, in zertretenem Schnee und Dünger bis über die Holzschuhe. Das war das Unleidlichste, was ihm das Dasein bisher noch geboten hatte; er konnte nicht einmal schnitzen – die Finger waren ihm zu kalt – und fühlte sich so allein! Als Hirtenjunge war er sein eigener Herr, tausend Dinge riefen ihn, aber hier mußte er rund herumgehen hinter dem Baum her, beständig rundherum. Die einzige, geringe Beschäftigung war, die Male zu zählen, die er herumfuhr, aber das war eine verzehrende Beschäftigung, man wurde noch stumpfsinniger davon als von dem unendlichen Herumwandern selbst, und konnte nicht wieder davon abkommen! – Die Zeit bekam keinen Inhalt, der Tag wollte niemals ein Ende nehmen, wie kurz er auch war.
Sonst erwachte Pelle vergnügt, aber jetzt erwachte er jeden Morgen und war des Ganzen überdrüssig. – Das war dies ewige Traben hinter dem Baum her. Allmählich wurde er so, daß er halb schlief, wenn er eine Stunde gegangen war. Der Zustand fand sich ganz von selbst ein, und er sehnte sich im voraus danach. Es war eine Art Stumpfsinn, in dem er nichts wünschte und sich für nichts interessierte, sondern nur mechanisch hinter dem Baum herstolperte. Die Maschine brummte unaufhörlich und half, den Zustand im Gange zu halten, der Staub stob unaufhörlich aus der Luke, die Zeit glitt unmerklich dahin. In der Regel überraschte ihn jetzt das Mittagessen oder der Abend; zuweilen hatte er ein Gefühl, als sei eben erst vorgespannt, wenn sie kamen und ihm halfen, die Pferde einzuziehen. Er hatte sich in diesen Zustand singenden Stumpfsinns hineingefunden, der die einzige Barmherzigkeit des Daseins gegen lebenslänglich Gefangene und Leute ist, die ihr Leben an einer Maschine zubringen. Aber es kam etwas Schläfriges über ihn, auch wenn er frei war, er war nicht mehr so lebhaft und erpicht, Bescheid über alles zu erhalten; Vater Lasse entbehrte die unzähligen Fragen und Einfälle.
Hin und wieder wurde er für einen Augenblick dadurch aus seinem Zustand herausgerissen, daß ein schwarzes, schweißbedecktes Gesicht in der Luke zum Vorschein kam und fluchte, weil er nicht gleichmäßig genug fuhr; dann wußte er, daß der lange Ole Per Olsen abgelöst hatte, dem es sonst oblag, in die Maschine hineinzustecken. Es geschah auch wohl, daß sich die Peitschenschnur um die Achse wickelte, so daß das Ganze zum Stillstand gebracht und rückwärts gezogen werden mußte; und an dem Tage fiel er dann nicht wieder in einen Dusel.
Ende März kamen die Lerchen und brachten neues Leben; noch lag Schnee in den Niederungen, aber ihr Tirilieren erinnerte so warm an den Sommer und an weidendes Vieh. Und eines Tages erwachte er auf seinem Rundgang dadurch, daß ein Star oben auf dem Dachrücken saß und schrie und die Federn wie verrückt sträubte. An dem Tage schien die Sonne hell, und all das Schwere war aus der Luft heraus; aber das Meer lag noch blaßgrau da unten.
Pelle fing wieder an, Mensch zu werden – das machte der Frühling und dann der Umstand, daß man in ein paar Tagen mit dem Dreschen fertig sein würde. Hauptsächlich aber war es die Westentasche – die konnte einen Mann schon zum Leben erwecken. Er lief in Zuckeltrab hinter dem Baum her, es mußte jetzt schnell gefahren werden, wenn man fertig werden wollte, alle anderen waren schon mitten beim Frühlingspflügen. Wenn er die Hand gegen die Brust klemmte, konnte er deutlich das Papier fühlen, worin es war. Denn es war doch wohl noch da? Es ging nicht an, auszupacken und nachzusehen, man mußte sich durch Klemmen vergewissern.
Pelle war Besitzer von fünfzig Öre geworden – von einem funkelnagelneuen fünfzig Örestück. Außer Zwei- und Einörestücken war dies das erste Geld, das er jemals besessen hatte, und er hatte es sich durch seine eigene Tüchtigkeit erworben.
Es war an einem Sonntag, die Knechte hatten Besuch vom Steinbruch, und da kam einer von ihnen auf den Einfall, daß sie Haselfett zum Schnaps haben wollten. Pelle sollte zum Kaufmann laufen und es holen. Er bekam eine halbe Krone und die Mahnung, hinten herumzugehen, da Sonntag sei. Pelle hatte sein Erlebnis von Weihnachten her nicht vergessen und gab acht auf ihre Gesichter; sie waren so geschäftig, sie zu glätten und irgend etwas vorzunehmen; Gustav, der ihm das Geld gab, wandte beständig das Gesicht weg und sah nach irgend etwas draußen auf dem Hof.
Die Frau des Kaufmanns lachte laut auf, als er sein Anliegen vorbrachte. »Nein, sieh mal einer an, bist du so ein Held!« rief sie aus. »Wie war es doch noch gleich – hast du nich' auch den Selbstdreher geholt? Davon habt ihr wohl vielen Nutzen gehabt?«
Pelle wurde dunkelrot. »Ich hab' mir ja gleich gedacht, daß sie mich wieder zum besten haben wollten, mochte aber nich' nein sagen«, antwortete er kleinlaut.
»Na ja, man muß ja manchmal Pujads sein!« sagte die Frau, »ob man es nun is oder nich'.«
»Was is denn Haselfett?« fragte Pelle.
»Herrjemine – das hast du gewiß manch liebes Mal geschmeckt, du Wurm! Aber so was muß man oft ruhig hinnehmen, ohne den Namen davon zu kennen.«
Da ging ihm ein Licht auf. »Das is woll Prügel mit 'm Haselstecken?«
»Ja, dacht' ich mir's doch, daß du es kennen müßtest!«
»Nee, ich habe bloß die Peitsche gekriegt – über die Beine.«
»Na ja, das laß dir man nich' leid sein – das eine is ebenso gut wie das andere. Aber nu sollst du einen Schluck Kaffee haben, und inzwischen will ich dir die Ware einpacken.« Sie schob ihm eine Tasse Kaffee mit braunem Zucker hin und machte sich daran, grüne Seife in ein Stück Papier zu füllen. »Siehst du, dies gibst du ihnen, das is das beste Haselfett. Das Geld kannst du selbst behalten.«
Pelle war nicht ganz geheuer bei der Regelung.
»Ja, dann behalte ich das Geld solange,« sagte sie, – »uns beide sollen sie doch nich' zum Narren haben. Und denn sieh du zu, wie du damit fertig wirst. Aber die Ohren mußt du ja steif halten.«
Er hielt sie auch wirklich steif, aber sie waren ihm tüchtig heiß. Die Knechte fluchten über den Verlust der fünfzig Öre und ernannten ihn zu dem größten Idioten auf Gottes Erdboden; aber er hatte die Genugtuung, daß das nur geschah, weil er nicht dumm genug war. Und die fünfzig Öre gehörten ihm!
Hundertmal am Tage befühlte er das Geldstück, ohne daß es dadurch abgenutzt wurde, hier war endlich etwas, das seinen Glanz nicht durch den Besitz einbüßte. Er kaufte bis ins Unendliche dafür – bald für Lasse, bald für sich selbst. Die kostbarsten Dinge erwarb er sich, und wenn er hinreichend lange bei einem Kauf verweilt hatte und des Besitzes überdrüssig wurde, machte er sich daran, etwas anderes zu kaufen. Das Geld behielt er darum doch. Plötzlich konnte ihn die wahnsinnige Furcht ergreifen, daß das Geld weg sei; wenn er danach fühlte, war er doppelt froh.
Pelle war mit einem Schlage Kapitalist geworden – durch eigene Tüchtigkeit –, und er wucherte gut mit seinem Kapital. Er hatte sich schon alles gekauft, was er für begehrenswert hielt, – er hatte wenigstens das Ganze an der Hand; und allmählich, wenn etwas Neues innerhalb seiner Welt auftauchte, sicherte er sich das Vorkaufsrecht dafür. Lasse war der einzige, der um seinen Reichtum wußte, und er mußte sich widerstrebend in die wildesten Spekulationen hineinziehen lassen. – – –
Er hörte an dem Klang, daß die Maschine in Unordnung geraten war; die Pferde hörten es auch, sie blieben bereits stehen, ehe noch Halt gerufen wurde. Dann ging es Schlag auf Schlag: Halt! Vorwärts! Halt! Vorwärts! Stopp! Komm! Prr! und Pelle zog den Baum rückwärts, fuhr weiter und hielt wieder an, bis das Ganze wieder schnurrte. Dann wußte er, daß der lange Ole in die Maschine hineinstopfte, während Per Olsen Futter abmaß – Ole war ein Tölpel, so schlecht wie er stopfte!
Er war wieder gut in Gang gekommen und ging nun ruhig weiter, ohne die Ecke dort am Kuhstall aus den Augen zu lassen. Wenn Lasse da zum Vorschein kam und sich auf den Bauch klopfte, so bedeutete das, daß es bald Mittagszeit war.
Irgend etwas hinderte den Baum, die Pferde mußten alle Kraft anspannen, da sprang er mit einem Ruck über das unsichtbare Hindernis hinweg. Aus der Dreschscheune ertönte ein Schrei und ein vielstimmiges Halt! Die Pferde standen plötzlich still, und Pelle mußte den Baum packen, damit ihnen der nicht auf die Beine laufen sollte. Es währte eine Weile, bis man herauskam und die Pferde hineinzog, so daß Pelle in die Scheune hineinkommen und sehen konnte, was da los war.
Da drinnen wand sich der lange Ole über seiner einen Hand; die Bluse war darum gewickelt, aber das Blut tropfte durch den Stoff auf den Boden der Scheune. Er beugte sich weit vor und humpelte herum, warf den Körper auf die Seite und redete verständnisloses Zeug. Die Mägde standen bleich da und starrten ihn an. Die Knechte zankten sich, welches Hausmittel das beste zum Blutstillen sei – einer von ihnen kam mit einer Handvoll Spinnengewebe vom Heuboden heruntergerutscht.
Pelle ging hin und sah in die Maschine hinein, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, was so grimmig an ihr war. Zwischen zwei Treibrädern saß so etwas wie ein Nagel, als er an der Walze rührte, fiel der größte Teil eines Fingers auf den Scheunenboden herab. Er nahm ihn mit ein wenig Spreu auf und trug ihn zu den anderen hin – es war ein Daumen. Als der lange Ole den Finger sah, wurde er ohnmächtig; man konnte nichts dazu sagen, er war ja nun zeitlebens ein Krüppel. – Aber Per Olsen mußte ja sagen, daß er zur guten Stunde von der Maschine weggekommen war.
An dem Tage wurde nicht mehr gedroschen. Des Nachmittags ging Pelle im Stall herum und spielte, er hatte gar nichts zu tun. Während des Spielens entwarf er dem Vater Zukunftspläne, sie waren ganz davon in Anspruch genommen.
»Und dann ziehn wir nach Amerika – und graben Gold!«
»Hm – ja, das wäre nich' das schlechteste. Aber da gehören viele halbe Kronen zu, um die Reise zu machen.«
»Dann können wir ja auch Steinhauer werden.«
Lasse blieb mitten im Futtergang stehen und stand nun da und überlegte gesenkten Kopfes. Er war herzlich unzufrieden mit der Stellung, sie arbeiteten sich zu zweien für hundert Kronen ab, und damit konnten sie nicht einmal auskommen; von Freiheit war auch niemals die Rede, man war ganz einfach ein Sklave. – Aus sich selbst brachte er es nie weiter, als unzufrieden und enttäuscht über alles zu sein, er war zu alt. Schon allein das Suchen nach Auswegen zu etwas Neuem war eine unüberkommbare Arbeit, und alles sah so hoffnungslos aus. Aber Pelle war rastlos, jedesmal, wenn er mit irgend etwas unzufrieden war, entwarf er Pläne zu Dutzenden, wilde und einigermaßen vernünftige, bunt durcheinander. Und er riß den Alten mit fort.
»Wir könnten ja auch in die Stadt gehen und arbeiten,« sagte Lasse grübelnd, »da verdienen sie eine blanke Krone nach der anderen. Aber was soll'n wir denn bloß mit dir anfangen? – Du bist zu klein, um ein Stück Werkzeug zu hantieren.«
Diese harte Tatsache setzte Pelles Plänen für einen Augenblick ein Ziel; aber dann tauchte sein Mut von neuem wieder auf. »Ich kann gut mit in die Stadt kommen,« sagte er, »denn ich will schon –«, er nickte verblümt.
»Na, was willst du denn?« fragte Lasse gespannt.
»Ja, vielleicht geh' ich unten am Hafen spazieren und hab' nichts zu tun, und da fällt ein kleines Mädchen ins Wasser, und ich rette es. Aber das kleine Mädchen is die Tochter von einem feinen Mann, und da –«; Pelle überließ den Rest Lasses Phantasie.
»Dann müßtest du aber erst schwimmen lernen,« sagte Lasse ernsthaft, »denn sonst würdest du ertrinken.«
Von der Knechtkammer ertönte Geschrei, das war der lange Ole. Der Arzt war gekommen und war mit seiner verstümmelten Hand beschäftigt. »Ach lauf mal 'rüber und sieh nach, was daraus wird!« sagte Lasse. »In solchem Augenblick beachtet dich niemand, wenn du dich klein machst.«
Nach einer Weile kehrte Pelle zurück und berichtete: »Die drei Finger waren ganz zerquetscht und hingen in Lappen herunter, nun hatte der Doktor alles weggeschnitten.«
»Waren es diese drei?« fragte Lasse gespannt und zeigte den Daumen, den Zeigefinger und den Mittelfinger. Wenn er der Wahrheit die Ehre geben wollte, so hatte Pelle nichts gesehen, aber seine Phantasie ging sofort mit ihm durch.
»Ja, es waren die Schwurfinger!« sagte er und nickte bestimmt.
»Dann is Per Olsen erlöst«, sagte Lasse und seufzte tief auf. »Wie schön is das – eine Gnade von Gott!«
Derselben Ansicht war Pelle.
Der Steinhöfer-Bauer fuhr den Doktor selbst in die Stadt, und nach einer Weile schickte Frau Kongstrup nach Pelle. Er sollte etwas für sie vom Kaufmann holen.