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Gehört die drahtlose Telegraphie noch in dieses Buch von den Wundern? Ist sie uns nicht längst selbstverständlich geworden wie der »gewöhnliche« Telegraph und das »gewöhnliche« Telephon, die auch einst für alle Wunder waren, und es für jeden tiefer Denkenden auch ganz gewiß noch heute sind? Ja, die Äthertelegraphie gehört nach wie vor zu den größten Wundern, zu den erstaunlichsten Erzeugnissen menschlicher Geisteskraft.
Mit Hilfe von Schwingungen, deren Natur wir nur ahnen, nicht kennen, durch Bewegungen in einem hypothetischen Stoff, der, wie man heute sagen kann, sicher garnicht vorhanden ist, durch Einwirkungen und Feinwirkungen, die uns an sich ganz unbegreiflich sind, vollziehen wir den drahtlosen Nachrichtenaustausch. Was bedeuten alle Prachtgebäude der Welt gegen den schlanken Bau des Sendedrahtturms in der Telefunkenstation Nauen bei Berlin! Welch ein anderer Bau ist so mächtig wie dieser?
Der Telegraphist dort drinnen, in der mit geheimnisvollen Apparaten erfüllten Sendezelle vollzieht ein paar Schaltungen und bewegt dann einen einfachen Klopferhebel genau so, als hätte er den Auftrag, vom Postamt in Treuenbrietzen ein Telegramm durch den Draht nach Jüterbog zu schickem Aber welch eine Wirkung tritt ein! Im Maschinensaal der Funkenstation heult die Hochfrequenzmaschine in rasend schnellem Umlauf, ein großer Unterbrechungshammer arbeitet in schweren Schlägen – und drüben in Amerika, am andern Ufer des 291 Weltmeers, zu dessen Überquerung das schnellste Schiff fünf Tage braucht, tönen im gleichen Augenblick die Rhythmen des Morsealphabets in einem Telephonhörer, den der Aufnahmebeamte am Ohr hat. Zwischen Nauen hüben und Sayville drüben besteht keinerlei Verbindung als das unermeßliche, unerforschte, gleichmäßig gefügte Äthermeer.
Und nun wieder ein paar Schaltungen im Senderaum! Jetzt ist es ein anderes Strahlungsnetz, eine anders gerichtete Antenne, die an die Hochfrequenzmaschine angeschaltet ist, und nun verkehrt Nauen mit Kamerun. Dies geschieht genau in der gleichen Weise wie mit Amerika. Der Raum, die Verschiedenheit in der geographischen Lage der beiden Erdteile, sie spielen für den Beamten am Morseklopfer keine Rolle.
Der Mann, welcher der Funkentelegraphie die letzte Gestalt für ihre praktische Brauchbarkeit gab, ist der Italiener Marconi. Aber in ihrem geistigen Inhalt geht die Erfindung zurück auf die grundlegenden Versuche eines deutschen Gelehrten, des in der Blüte seiner Jahre dahingeschiedenen Physikers Heinrich Hertz. Er vermochte als erster, schnellschwingende elektrische Entladungen zu erzeugen und stellte auch sogleich ihre Fernwirkungen fest.
Eigenartig sind die neusten Wandlungen im Gebiet der Äthertelegraphie. Auf die Verwendung der Funkenstrecke und der empfangenden Frittröhre wurde das System von Marconi praktisch aufgebaut. Funkentelegraphie wird es noch heute genannt, aber der Funke als Sender ist schon fast gänzlich verschwunden und durch die Hochfrequenzmaschine mit ihren gleichmäßigen, ungedämpften Wellenzügen ersetzt. Und die Frittröhre gar, den andern grundlegenden Baustein, findet man garnicht mehr. Sie ist als Empfänger überall durch den Detektor verdrängt, einen ganz anders gearteten Apparat. So hat die Äthertelegraphie bei voller Aufrechterhaltung des Betriebs ein ganz neues Fundament unter sich errichtet.