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Quelle: Professor Dr. Wilhelm Ostwald: »Große Männer«. Akademische Verlagsgesellschaft m.b.H., Leipzig, 1909.
Eine der wichtigsten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, die unsere gesamte Anschauung über das Wesen der Natur grundlegend beeinflußt hat, verdanken wir einem einfachen Arzt. Der Vorgang ist deshalb noch besonders interessant, weil die tiefe Erkenntnis einem Menschen ganz plötzlich gelang, der bis dahin auch nicht das Geringste geleistet hatte, bei dem nichts auf eine besondere Befähigung hinwies, und der auch nicht zum zweiten Mal hervorgetreten ist.
Julius Robert Mayer wurde am 25. November 1814 als dritter Sohn eines Apothekers in Heilbronn geboren. Auf der Schule hat der Knabe sehr schlechte Leistungen aufzuweisen gehabt. Auch seine Doktordissertation über das damals gerade gefundene Santonin läßt in keiner Weise einen hervorragenden Denker oder Forscher erkennen. 1840 trat Mayer als Schiffsarzt in niederländische Dienste um nach Java zu fahren. Der Inhalt des uns erhaltenen Tagebuchs dieser Reise ist durchaus belanglos.
Aber auf der Reede von Surabaya ging ihm durch eine an sich ganz nebensächliche Beobachtung plötzlich eine Gedankenreihe auf, die zu der grundlegenden Erkenntnis führte, daß Wärme und mechanische Arbeit miteinander verwandt seien, daß die eine sich in die andere umwandeln könne. Nach seiner Rückkehr faßte er am 16. Juni 1841 das von ihm entdeckte Gesetz von der Erhaltung der Kraft in einer kleinen Abhandlung zusammen, die er der damals bedeutendsten wissenschaftlich-physikalischen Zeitschrift, den »Poggendorffschen Annalen« einsandte. Poggendorff erkannte den Wert der Arbeit nicht und schickte sie zurück. Man kann ihm daraus keinen allzu großen Vorwurf machen, da Mayer selbst seine Gedankenreihe sehr mangelhaft begründet hatte, wie es denn überhaupt scheint, daß er selbst die ganze epochale Bedeutung seiner Erkenntnis niemals ganz erfaßt hat.
So ist es Julius Robert Mayer zu Lebzeiten denn auch niemals gelungen, sich durchzusetzen, und zahllose Gegner machten ihm so viel zu schaffen, daß er zwei Selbstmordversuche unternahm und 1878 verbittert starb. Dennoch steht fest, daß er als erster das große Gesetz von der mechanischen Wärmeäquivalenz erkannt hat; nachdem es von Joule und namentlich von Helmholtz fester fundamentiert worden war, hat es auf die ganze Physik bedeutsamsten Einfluß gewonnen. 34