Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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182. Höchste Empfindlichkeit

Quelle: Aufzeichnungen nach Vorträgen von W. Dove an der Berliner Universität.

Drei Versuche wollen wir anstellen, um die Leistungsfähigkeit der feinsten chemischen Wage zu prüfen. Deren Konstruktion soll hier nicht erörtert werden, man halte aber fest, daß es sich um eine zweiarmige Wage handelt, für deren Präzision der Scharfsinn ihrer Erbauer alles Erdenkliche aufgeboten hat. Sie muß bei mäßiger Belastung noch Bruchteile vom tausendsten Teil eines Gramms mit Sicherheit erkennen lassen.

Der gewogene Staub

Die Wage wird durch zwei gleichschwere Kugeln genau ausbalanziert. Die Kugel auf der einen Schale besteht aus poliertem Holz, die auf der andern aus Metall. Der in durchbrochener Figur schön gearbeitete Wagebalken schwebt horizontal in vollkommener Ruhe, irgend ein weiterer Eingriff findet nicht statt, und deshalb kann sich an diesem Gleichgewichtszustand nach oberflächlicher Voraussicht nichts ändern.

Er ändert sich aber. Die Schale mit der Holzkugel beginnt langsam zu sinken. Was geht da vor? Ist die Kugel schwerer geworden?

246 Allerdings. Beide Kugeln werden schwerer, da sich auf ihnen nach einiger Zeit aus der Luft Staub ablagert. Aber die Holzkugel bietet eine größere Oberfläche als die gleichschwere Metallkugel und empfängt demzufolge eine größere Staubmenge. Die winzige Differenz bringt das feine Instrument zum sichtbaren Ausschlag.

Der Globus von Blei

Am Chimborasso und anderen gewaltigen Massiven wurde beobachtet, daß ein Schwerpendel (Lot) um ganz geringe Beträge von der astronomisch bestimmten Vertikalen abgelenkt wird. Hutton und Maskelyne berechneten hiernach die Erddichte und gesamte Erdschwere; in ihrem Verfahren war der Berg Shehallien in Schottland der ablenkende Körper.

Immerhin ein ganzer großer Berg. Aber die Präzisionswage ermöglicht es, den Einfluß eines vergleichsweise ganz kleinen Körpers auf die Schwere zu erkennen.

Fünf Kilogramm Quecksilber werden genau abgewogen, sodaß die Wage im horizontalen Gleichgewicht steht. Sobald Ruhe eingetreten ist, rollen wir eine Bleikugel von 1 Meter Durchmesser unter den Apparat. Keinerlei direkte Verbindung findet statt; ebensowenig sind magnetische Wirkungen vorhanden. Der Bleiglobus soll sich lediglich als schwere und Schwerkraft erzeugende Masse geltend machen, also in Wettbewerb mit dem ungeheuren natürlichen Erdglobus treten. Vor diesem hat er nur den einen Vorsprung, daß sein Schwerpunkt dem Quecksilber näher liegt als der Erdmittelpunkt und mit dem Quadrat des Unterschieds stärker wirken kann.

Aber an Masse ist doch dieses Bleiquantum eine Null gegen die Erde mit ihren 9000 Trillionen Zentnern. Nichtsdestoweniger kommt ihre Wirkung zum Ausdruck: die Schale sinkt.

Das Quecksilber ist also tatsächlich schwerer geworden und zwar um 0,589 Milligramm. Der Versuch ist von Cavendish und Jolly (in etwas anderer Anordnung) ausgeführt worden.

Das Insekt in der Flasche

In einer luftdicht verschlossenen Glasflasche befindet sich eine lebende Fliege; sie sitzt vorerst in Ruhe auf dem Glasboden. Das Ganze kommt auf die Wagschale und wird durch Gegengewichte vollkommen ausgeglichen.

Bald darauf erhebt sich die Fliege und summt in der Flasche umher, ihr Gewicht drückt also nicht mehr auf die Glassubstanz. Wird das an der Wage erkennbar?

Das müßte eigentlich der Fall sein, denn für sie bedeutet der Fliegenkörper 247 eine tüchtige Last. Aber der erwartete Effekt bleibt aus, die Wage verharrt nach wie vor im Gleichgewicht.

Denn das Gewicht der Fliege ist nicht verschwunden; es äußert sich nunmehr auf dem Umweg des Drucks auf die Luft, in der sie umherschwirrt.

Nur in dem Augenblick ihres Abfliegens vom Boden erfolgt eine mechanische Erschütterung; und diese äußert sich allerdings in vorübergehenden Schwingungen des Wagebalkens.


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