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Der geistreiche Physiker Lichtenberg, dazu mehrere bedeutende Philosophen und Orientalisten wie Michaelis und Bendavid haben sich dafür eingesetzt, daß die alttestamentarische Bundeslade ein großartiger elektrischer Apparat und die Stiftshütte die Elektrisiermaschine dazu gewesen sei. Sie leiten diese Behauptung von der Beschreibung beider her, und man kann nicht leugnen, daß vom Standpunkt des Naturforschers aus alle Bedingungen der Wahrscheinlichkeit hier gegeben erscheinen. Nach den genannten Forschern stellen sich diese Bedingungen in der Zusammenfassung durch den Physiker W. F. A. Zimmermann folgendermaßen dar:
Für die Bundeslade wurde ausdrücklich sehr trockenes Holz verlangt, und man sah hierin den Hauptgegenstand für eine Verstärkungsflasche. Der von solchem trockenen Holz gezimmerte große Kasten sollte in- und auswendig mit dünnen Goldblechen bekleidet gewesen sein, und hierin wurde das zweite Erfordernis zu einer Verstärkungsflasche gefunden, d. h. ein Isolator zwischen zwei Leitern.
Die Lade, wie sie im zweiten Buch Moses beschrieben wird, war etwas Unnahbares; wer sich unberufen ihr näherte wurde von hervorbrechendem Feuer getötet, so die Söhne des Aaron selbst, die, mit dem Geheimnis der Entladung nicht vertraut, ein Opfer bringen wollten und dabei erschlagen wurden.
Die elektrische Ladung des Apparats erfolgte aus der Atmosphäre. Die Priester der Hebräer verstanden es, die Elektrizität aus den Wolken herabzuziehen und sich hierdurch eine dem Volk unbegreifliche Waffe zu schaffen:
Sechs Stangen von trockenem Föhrenholz, 60 Ellen hoch, mit metallenen Spitzen, standen in einem großen Viereck um die Lade herum und bildeten das Gerippe der Stiftshütte; von den Spitzen der Stangen gingen goldene Ketten zum Deckel der Bundeslade, der Batterie von je 45 Quadratfuß Belegung.
Rings um diese Hütte standen noch 60 Säulen gleicher Art in einem Oblong von einem ganzen Morgen Flächeninhalt. Sämtliche Spitzen der äußeren isolierenden Stangen waren durch Metallketten mit den inneren verbunden, so daß sie, physikalisch genommen, ein gewaltiges System von Blitzableitern bildeten, welche die ganze Masse der herabgeführten Elektrizität auf einen Punkt, die Bundeslade, konzentrierten.
268 Die Ladung der Batterie während des Marschs wurde auf eine andere Weise bewerkstelligt, nämlich durch eine Feuer- und Rauchsäule, die sich von ihr erhob. Rauch, d. h. fein zerteilte Kohle, ist ein vortrefflicher Leiter. Solches Feuer brannte, während die Lade von erfahrenen Leuten an 12 Ellen langen Stangen getragen wurde; auf ihrem Deckel besorgte die Leitungsfähigkeit der Rauchsäule die Leitung der Ladung vollständig, wie aus der Beschreibung des Zugs durch die Wüste hervorgeht.
Im logischen Zusammenhang hiermit steht die Tatsache, daß der Tempel zu Jerusalem durch Blitzableiter geschützt war.
Der Salomonische und der nach seiner Zerstörung durch Herodes wieder aufgebaute zweite Tempel standen im gewitterreichsten Land der Erde, in Palästina, auf einem isolierten, hohen Felsen, und während seines mehr als tausendjährigen Bestehens ist er doch niemals vom Blitz getroffen worden. Allein die Beschreibung in heiligen und profanen Schriften erläutert dieses Wunder.
Das Dach des Tempels war mit Goldplatten belegt, im Fundamentfelsen wölbten sich mächtige Zisternen als Behälter für Regenwasser. Große kupferne Röhren liefen vom Dach nach diesen Zisternen. Obendrein war der Tempel mit zahlreichen metallenen Spitzen besetzt – wie Flavius Josephus berichtet: zum Schutz gegen Verunreinigung durch Vögel.
Allein zu solchem Schutz hätten Drahtstifte genügt, während wir erfahren: die kriegerischen Priester »brachen bei dem letzten Sturm der Römer die Spitzen vom Dach des Tempels und schleuderten sie als Wurfspieße auf die eindringenden Feinde«.
Es waren also keine Stifte, sondern klafterlange Stangen von Metall, mit einem Wort »Blitzableiter«.
Und sie waren es auch wirklich, die in Verbindung mit den Regenrinnen und Zisternen das Haus durch Jahrhunderte vor Gewitterschaden bewahrten.
Die landläufige Schulweisheit läßt sich freilich von solchen Dingen nichts träumen. Da wird gelehrt und behalten: der Blitzableiter von Franklin, die Verstärkungsflasche von Georg von Kleist im achtzehnten Jahrhundert erfunden. Auch hier gilt also das bewährte Merkwort: »Umlernen!«