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Quelle: Dr. Alfred Lehmann: »Aberglaube und Zauberei von den ältesten Zeiten an bis in die Gegenwart«, deutsche autorisierte Übersetzung von Dr. med. Petersen I, Düsseldorf, zweite Auflage. Verlag von Ferdinand Enke, Stuttgart, 1908.
Eine der eigentümlichsten und interessantesten Gestalten in der Geschichte des neueren Okkultismus ist der Schwede Emanuel Swedenborg. Er wurde 1688 als Sohn eines gelehrten Bischofs geboren und starb 1772. Durch sein Leben geht ein tiefer Riß, der eine schroffe Grenze zwischen erfolgreichster naturwissenschaftlich-technischer Arbeit und einem nur dem Verkehr mit den Geistern gewidmeten Wandel bildet. Swedenborg hatte in Upsala Mathematik, Physik und Chemie studiert, war dann nach Deutschland, Frankreich und England gegangen, wo er sich eine tiefe naturwissenschaftliche Bildung aneignete. König Karl XII. berief dann den hervorragenden Mann zu sich, um seinen Rat für den Bau des 130 Docks zu Karlscrona und des Trollhettankanals einzuholen. Swedenborg machte verschiedene technische Erfindungen und war bald eine europäische Berühmtheit; er stand mit allen großen Gelehrten seiner Zeit in Briefwechsel. Es wurde ihm der Adel verliehen und der Lehrstuhl des bedeutenden Astronomen Celsius in Upsala angeboten. Swedenborg lehnte jedoch ab, er ließ sich 1745 plötzlich von allen Ämtern entbinden und in den Ruhestand versetzen. Sein ganzes übriges Leben ist der Mystik, den »Offenbarungen« und dem »Geisterverkehr« gewidmet.
Die okkultistische Literatur ist erfüllt mit Berichten über die hellseherischen Taten Swedenborgs. Eins dieser Vorkommnisse ist ganz besonders berühmt geworden und zwar darum, weil es von Kant beschrieben wurde. Dieser berichtet darüber:
„»Am 1. September 1759 kam Swedenborg nach Schweden zurück und ging nachmittags vier Uhr in Gothenburg ans Land. Er wurde gleich von einem Freund in eine Gesellschaft eingeladen. Um sechs Uhr verließ er die Gesellschaft, kam aber nach einem Augenblick bleich und entsetzt zurück. Er erzählte, daß ein großes Feuer in Stockholm wüte. Er war sehr unruhig und ging häufig hinaus in die frische Luft. Gegen acht Uhr erzählte er, daß das Feuer gelöscht sei, gerade drei Häuser vor seiner eigenen Wohnung in Stockholm. Diese Angaben Swedenborgs verbreiteten sich natürlich sofort in der Stadt und kamen auch dem Gouverneur zu Ohren. Am nächsten Morgen ließ er Swedenborg zu sich bitten, welcher ihm alle Einzelheiten des Brands beschrieb. Erst Montag Abend kam eine Stafette von Stockholm nach Gothenburg und Dienstag morgen ein königlicher Kurier. Die Berichte dieser Boten stimmten genau mit Swedenborgs Beschreibungen überein.«”
„Demgegenüber ist bemerkenswert, so schreibt der bedeutende Kritiker der okkultistischen Phänomene, Dr. Alfred Lehmann, daß Kant den Bericht erst sechs Jahre nach der Begebenheit geschrieben hat. Er hatte seine Aufzeichnungen von einem Freund, der selbst in den beiden Städten gewesen war und mit Augenzeugen gesprochen hatte, die sich der merkwürdigen Geschichte noch genau erinnerten. Man wird einem solchen Bericht, auch wenn er von Kant stammt, nicht ohne weiteres objektive Zuverlässigkeit zuerkennen dürfen. Ein Bericht, der erst nach sechs Jahren geschrieben ist, kann nur dann als vollkommen beweisend gelten, wenn alle Voraussetzungen für seine objektive Zuverlässigkeit gegeben sind. Das ist aber hier nicht der Fall. Wer die Freunde waren, die den Vorfall erzählten, und von wem diese ihn gehört hatten, ist nicht erkennbar. Wer sich mit den modernen Forschungen über Aussage-Psychologie beschäftigt hat, wird über die Unzuverlässigkeit solcher Berichte nicht im Zweifel sein. Man weiß 131 auch, wie lebhaft die Legendenbildung bei solchen Dingen beteiligt ist. Jeder setzt gern etwas zu, während das ursprünglich objektiv Richtige ganz harmlos ist.”
Wie leicht einfache Dinge falsch aufgefaßt und aufgebauscht werden, und wie aus einem ganz harmlosen Vorgang ein anscheinendes Hellsehen wird, möge der im folgenden Abschnitt erzählte Fall beweisen.