Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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36. Der elektrische Tod

Quelle: Artur Fürst, Aufsatz: »Der elektrische Tod« im »Berliner Tageblatt« vom 6.7.1914. Z.

Die Wirkungen des elektrischen Stroms auf den menschlichen Körper sind noch nicht völlig erforscht. Man hat bisher sehr wechselvolle und überraschende Erscheinungen auf diesem Gebiet beobachtet.

„Es ist vorgekommen, daß ein Strom von fünfzig Volt, also von einer recht niedrigen Spannung, bereits tödlich gewirkt hat, und daß Menschen, durch deren Körper mehrere tausend Volt geflossen sind, trotzdem das Leben behielten. D'Arsonval erzählt von einem Telegraphenarbeiter, der auf einem Gestänge saß und durch einen herabfallenden Telegraphendraht, den er in der Hand hielt, mit einer Leitung von 4500 Volt in Berührung kam. Er wurde sofort betäubt. Als man ihn jedoch herunterholte, kam er, wenn auch nach mancherlei Bemühungen, wieder zum Bewußtsein, obgleich der Strom mehrere Minuten lang durch seinen Körper hindurchgegangen war.

Wegen des Widerstands, den der menschliche Körper selbst bietet, sucht der Strom stets über dessen Oberfläche hinwegzugehen, ohne in die Tiefe zu dringen. Wenn jemand naß aus einem Bad steigt und gleich darauf in eine Hochspannungsleitung gerät, so kann er vielleicht einmal bei einer Spannung am Leben bleiben, die ihn sicher getötet hätte, wenn seine Haut trocken gewesen wäre. 57 Denn die Wasserfläche auf der Haut ist für den Strom ein weit bequemerer Durchgangsweg als das Material des Körpers selbst. Eine gleiche Sicherungsrolle vermag starker Schweiß zu spielen.

Man führt hieraus auch die häufigen Mißerfolge zurück, die sich in Amerika bei der Hinrichtung im elektrischen Stuhl gezeigt haben. Hierbei benutzt man eine so hohe Spannung, daß der Strom, wenn er unter – im Sinn dieses Falls – günstigen Umständen durch den Körper geschickt wird, sicher tödlich wirken muß. Aber die bedauernswerten Opfer sterben oft erst nach mehrmaligem Einschalten des Stroms. Es ist anzunehmen, daß sich ihr Körper infolge der ja leicht begreiflichen Aufregung mit Schweiß bedeckt. Und es kommt noch hinzu, daß man die Elektroden, von denen die eine auf dem Kopf, die andere am Kreuzbein sitzt, kräftig mit Salzlösung tränkt, damit sie guten Kontakt machen. Nun mag die Salzlösung vom Kopf den Rücken hinunterfließen, wodurch der glatte Stromübergang über die Haut noch erleichtert wird.

Merkwürdig ist, daß auch der Zustand des Gehirns auf die Wirkung des Stroms einen Einfluß übt. Oft hat sich gezeigt, daß ein Strom, der einem Menschen das Leben gekostet, Kaninchen oder Pferde nicht zu töten vermochte. Je feiner das Gehirn ausgebildet ist, desto geringer scheint der Widerstand des betreffenden Organismus gegen die schlimme Einwirkung des Stroms zu sein. In dieselbe Beobachtungsreihe gehört es, daß schlafende Menschen einen Stromdurchgang überstanden haben, der ihnen im wachen Zustand sicher gefährlich gewesen wäre. Narkotisierte Tiere werden durch den Strom wenig beeinflußt.

Menschen, die durch einen elektrischen Strom getötet worden sind, zeigen meist alle Anzeichen der Erstickung. Der Strom scheint vor allem lähmend auf die Tätigkeit der Lunge zu wirken.”


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